Grippewelle in Deutschland

Influenza – hilft die aktuelle Impfung?

Berlin - 03.02.2017, 16:30 Uhr

Deutschland leidet unter einer Grippewelle. Lohnt es sich, jetzt noch zu impfen? (Bild: psdesign1 / Fotolia)

Deutschland leidet unter einer Grippewelle. Lohnt es sich, jetzt noch zu impfen? (Bild: psdesign1 / Fotolia)


Eine Grippewelle attackiert Deutschland. Insgesamt 27.403 Menschen haben sich in dieser Grippesaison mit Influenza infiziert – sechs Mal so viel wie in der vergangenen. Das meldet das Robert-Koch-Institut. Wer muss zum Arzt? Sollten Apotheker ihren Kunden weiterhin eine Influenza-Impfung empfehlen? Und: Passt der Impfstoff überhaupt zu den zirkulierenden Viren? DAZ.online sprach mit Experten vom RKI.

Deutschland leidet unter einer Grippewelle. Insbesondere der Süden der Bundesrepublik zeigt eine „stark erhöhte Influenza-Aktivität“. Das geht aus aktuellen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert-Koch-Institut (RKI) hervor. Bundesweit konnte seit Beginn der Grippesaison (KW 40/2016) bei 27.403 Menschen das Influenzavirus nachgewiesen werden (Stand 31.01.2017). Zum Vergleich: 2016 waren es gerade mal 4.659 Fälle (Stand: 2.02.2016).

Das RKI untersuchte insgesamt bislang 311 Influenzaviren auf ihre genetischen Eigenschaften und Resistenzen. Der weitaus größte Teil der Grippeviren (305) sind Influenza-A-Viren: H3N2 (303) und H1N1 (2). In nur sechs Fällen hat das RKI Influenza-B-Viren nachgewiesen. Bislang fanden die Wissenschaftler keine Mutationen, die zu einer Resistenz gegen Oseltamivir (Tamiflu®) oder Zanamivir (Relenza®) führen.

Auch in der Apotheke stehen nun vermehrt Patienten und haben Fragen rund um die Grippe. Muss jeder Patient gleich zum Arzt? Und wie können sich Patienten schützen – zusätzlich zur Impfung? Wirkt die Impfung jetzt überhaupt noch? DAZ.online hat die wichtigsten Expertenhinweise des Robert-Koch-Instituts für Sie zusammengestellt. Und in Erfahrung gebracht, ob der aktuelle Impfstoff auch vor den zirkulierenden Grippeviren schützt.

Erkältung oder Grippe?

Plötzlicher Krankheitsbeginn mit hohem Fieber, schwere Kopf- und Muskelschmerzen, häufig ein Reizhusten – das sind die typischen Symptome einer „echten“ Grippe. Allerdings zeigt nur etwa ein Drittel aller Influenza-Infizierten diese Vollausprägung der influenza-like illness (ILI). Ein weiteres Drittel hat mildere Symptome – wie bei einer gewöhnlichen Erkältungskrankheit – und ein Drittel bleibt trotz Infektion völlig beschwerdefrei.

Nach Ansteckung dauert es gerade einmal ein bis zwei Tage, bis Patienten erste Anzeichen der Grippe spüren. In der Regel kämpfen die Patienten fünf bis sieben Tage mit der Grippe. Risikofaktoren begünstigen allerdings komplizierte Verläufe – bis hin zu schweren Lungenentzündungen, die im schlimmste Fall tödlich enden können. 

Als grippale Infekte bezeichnet man oft normale Erkältungen. Diese haben mit der Influenza nichts zu tun – sie werden durch mehr als 30 unterschiedliche Erreger ausgelöst, darunter Rhinoviren, Coronaviren und RSV-Viren. Die Patienten klagen häufig über Halsschmerzen, Husten und Schnupfen. In wenigen Fällen über Fieber. Nicht immer ist es einfach, eine schwere Erkältung von einer milden Verlaufsform der Influenza abzugrenzen. „Mitten in der Grippewelle ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient an Grippe erkrankt ist, auch bei milder Symptomatik hoch“, schreibt das RKI. Hilfreich für eine erste Einschätzung sei es somit, Kenntnisse über die aktuell zirkulierenden Viren zu haben. 

Wie lange sind Grippe-Patienten ansteckend?

Solange vermehrungsfähige Influenzaviren im Körper des Erkrankten sind, scheidet er diese aus und ist er ansteckend. Das kann auch durchaus schon zu einem Zeitpunkt der Fall sein, zu dem der Patient selbst noch gar nichts weiß von seiner Infektion und noch keine Beschwerden hat. Viren vermehren sich besonders stark zu Beginn der Symptome – das ist der Zeitraum, in dem Patienten ihr Umfeld folglich am stärksten gefährden. Nach vier bis fünf Tagen sinkt die Ansteckungsgefahr. Immunsupprimierte und schwer an Grippe Erkrankte haben längere Ausscheidungsdauern, im Mittel von sieben Tagen.

Was tun, bei Verdacht auf Influenza?

Vermuten Patienten hinter ihren Erkältungsbeschwerden eine Grippe, sollten Schwangere und chronisch Kranke in jedem Fall zum Arzt. Auch Kinder unter zwei Jahren und ältere Menschen ab 60 Jahren sollten sich ärztlich untersuchen lassen. Dies gilt – unabhängig von Alter, Schwangerschaft und Vorerkrankung – für alle Patienten, die einen besonders schweren Krankheitsverlauf bei sich beobachten. Um nicht unnötig weitere Menschen anzustecken, sollten potenziell Infizierte auf dem Weg zum Arzt möglichst vermeiden, zu engen Kontakt zu anderen Mensche zu haben.

Hygiene-ABC bei Grippe

Häufiges Händewaschen, in den Ärmel husten und niesen und Einwegtaschentücher verwenden: Wer diese hygienischen Grundlagen berücksichtigt, hat schon einen Großteil der Möglichkeiten ausgeschöpft. Das RKI empfiehlt zusätzlich, Mülleimer häufiger zu leeren, dass diese sich nicht zu Virenschleudern“ entwickelten. Auch regelmäßiges Lüften sei gut – reduziere es doch die Anzahl der erregerhaltigen Infektionströpfchen.

Wie auch beim Arztbesuch gilt im privaten Umfeld, engen Kontakt mit anderen Menschen tunlichst zu vermeiden. Als Sicherheitszone empfiehlt das RKI zwei Meter Abstand, was sich vielleicht nicht immer leicht umsetzen lässt.

Hilft die aktuelle Grippeimpfung?

Nach Auskunft des RKI zeigen die Influenza-B-Viren eine gute Übereinstimmung mit den verfügbaren Impfstoffen. Allerdings machen die derzeit nur einen verschwindend geringen Teil der zirkulierenden Viren aus. Mit einem Anteil von 75 Prozent, dominieren aktuell Influenza-A-Viren H3N2 des Typs Bolzano die zirkulierenden Viren. Dieser ist in den aktuellen Impfstoffen nicht enthalten. 25 Prozent der zirkulierenden Influenza-A-Viren sind vom Typ H3N2 Hongkong, dieser ist Bestandteil der Impfung. 

Susanne Glasmacher vom RKI erklärt, dass „die überwiegende Mehrzahl der A(H3N2)-Viren keine Erythrozyten agglutiniert. Somit können diese Viren nicht im Hämagglutinationshemmtest untersucht werden“. Anhand des Hämagglutinationshemmtests lasse sich testen, ob die zirkulierenden Viren vom Impfstoff erkannt würden oder nicht. So sei es derzeit schwierig, Aussagen zur Effektivität der aktuellen Grippeimpfung zu treffen. „In der Tat ist es natürlich ungünstig, wenn der fast ausschließlich dominierende´-zirkulierende Virustyp Bolzano im Impfstoff gar nicht enthalten ist “, sagt Glasmacher.

Da die „ersten Daten“ aus den Hämagglutinationshemmtests fehlten, greife man deshalb gerade auf epidemiologische Daten zurück – wer ist geimpft und dennoch erkrankt? Skandinavien habe hierzu bereits erste Auswertungen. So seien etwa 25 bis 30 Prozent der geimpften älteren Menschen geschützt durch die Influenzaimpfung. Glasmacher ordnet diese Zahlen als „nicht dramatisch schlecht“ ein, biete eine Influenza-Impfung im Durchschnitt generell nur 40 bis 60 Prozent Wirksamkeit. Epidemiologische Daten aus Deutschland gibt es derzeit noch nicht.

Susanne Glasmacher betont dennoch den Nutzen einer Grippeimpfung: „Viele wissen nicht, dass – wenn man trotz Impfung an Influenza erkrankt – der Verlauf in der Regel milder und weniger schwerwiegend ist“. Wenn auch die Grippe nicht ganz verhindert würde, so sei dies immerhin auch schon einmal positiv für den Erkrankten.

Jetzt noch Grippe impfen?

Das RKI empfiehlt als optimalen Zeitpunkt für eine Grippeimpfung die Monate Oktober und November. Bis der volle Schutz der Impfung greift, dauert es im Schnitt 10 bis 14 Tage. Doch selbst zu Beginn einer Grippewelle kann es noch sinnvoll sein, sich zu impfen, da man nicht genau absehen könne, wie lange die Influenzawelle andauere. In manchen Saisons folgt einem Infektionsgipfel mit Influenza A-Viren noch eine Infektionswelle mit Influenza B-Viren nach.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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