Analyse

Die stärkende Angstkampagne der ABDA

Berlin - 09.12.2016, 13:00 Uhr

Pauschalisierend, aber gleichzeitig stärkend: Die ABDA wandelt mit ihrer Unterschriftenaktion auf dem schmalen Grad des Populismus, schafft es damit aber, die Apotheker hinter sich zu vereinen und als starke Standesvertretung aufzutreten. (Foto: Sket)

Pauschalisierend, aber gleichzeitig stärkend: Die ABDA wandelt mit ihrer Unterschriftenaktion auf dem schmalen Grad des Populismus, schafft es damit aber, die Apotheker hinter sich zu vereinen und als starke Standesvertretung aufzutreten. (Foto: Sket)


Wenn sich die ABDA mit ihrer Unterschriftenaktion bei der Politik Gehör verschaffen wollte, hat sie jetzt schon einen Erfolg eingefahren. Die Standesvertretung der Apotheker riskiert mit ihren europakritischen Aussagen einerseits ihrem eigenen Ruf zu schaden. Andererseits muss man der ABDA aber eines lassen: Zumindest nach innen, also innerhalb der Apothekerschaft, wirkt die Aktion positiv, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer.

Die Reaktion der Politik auf die Unterschriftenaktion der ABDA folgte prompt: Sowohl die SPD als auch die CDU kritisierten die ABDA dafür, dass sie mit ihrem Flyer, auf dem pauschal vor „Gefahren von außen“ gewarnt wird, Ängste schüre und pauschalisierende, europafeindliche Aussagen mache. Und die Politiker Dittmar (SPD) und Hennrich (CDU) haben Recht: Die ABDA macht sich auf dem Flyer nicht die Mühe, den Sachverhalt mit dem EuGH-Urteil auch nur annähernd zu erklären. Pauschal wird im Plural (!) auf Entscheidungen der EU hingewiesen und darauf, dass sich ausländische Konzerne am hiesigen Gesundheitssystem bereichern wollen.

Noch kritischer ist allerdings der Mittelteil des Informationsblattes zu bewerten. Dort beschreibt die ABDA verschiedene Szenarien, die den Apothekern und somit auch den Apothekenkunden drohen könnten. Die Rede ist von einer schlechteren Versorgung von Kindern, Schwangeren und Chronikern. Damit bedient sich die Standesvertretung eines politischen Werkzeuges, das derzeit leider Schule macht: mit Ängsten eine politische Einstellung zu befeuern. Die AfD ist unter anderem so erfolgreich, weil sie den Leuten mit ihren Horrorszenarien vor einem von Flüchtlingen übervölkerten Deutschland Angst macht. Der US-amerikanische President-elect Donald Trump hat seinen gesamten Wahlkampf mit Ängste schürenden Aussagen gestaltet, etwa über mexikanische Einwanderer oder über ein zu mächtiges China.

Die Taktik hinter solchen Aussagen ist klar: Emotionen bewegen Menschen. Natürlich werden viele Patienten auf die im ABDA-Flyer beschriebene Drohkulisse reagieren und ihre Unterschrift auf das Blatt setzen. Denn wer will schon, dass sein krankes Kind im Notfall keinen Fiebersaft mehr bekommt? Das Problem an dieser Strategie ist allerdings oft der Wahrheitsgehalt. Wie oben schon beschrieben, geht es nun einmal nicht um Entscheidungen der EU, sondern um EIN Gerichtsurteil. Und natürlich sind auch die „gefährlichen Einflüsse von außen“ bei einem Marktanteil des Versandhandels von etwa 0,3 Prozent zumindest zu relativieren. Und auch die Aussage, dass unser gesamtes Gesundheitssystem nur am Wohle des Patienten und nicht an Renditen und Gewinnen orientiert sei, ist zu hinterfragen.

Andererseits...

Was hat sich die ABDA bei diesem Vorstoß also gedacht? Ist die Aktion ein kompletter Griff ins Klo? Die Kampagne wurde wochenlang vorbereitet, bei der ABDA arbeiten gut bezahlte PR-Spezialisten. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass die Kritik an der Kampagne für die ABDA jetzt überraschend kommt. Vielleicht hat die Standesvertretung diese negative Reaktion sogar eingeplant, weil sie wusste, dass die positive Wirkung viel wichtiger und größer ist.

Aber wie kann eine offensichtlich pauschalisierende und europakritische PR-Aktion eine positive Wirkung entfalten? Die Antwort liegt im Apothekensystem selbst: Die Arbeit der ABDA ist bei vielen Apothekern seit Jahren hoch umstritten. Die Pharmazeuten fühlen sich nicht richtig vertreten, im Berliner Elfenbeinturm würden die Posten hin- und hergereicht, ohne dass beim Apotheker vor Ort politische oder wirtschaftliche Vorteile spürbar würden, so lauten viele Anschuldigungen der Apotheker. Ein ABDA-Mitglied hat der Berliner Vertretung sogar schon die Beiträge gekürzt.

Mit ihrer Post-EuGH-Kampagne könnte die ABDA diese Stimmung nach Jahren zum Kippen bringen. Die Apotheker lieben es, dass die ABDA nach dem Urteil den Kurs „sofortiges Rx-Versandhandelsverbot“ nicht verlässt und weiterhin gegen den Versandhandel Stimmung macht. Und sogar eine zumindest polemisierende Unterschriftenaktion kommt bei den Apothekern größtenteils gut an. DAZ.online hat am gestrigen Donnerstag in den sozialen Netzwerken seine Leser zu dem ABDA-Flyer befragt. Es gab fast nur positive Kommentare dazu. „Der Ton des Textes ist schon eindeutig. Und Eindeutigkeit kommt bei der ABDA ja selten vor“, „Richtig gut mal!“ oder „Eine Kampagne, die jeder sofort kapiert!“ sind nur einige der positiven Wortmeldungen, die es zu dem Flyer gab.

Wer nun alle Apotheker samt der ABDA zu europafeindlichen Populisten macht, der macht es sich zu einfach. In der Tat hätte die ABDA versuchen müssen, mehr Inhalte und weniger halbwahre Horrorszenarien auf dem Papier unterzubringen. So schwer dürfte es nicht sein, Apothekenkunden zu erklären, dass Gesundheitsthemen nicht auf EU-Ebene, sondern auf nationaler Ebene bestimmt werden sollten. Allerdings ist die ABDA auch nichts anderes als eine Berufsvertretung. Und eine Berufsvertretung hat in einer solchen schwierigen Situation zwei wichtige Aufgaben: Sie muss ihre Mitglieder vereinen, also in der Sache zusammenhalten. Und sie muss ihre Mitglieder nach außen entschlossen und vehement vertreten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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14 Kommentare

Öffentlichkeitsarbeit in Apotheken für Dummies.

von Christian Timme am 10.12.2016 um 19:52 Uhr

Ich empfehle dem PR-Ausschuss der ABDA, bei der nächsten Kampagnen-Aussendung an Ihre Mitglieder, ein Handbuch mit dem Titel "Öffentlichkeitsarbeit in Apotheken für Dummies" beizulegen. Vorausgesetzt die Rezipienten sind des lesens mächtig und willig, könnte dies zu mehr Verständnis in dieser komplexen Diskussion beitragen.

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Kampagne???

von Horst Wycisk am 10.12.2016 um 12:58 Uhr

Eines hat die ABDA ja erreicht: Aktionismus produziert!
- Im Netz wird wieder von den gleichen Protagonisten (wie seit Jahren) die Unfähigkeit der ABDA zelebriert, ohne dass sich je eine nennenswerte Opposition formiert hat.
- Bei der ABDA selbst wird man nicht an einen Erfolg dieser Zettel-Aktion glauben. Warum?
Schließlich kennt man seine Pappenheimer und weiß aus vorherigen Aktionen, dass nichts passieren wird. Noch dazu, wenn dieses Material in der Vorweihnachtszeit verschickt wird (heute erhalten) und mit vielem anderen unnützen Papierkram nach Heilig Drei König nicht mehr auffindbar ist.
- Des Weiteren wurde die Politik ein klein wenig aufgeschreckt: Huch, der Papiertiger lauerte uns auf!

Liebe Leute, nichts für ungut! Einfach weiter Kalender verteilen, Weihnachtstee verkaufen, diesen eventuell selber trinken und abwarten!
Allen ein Frohes Fest! (solange das noch geht)

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AW: Kampagne

von Bernd Jas am 11.12.2016 um 13:19 Uhr

Mensch...!
Dat 55-Gedöns is´ wieder da!
Mehr davon....solange es noch geht!

Ei oder Apotheker?.

von Christian Timme am 10.12.2016 um 12:05 Uhr

Gestatten die beiden Herren Doktoren einen alten, abgewandelten Ossi-Witz. Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Ei und einem Apotheker?. Ein Ei kann man nur einmal in die Pfanne hauen.

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AW: Ei oder Apotheker

von Dr Schweikert-Wehner am 10.12.2016 um 12:57 Uhr

Man kann oft in die Pfanne gehauen werden, genauso wie man beliebig oft Eigentore schießen kann (ABDA). Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Wenn die Leute in den kommenden Wochen in die Apotheken kommen und fragen ob man hier gegen Europa unterschreiben kann, dann werden wir merken welcher Geist aus der ABDA Flasche entweicht.

es geht nicht nur um ein Urteil

von Hans-Werner Schulze am 10.12.2016 um 8:26 Uhr

Es geht hier nicht nur um EIN Urteil. Nach dem Brexit hieß es, man müsse jetzt die EU überdenken, so könne man in der EU nicht weitermachen. Aber genauso geht es weiter.
Niemand hat daraus gelernt.
Viele wollen eine solche EU nicht, die uns bis in die kleinsten Details Vorschriften macht. Währungs- und Wirtschaftsunion, ja, aber unter Achtung der Nationalen Gegebenheiten. Wo bleibt eigentlich das Subsidiaritätsprinzip der EU bei solchen EuGH Entscheidungen?
Der größte EU-Schwachsinn war, als meine fünfstellige Kontonummer in eine 22 Stellige SEPA Nummer umgewandelt wurde. Die 3 Europa-Überweisungen, die ich im Jahr machen muss, werden dadurch vereinfacht. Die 300 Inlandsüberweisungen aber werden erheblich verkompliziert. Das finden sonst nur die qualitätsmanagementverliebten Pharmazieromantiker gut, die hier die Meinungshoheit an sich reißen. Aber Sie sind keinesweg alleine....

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Ab in die Tonne

von Dr Schweikert-Wehner am 09.12.2016 um 16:55 Uhr

Liebe Freunde
Schmeißt den Kampagnenkram weg. Die AertzteZeitung berichtet auch schon. Wenn dass in die Leienpresse geht dann Gute Nacht Freunde

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AW: Ab in die Tonne, wie oft denn noch?.

von Christian Timme am 10.12.2016 um 13:11 Uhr

Bitte einfach "JA" sagen, auf Laie machen und Unterschrift empfangen. Es gibt auch gute Eigentore. Und noch was, wer kritisiert wird hat was richtig gemacht!.

AW: Mangel an ABDA-Kritik oder was meinen Sie?

von Bernd Jas am 11.12.2016 um 13:13 Uhr

"-wer kritisiert wird hat was richtig gemacht!."
Haben Sie schon mal Sch.... gebaut und sich anschließend darüber gefreut, dass es so richtig ........ war?

Andererseits ... bitte mehr davon.

von Christian Timme am 09.12.2016 um 14:51 Uhr

Ich wünsche Ihnen für die Zukunft dauerhaft auf Einerseits-Texteinführungen verzichten zu können damit der politische Wahrheitsgehalt, was immer das sein mag, nicht überstrapaziert wird.

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Jetzt reicht´s!

von Dr. Kloebner am 09.12.2016 um 14:23 Uhr

Wie bitte? Die Kollegen finden diese Aktion gut?
Also ich bin wirklich nicht per se ABDA-feindlich, aber das ist das Blödeste, was die jemals verzapft haben. Egal wie schlecht es steht: es ist ein absolutes No-Go, sich auf das Niveau von AfD, Pegida und all den anderen Wutbürgern, Fremdenhassern und Nazis zu begeben. Das ist nicht mehr nur peinlich, das ist ekelhaft! Hoffentlich machen da nur wenige Kollegen mit.

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"Eine Kampagne, die jeder sofort versteht."

von Eva Nuhr am 09.12.2016 um 13:59 Uhr

Jeder Apotheker?

Glaub ich nicht.

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AW: Eine Kampagne, die jeder sofort versteht?

von Christian Timme am 10.12.2016 um 11:16 Uhr

Seit wann sind denn Apotheker die den Vornamen Eva tragen "Jeder Apotheker"?. Falls Sie es bereits bemerkt haben könnten, diese Kampagne wurde nicht für Sie konzipiert. Ich hoffe Sie jetzt nicht überfordert zu haben.

AW: "Eine Kampagne, die jeder sofort

von Bernd Jas am 11.12.2016 um 13:03 Uhr

Herr Timme,
sie glaubt es ja nur nicht.
Wenn sie wüsste was Sie ihr nicht glauben würde sie Ihnen das auch nicht mitteilen.
Ich glaub nämlich auch nicht. (,dass...)

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