Testkäufe

Versandapotheken vernachlässigen Beratungspflicht

Berlin - 05.12.2016, 11:30 Uhr

OTC en Masse: Ein Berliner Apotheker bestellte bei mehreren Versandapotheken bedenkliche OTC-Mengen. Die Versender lieferten - ohne Beratung oder Mengeneinschränkungen. (Foto: privat)

OTC en Masse: Ein Berliner Apotheker bestellte bei mehreren Versandapotheken bedenkliche OTC-Mengen. Die Versender lieferten - ohne Beratung oder Mengeneinschränkungen. (Foto: privat)


Fest steht: Gegen die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) haben die Versender nicht verstoßen. Denn in der Anlage 1 der AMVV, in der alle Rx-Arzneimittel aufgeführt sind, stehen zwar exakte Höchstgrenzen, bis zu denen die Präparate rezeptfrei abgegeben werden dürfen. (Bei Paracetamol ist beispielsweise von einer „Gesamtwirkstoffmenge“ von höchstens 10 Gramm je Packung genannt.) Allerdings gilt dabei: Diese Angaben beziehen sich lediglich auf die Höchstmengen einzelner Packungen, nicht aber auf die insgesamt abgegebene Wirkstoffmenge in mehreren Einzelpackungen.

Dass die AMVV so interpretiert wird, geht auf einen Rechtsstreit zwischen der Europa Apotheek Venlo (EAV) und dem Bayerischen Apothekerverband zurück. Die EAV hatte vor einigen Jahren in mehreren bayerischen Apotheken Testkäufe durchführen lassen, bei denen ebenfalls gezielt die OTC-Höchstmengen überschritten wurden. Anschließend klagte die niederländische Versandapotheke gegen die Apotheker wegen Verstoßes gegen die AMVV. Die deutschen Apotheker bekamen allerdings Recht, unter anderem weil sich die Höchstgrenzen in der AMVV aus Sicht der Richter auf Einzelpackungen beziehen.

Allerdings haben die Versandapotheken bei den oben genannten Testkäufen gegen eine andere wichtige Regelung verstoßen: die in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) etablierte Beratungspflicht (§ 20 ApBetrO). Unter anderem heißt es dort: „Bei der Information und Beratung über Arzneimittel müssen insbesondere Aspekte der Arzneimittelsicherheit berücksichtigt werden.“ Und: „Bei der Abgabe von Arzneimitteln an einen Patienten oder anderen Kunden ist durch Nachfrage auch festzustellen, inwieweit dieser gegebenenfalls weiteren Informations- und Beratungsbedarf hat und eine entsprechende Beratung anzubieten. Im Falle der Selbstmedikation ist auch festzustellen, ob das gewünschte Arzneimittel zur Anwendung bei der vorgesehenen Person geeignet erscheint oder in welchen Fällen anzuraten ist, gegebenenfalls einen Arzt aufzusuchen.“

Mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 wandelte sich die zuvor bestehende „passive” Beratungspflicht von Internet- und Versandapotheken in eine „aktive” Hinweis- und Nachfragepflicht. Eigentlich bedeutet das, dass sie jeden Kunden bei jeder Arzneimittelbestellung kontaktieren müssen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Warum wurde DocMorris nicht getestet?

von Eva Nürnberger am 08.12.2016 um 13:48 Uhr

Gute Idee vom Berliner Kollegen.Aber warum wurden nur drei Versender getestet? Warum hat man insbesondere den Marktführer und Erzfeind DocMorris nicht getestet? Hätte uns nicht in allererster Linie deren abschneiden interessiert?
Das wirkt doch so, als würde man das Testergebnis von DocM einfach unter den Tisch fallen lassen, weil sie peinlicherweise alles richtig gemacht und nicht geliefert haben. So geht dieser Schuss leider nach hinten los. Keiner glaubt, dass gerade DocMorris nicht getestet wurde.

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Ja

von Andreas Dömling am 06.12.2016 um 18:16 Uhr

kann ich bestätigen, habe 20 Packungen Thomapyrin und 20 Packungen Dulcolax Sup ohne Probleme im Internet bestellen könne.

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Selbst auferlegte Mengenbegrenzungen?

von Andreas Grünebaum am 05.12.2016 um 20:45 Uhr

Wie jezt, 20 Stück sind verschreibungsfrei, und 21 verschreibungspflichtig? Da würde nur eine allgemeine Verschreibungspflicht weiterhelfen oder sollte man von der Person mit dem Verlangen nach drei Packungen oder mehr eine Versicherung von 3 oder mehr anderen Parteien verlangen, für welche diese bestimmt seien? Vielleicht noch mit der Versicherung an Eidesstatt, dass man nicht schon vorher hier in der gleichen Apotheke oder womöglich woanders eine Packung gekauft hätte. Sie halten diese Gedankengänge für absurd? Dann dürften Sie dabei richtig liegen.

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