PR-Kampagne nach EuGH-Urteil

Die ABDA will ein anderes Europa

Berlin - 07.12.2016, 21:00 Uhr

Nationale Apotheken-Regelungen erhalten: Aus Sicht der ABDA gewinnt Europa einen immer größeren Einfluss in die nationalen Gesundheitssysteme. (Foto: dpa)

Nationale Apotheken-Regelungen erhalten: Aus Sicht der ABDA gewinnt Europa einen immer größeren Einfluss in die nationalen Gesundheitssysteme. (Foto: dpa)


Knapp zwei Monate nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung setzt die ABDA auf eine neue Grundsatz-These: Die Menschen wollen kein Europa, in dem sich EU-Instanzen in nationale Gesundheitsfragen einmischen. Wenige Tage vor Weihnachten lässt die Vereinigung in allen Apotheken Deutschlands Flyer verteilen, auf denen vor „gefährlichen Einflüssen von außen“ gewarnt wird.

In diesen Tagen versendet die ABDA an die rund 20.000 Apotheken in Deutschland ein Paket für eine breit angelegte Unterschriftenaktion. In dem Päckchen an die Pharmazeuten sind Unterschriftenlisten, Plakate, Aufsteller sowie ein Informationsflyer für Patienten, auf dem eine große, rote Warnleuchte zu sehen ist. Unterschrift: „Gesundheitssystem in Gefahr“. Weiter heißt es dort: „Aktuelle Entscheidungen der EU machen es ausländischen Konzernen noch einfacher, sich an unserem Gesundheitssystem zu bereichern. Internationale Versandhändler wollen die Rosinen aus unserem System picken, ohne einen wesentlichen Beitrag für Sie, die Patienten, zu leisten. Dies gefährdet Ihre Apotheke vor Ort!“

Auf eine Erklärung des genauen Zusammenhangs, das EuGH-Urteil zur Preisbindung und die damit verbundenen Rx-Boni von EU-Versandapotheken, verzichtet die ABDA gänzlich. Die oben genannte Ansprache wird durch fünf Szenarien ergänzt, die dem Patienten aus Sicht der ABDA nun drohen. Dazu zählen:

Keine Nacht- und Feiertagsdienste mehr, keine Rezepturen für kranke Kinder oder kein Schutz vor gefälschten Arzneimitteln. „Anders als in vielen anderen Ländern“ orientiere sich das deutsche Gesundheitssystem am Wohle des Patienten. Daher die Schlussfolgerung: „Fordern Sie von der Politik, die gefährlichen Einflüsse von außen zu stoppen. Unterschreiben Sie dafür – in Ihrer Apotheke!“

Bei der Vorstellung dieses nächsten Schrittes in der PR-Kampagne der ABDA nach dem EuGH-Urteil musste sich die ABDA-Spitze um Friedemann Schmidt einige kritische Fragen gefallen lassen. Ob die ABDA eine pauschale Kritik an Europa übe, woher diese Ressentiments kommen und welches Publikum die Apotheker mit diesen Aussagen erreichen wollen, fragten Journalisten. Mathias Arnold, der neben Friedemann Schmidt erst am heutigen Mittwochnachmittag als Vize-Präsident im Amt bestätigt worden war, stellte aber vehement klar: „Das ist nicht anti-europäisch zu verstehen. Wir sind für ein gemeinsames Europa.“

ABDA will aber nicht anti-europäisch sein

Allerdings verdeutlichten sowohl Schmidt als auch seine Vize, dass die ABDA sehr wohl einiges daran zu kritisieren habe, wie Europa derzeit gelebt wird. Arnold sagte: „Wir wollen ein Europa, wie es zu seinen Gründungszeiten gedacht war. Damals hieß es, es müsse darum gehen, die großen Dinge wie Außen- oder Verteidigungspolitik gemeinsam zu regeln. Gesundheit und andere wichtige nationale Stellschrauben unterliegen dem Subsidiaritätsprinzip. So ein Europa wollen die Menschen in Deutschland und auch wir.“

In allen Aussagen auf dem Informationsflyer spricht die ABDA im Plural von „Entscheidungen“ auf EU-Ebene. Auf die Frage hin, auf welchen Entscheidungen außer dem EuGH-Urteil die Europa-Kritik beruhe, sagte Schmidt, dass die EU noch weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen einzelne Staaten eingeleitet habe, in denen etwa nationale Gebührenordnungen von der EU infrage gestellt würden. Arnold ergänzte, dass das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung in den politischen Institutionen Europas durchaus begrüßt werde. Aus der EU-Kommission habe man beispielsweise vernommen, dass man „jetzt endlich“ die eigene Politik durchsetzen könne.

Schmidt will europäische Lobby-Arbeit intensivieren

Schmidt machte das Europa-Thema auch zu einem seiner wichtigsten Themen der nun beginnenden neuen vierjährigen Amtsperiode. Es gehe darum, wie stark die „Einheitsbestrebungen“ sich weiterentwickeln würden und wie stark der Einfluss aus Europa noch werden würde. Es dürfe nicht sein, dass alle wichtigen, nationalen Regelungen wie etwa im Gesundheitssystem der Maxime  „freier Warenverkehr innerhalb der EU“ geopfert werden. Mit parteipolitischen, anti-europäischen Positionen wolle aber auch er nichts zu tun haben. Es gehe ihm lediglich darum, dass die Freiberuflichkeit im Gesundheitswesen erhalten bleibe. Daher werde die ABDA ihre „europäische Lobbyarbeit“ intensivieren.

Schmidt zeigte sich nach seiner Wiederwahl ohnehin kämpferisch. Selbst wenn das Rx-Versandhandelsverbot nicht komme, seien er und die ABDA „auf jegliche Entwicklungen vorbereitet“. Schmidt weiter: „Wir haben die nötigen Ideen und Ressourcen. Wir können noch monatelang so weiterkämpfen.“ Der Etat der PR- und Öffentlichkeitsabteilung wurde zunächst aber nicht erhöht, bestätigte die ABDA auf Nachfrage.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

ABDA auf Pegida-Kurs?

von Dr Schweiker-Wehner am 10.12.2016 um 11:40 Uhr

Gute Ironie Herr Kollege.

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ABDA Unterschriftenaktion

von Dr. Albrecht Emmerich am 08.12.2016 um 20:29 Uhr

Es ist die wievielte Unterschriftensammlung? Was kam in der Vergangenheit dabei raus???
Es ist schade ums Papier! So lange wir Apotheker nicht eine ganz harte Linie fahren, die Bevölkerung mit der ganzen Sche..... sitzen lassen und nicht immer alle Fehler der anderen ausbügeln, (."...selbstverständlich schicken wir jemanden zum Arzt, Sie brauchen sich um nichts zu kümmern ".... etc.) wird sich nichts ändern. Wir haben uns selbst zum Deppen gemacht , weil wir uns einen Vorteil vor unserem Nachbarn erhofft haben. Und wo stehen wir heute?
All die Kindergarten-Aktionen der ABDA mit Schaufenster verhängen und für 10 Minuten nur durch die Notdienstklappe bedienen(vielleicht noch nach 18Uhr) oder 2 Umzugkartons mit Unterschriften,,haben die Verantwortlichen Politiker bestenfalls zum Schmunzeln gebracht.
Es wird auch diesmal schlimmer kommen!
Mich ficht es nicht mehr an (habe nichts mehr mit Apotheke zu tun)aber es tut mir leid für die jungen Kolleginnen und Kollegen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: ABDA Unterschriftenaktion

von Wolfgang Steffan am 09.12.2016 um 8:51 Uhr

Den Kommentar von Kollege Emmerich kann ich voll bestätigen:
Wer sich jahrzehntelang willig in die Taschen greifen läßt,
wer Apotheken aufruft, Mittwoch-Nachmittags zu "streiken",
wer- ich weiß nicht wie oft schon- Unterschriften-Listen kursieren läßt, beweist doch nur seine Unfähigkeit, die Politik zu beeinflussen.
Merke: Wer stets gebückt geht, lädt zum Treten ein !
Machen wir uns keine Illusionen: Mit Schmidt und Konsorten
ist die Sache schon verloren.Wieder einmal !
Ich beneide die Ärzteschaft um ihren Montgomery.

Endlich Klartext von der ABDA.

von Christian Timme am 08.12.2016 um 12:12 Uhr

Na endlich mal eine Kampagne die wirklich JEDER sofort kapiert. Political Correctness ist was für Looser. Das Verursacherprinzip feiert jetzt mal so richtig Weihnachten in der Apotheke. Und für 2017 - weiter so ... optimieren und nur nicht aufhören sondern DURCHZIEHEN .............. !

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