Beratungs-Quickie

Attackenprophylaxe bei Morbus Menière 

München - 15.12.2016, 13:30 Uhr

Drehschwindel ist ein teil der typischen Symptom-Trias beim Morbus Menière. (Fotolia: LightingKreative / Fotolia)

Drehschwindel ist ein teil der typischen Symptom-Trias beim Morbus Menière. (Fotolia: LightingKreative / Fotolia)


Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen können Apotheker geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jede Woche einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über das Antivertiginosum Betahistin für einen Mann mittleren Alters, der an der Menièrschen Krankheit leidet.

Formalien-Check

Ein Mann kommt in die Apotheke mit einem Rezept über eine Verordnung über Betahistin. Er erklärt, sein Arzneimittel sofort zu brauchen. Er betont, dass eine Bestellung nicht infrage komme und dass er kein anderes als das verordnete Präparat möchte.

Verordnet sind 100 Tabletten Betahistin AL® 6 mg, Packungsgröße N3.

Das Rezept ist eindeutig, aber nicht vollständig. Der Status muss jedoch nicht nachgetragen werden.Der HNO-Arzt schließt den Aut-idem-Austausch aus. Abzugeben ist das verordnete Präparat. Der Patient ist von der Zuzahlung befreit.

Er löst das Rezept zwei Wochen nach der Ausstellung ein. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Das Histamin-Analogon Betahistin wird zur Behandlung von Schwindelzuständen eingesetzt, wie sie bei der Menière-Krankheit auftreten. Der Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohrs, die sich in der Trias anfallsartiger Drehschwindel mit einseitiger Hörminderung und einseitigem Tinnitus äußert. Zusätzlich können Übelkeit und Erbrechen sowie Druckgefühl oder Schmerz in dem betroffenen Ohr auftreten.

Die Krankheitszeichen entstehen durch eine Druckerhöhung im Innenohr, die durch eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung (Hydrops) im häutigen Labyrinth verursacht wird. Meist tritt die Krankheit zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung chronisch. Während die Schwindelanfälle in der Regel im Krankheitsverlauf weniger werden, schreitet der Hörverlust immer weiter fort und kann bis zur Gehörlosigkeit führen. Um das Fortschreiten zu verhindern, ist eine möglichst sofortige Behandlung bei Krankheitseintritt wichtig.

Zur Therapie des akuten Anfalls wird in der Regel das Antihistaminikum Dimenhydrinat gegen den Schwindel und die Übelkeit eingesetzt. Betahistin ist Mittel der Wahl für die Intervalltherapie zwischen den einzelnen Schwindelanfällen. Die Therapie mit Betahistin ist auf die Attackenprophylaxe und die Verminderung der Attackenfrequenz gerichtet.

Ziel der prophylaktischen Behandlung ist es, den Endolymphhydrops zu vermindern. Der Wirkmechanismus von Betahistin ist nicht vollständig geklärt. Betahistin beeinflusst unter anderem das histaminerge System und bewirkt als partieller H₁-Rezeptoragonist und H₃-Rezeptorantagonist eine Gefäßentspannung. Betahistin soll durch die Erweiterung der Blutgefäße im Innenohr dort den Druck senken und dadurch den Schwindel lindern.

Die empfohlene Tagesdosis beträgt dreimal täglich ein bis zwei Tabletten (18 bis 36 mg Betahistindimesilat). Experten setzen auch höhere Dosierungen ein (off label). Die Tabletten sind unzerkaut während oder nach den Mahlzeiten mit einem Glas Flüssigkeit einzunehmen. In der Regel handelt es sich um eine Langzeitbehandlung von mindestens drei bis zwölf Monaten.

Betahistin wird regelmäßig in der Behandlung des Morbus Menière eingesetzt, obwohl die Wirksamkeit kontrovers diskutiert wird. In der 2015 veröffentlichten BEMED-Studie (Behandlung des Morbus Menière mit Betahistin) erwies sich Placebo als genauso „wirksam“ wie die bisherige Standarddosierung von Betahistin (2 x 48 mg Betahistin-Dihydrochlorid pro Tag) und auch wie die Hochdosis-Therapie mit Betahistin (3 x 48 mg Betahistin-Dihydrochlorid pro Tag). 

Der Wirkstoff wird in der Regel gut vertragen. Als Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Verdauungsstörungen, Nesselausschlag und Herzklopfen möglich. Magen-Darm-Beschwerden lassen sich vermindern, wenn Betahistin zum oder nach dem Essen eingenommen wird.

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten.

Da Betahistin ein Analogon von Histamin ist, kann die zeitgleiche Einnahme von Antihistaminika (H1-Antihistaminika, H2-Rezeptorblocker) zu einer gegenseitigen Abschwächung der Wirkung führen. Nach der Akutversorgung der Schwindelattacken mit Dimenhydrinat dürfen die beiden Wirkstoffe deshalb nicht (lange) gleichzeitig verabreicht werden. Betahistin wird in der Regel im Anschluss an Dimenhydrinat gegeben, wobei das Antihistaminikum zuvor über ein paar Tage ausschleichend dosiert wird.

Bei gleichzeitiger Anwendung von Betahistin und MAO-Hemmern, einschließlich selektiver MAO-B-Hemmer wie Selegilin, ist Vorsicht angebracht. Medikamente, die Dopamin-abbauende Enzyme blockieren, können zu erhöhten Betahistin-Spiegeln und damit zu verstärkten Nebenwirkungen führen.

Patienten mit bestehendem oder vorausgegangenem Magen-Darm-Geschwür sowie mit Asthma bronchiale, müssen während der Behandlung sorgfältig überwacht werden.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Begünstigende Faktoren für das Auftreten des Morbus Menière können Stress, Rauchen, Alkoholkonsum und Allergien sein. Als Krankheitsauslöser wird eine genetische Komponente vermutet.
  • Eine ursächliche Therapie des Morbus Menière ist bislang nicht möglich. Oft können Schwere und die Häufigkeit der Attacken jedoch medikamentös vermindert werden.
  • In der medikamentösen Behandlung finden zur Druckentlastung des Innenohrs auch Diuretika Anwendung. In fortgeschrittenen Stadien der Krankheit kommen chirurgische Therapieverfahren zum Einsatz.
  • Neben der medikamentösen Therapie sind Methoden zur Stressbewältigung wichtig. Betroffene sollten zur Vorbeugung eines Anfalls psychische Belastungssituationen und Lärm so weit wie möglich vermeiden.
  • Als pflanzliche Zusatzmedikation steht die Ingwerwurzel (Zintona®) und als homöopathische Empfehlung beispielsweise Vertigoheel® zur Verfügung. Vertigoheel® findet sich auch in der DEGAM-S3-Leitlinie „Akuter Schhwindel in der Hausarztpraxis“. In einer Äquivalenz-Testung zu Betahistin war es vergleichbar wirksam. Eine Untersuchung gegen Placebo fand nicht statt.

Der Patient ist erfreut, dass die Apotheke das Arzneimittel an Lager hat. Das letzte Mal habe ihm die Apotheke eine andere Firma gegeben, aber die habe nicht so gut gewirkt. Seitdem bestehe er und natürlich auch sein Arzt auf das Original von AL.

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Der Artikel wurde am 16.12.16 geändert: Vertigoheel ist Bestandteil der DEGAM-S3-Leitlinie zu „Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis“.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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