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Cochrane-Review
Wann ist die Langzeit-Hormontherapie sinnvoll?
Die Hormontherapie spielt weiterhin eine bedeutende Rolle bei der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden. Außerdem wird sie in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und Demenz bei älteren Frauen eingesetzt. Wie es mit der Datenlage dazu steht, zeigt ein aktueller Cochrane-Review.
Die Cochrane-Gruppe Gynäkologie und Fruchtbarkeit hat die Studienlage zu den Auswirkungen einer Langzeit-Hormontherapie (HT) von mindestens einem Jahr Dauer bei peri- und postmenopausalen Frauen aufgearbeitet. In die Bewertung eingeschlossen wurden randomisierte Doppelblindstudien mit einer Hormontherapie gegen Placebo, und zwar mit Östrogenen alleine oder in Kombination mit Gestagenen bei oraler, transdermaler, subkutaner oder intranasaler Verabreichung. 22 Studien mit Daten von insgesamt 43.637 Frauen erfüllten die Einschlusskriterien. Im Fokus standen die Sterblichkeit, kardiovaskuläre Ergebnisse, Krebs, Gallenblasenerkrankungen, Frakturen und die Wahrnehmung.
Zwei Studien waren wesentliche Grundlage der Analyse
Nach eigenen Angaben leiteten die Autoren fast 70 Prozent der Daten aus zwei gut durchgeführten Studien ab, der Heart and Estrogen/progestin Replacement Study (HERS 1998) und der Women's Health Initiative (WHI 1998).
Beide randomisierten kontrollierten Studien wurden in den USA durchgeführt. HERS untersuchte, ob Hormone Frauen, die bereits eine Erkrankung der Herzkranzgefäße haben, vor Herzinfarkt schützen. Die Fragestellung der WHI war, ob sie Frauen, die keine koronare Herzkrankheit haben, nach den Wechseljahren vor Herzinfarkt schützen. Die meisten Studienteilnehmer hatten einen gewissen Grad an Komorbidität. Das durchschnittliche Alter lag in den Mehrzahl Studien über 60 Jahre.
Um die Ergebnisse der WHI-Studie hatte es im letzten Jahr einigen Wirbel gegeben. In einer Publikation im New England Journal of Medicine hatten zwei der maßgeblichen Studienautoren im März 2016 darauf hingewiesen, dass ihre Studiendaten jahrelang fehlerhaft interpretiert worden seien.
Hunderttausende von Frauen hätten in der Folge der Studie, deren Auswertungen seit 2002 publiziert werden, die Hormonpräparate abgesetzt oder wurden nicht angemessen behandelt, weil sie glaubten, die Ersatzbehandlung berge durchweg gesundheitliche Risiken. Über die „Richtigstellung“ hatte sich der Berufsverband der Frauenärzte ausgesprochen erleichtert gezeigt. „Viele Frauen haben jahrelang um ihre Gesundheit gefürchtet, wenn wir ihnen einen Ersatz ihrer Hormone empfohlen und verordnet haben. All diese Frauen können jetzt wirklich erleichtert sein“, kommentierte der Präsident des Verbandes Christian Albring.
Wie stark erhöhen sich die Risiken?
Was haben nun die Cochrane-Autoren herausgefunden? Bei relativ gesunden postmenopausalen Frauen erhöhte die Kombinationstherapie mit Hormonen nach einem Jahr Nutzung das Risiko eines koronaren Ereignisses von etwa 2 auf einen Wert zwischen 3 und 7 pro 1000 Frauen – und das Risiko einer venösen Thromboembolie von etwa 2 auf zwischen 4 und 11 pro 1000. Bei längerer Verwendung erhöhte die HT auch das Risiko von Schlaganfall, Brustkrebs, Gallenblasenerkrankungen und Tod durch Lungenkrebs.
Bei recht gesunden Frauen über 65 Jahren stieg die Häufigkeit von Demenz nach vier Jahren Gebrauch von 9 auf 11 bis 30 pro 1000. Außerdem hatten Frauen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach einem Jahr kombinierter Medikation ein signifikant erhöhtes Risiko einer venösen Thromboembolie – es stieg von 3 auf zwischen 3 und 29 pro 1000.
Folgen der Dauertherapie mit Östrogenen alleine
Östrogen alleine erhöhte das Risiko einer venösen Thrombose nach ein bis zwei Jahren Gebrauch von 2 auf 2 bis 10 pro 1000 und nach sieben Jahren von 16 auf 16 bis 28 pro 1000. Bei längerer Verwendung stieg auch das Risiko für einen Schlaganfall von 24 auf 25 bis 40 pro 1000 – und für Gallenblasenerkrankungen von 27 auf 38 bis 60 pro 1000 an. Demgegenüber reduzierte sich das Risiko von Brustkrebs nach sieben Jahren Gebrauch von 25 auf zwischen 15 und 25 pro 1000.
Der einzige Faktor, für den die Autoren starke Nachweise für einen klinischen Nutzen der Hormontherapie finden konnten, ist das Bruchrisiko. Dieses sank nach 5,6 Jahren Nutzung einer kombinierten HT von 111 auf zwischen 79 und 96 pro 1000 und nach sieben Jahren Verwendung von Östrogen alleine von 141 auf zwischen 92 und 113 pro 1000. Die Forscher fanden keinen starken Beweis, dass die HT eine klinisch bedeutsame Auswirkung auf die Inzidenz von Darmkrebs hat.
Für wen kommt die Hormontherapie infrage?
Die Cochrane-Autoren raten abschließend, dass Frauen mit sehr belastenden Wechseljahresbeschwerden die Linderung der Symptome gegen die geringe absolute Gefahr von Schäden durch die kurzfristige Verwendung von niedrig dosierter HT abwägen könnten, sofern sie keine spezifischen Kontraindikationen haben.
Für Frauen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre oder thromboembolische Erkrankungen – wie zum Beispiel bei Adipositas oder einer vorherigen Venenthrombose – oder einem erhöhten Risiko für einige Krebsarten wie Brustkrebs könne die Therapie jedoch ungeeignet sein.
Wann ist die HT nicht indiziert?
Nicht indiziert ist sie nach den Schlussfolgerungen der Reviewer für die primäre oder sekundäre Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Demenz oder auch für die Verhinderung der Verschlechterung der kognitiven Funktion bei postmenopausalen Frauen. Auch zur Vorbeugung der postmenopausalen Osteoporose empfehlen die Autoren sie nur als Option für Frauen mit einem signifikanten Risiko, für die Nicht-Östrogen-Therapien nicht in Frage kommen. Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Daten derzeit nicht ausreichen, um das Risiko des Langzeit-HT-Gebrauchs bei perimenopausalen Frauen und bei postmenopausalen Frauen unter 50 Jahren zu bewerten.
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