Grüne Schulz-Asche über EuGH-Urteil

„Gröhe spielt ein falsches Spiel mit den Apothekern“

Berlin - 10.11.2016, 15:45 Uhr

Falsches Spiel: Aus Sicht der Grünen Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche führt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Apotheker in der Öffentlichkeit an der Nase herum. (Foto: dpa)

Falsches Spiel: Aus Sicht der Grünen Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche führt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Apotheker in der Öffentlichkeit an der Nase herum. (Foto: dpa)


Die Bundestagsfraktion der Grünen gibt sich mit dem Kurs der Bundesregierung nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung nicht zufrieden. Auf eine schriftliche Anfrage der Arzneimittelexpertin der Grünen-Fraktion, Kordula Schulz-Asche, antwortet das Bundesgesundheitsministerium, dass es die Apotheken vor Ort schützen will. Die Grünen-Politikerin meint: Das BMG spielt ein falsches Spiel mit den Apothekern.

Schulz-Asche ist in der Bundestagsfraktion der Grünen Berichterstatterin für das Thema Arzneimittel. Es ist nicht das erste Mal, dass Schulz-Asche sich für Versandapotheken stark macht. Im Sommer hatte die Grünen-Expertin bei einer Podiumsdiskussion des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) beispielsweise gesagt, dass sie das von der Bundesregierung geplante Verbot von Online-Diagnosen und Internet-Rezepten („DrEd-Verbot“) nicht für sinnvoll erachte, weil der Versandhandel einigen Patienten Vorteile biete.

Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung hatte Schulz-Asche in einem Interview mit DAZ.online außerdem erklärt, dass sie ein Versandverbot rezeptpflichtiger Arzneimittel auch nicht befürworte. Der Versandhandel sei – wie die Apotheken vor Ort – ein wichtiger Versorgungsbestandteil. Weil das BMG aber an seinen Plänen, den RX-Versand zu verbieten, festhält, will es die Grünen-Politikerin jetzt genau wissen: In einer schriftlichen Anfrage an das BMG erkundigt sich Schulz-Asche nach den Beweggründen des BMG, die Preisbindung zu verteidigen und den Versandhandel zu verbieten.

Darum geht es im Detail: Im EuGH-Verfahren hatte die Bundesregierung bereits eine Stellungnahme abgegeben, in dem sie die Preisbindung verteidigte. Die Regierung begründete die Preisbindung damals mit dem Vorsorgeprinzip. Demzufolge kann der deutsche Gesetzgeber nationale Maßnahmen beschließen, um seine Bürger beispielsweise vor Gesundheitsschäden zu schützen. Das Gericht war dieser Ansicht aber nicht gefolgt und hatte in seinem Urteil bekundet, dass die Bundesrepublik Deutschland die Rx-Preisbindung nicht ausreichend gut begründet habe. Der EuGH sieht also keine direkte kausale Verbindung zwischen dem Erhalt der Preisbindung und der Gesundheit der Bevölkerung. Weil das Gericht das Vorsorgeprinzip nicht gelten ließ, wollte Schulz-Asche vom BMG nun wissen, ob es noch andere Gründe gebe, die für den Erhalt der Rx-Preisbindung sprechen. BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe antwortet auf diese Frage ausweichend. Er weist lediglich darauf hin, dass die Bundesregierung ihre Stellungnahmen bereits eingereicht habe.

Welche Handlungsoptionen sieht das BMG?

Die zweite Frage der Grünen beschäftigt sich mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils. Schulz-Asche erkundigt sich danach, welche Handlungsoptionen das BMG nach dem Urteil nun prüfe. Überraschend ist, dass BMG-Staatssekretär Stroppe das Rx-Versandhandelsverbot nicht ausdrücklich nennt. Er weist darauf hin: „Für inländische  Apotheken  (mit und ohne Versandhandelserlaubnis)   gilt die Preisbindung  weiterhin.“ Und: Die Bundesregierung prüfe derzeit, ob und wenn ja, welche Maßnahmen nun ergriffen werden müssten, um die flächendeckende Versorgung zu sichern.

Stroppe spricht sich allerdings nachdrücklich dafür aus, die Vor-Ort-Apotheken nicht einem ungerechten Wettbewerb auszusetzen. In seiner Antwort schreibt der Staatssekretär: „Insbesondere  darf es in Folge des Urteils nicht zu einer ungerechten Lastenverteilung  zwischen ortsansässiger Apotheke und Versandhandel  mit verschreibungspflichtigen  Arzneimitteln kommen. Verhindert  werden muss, dass eine Ungleichbehandlung  dazu führt, dass Apotheken vor Ort nicht mehr konkurrenzfähig sind. Die Prüfung ist derzeit noch nicht abgeschlossen.“

„Gröhe führt die Öffentlichkeit an der Nase herum“

Schulz-Asche hat für die Argumentation des BMG wenig Verständnis. „Das Gesundheitsministerium lässt in der Öffentlichkeit keine Möglichkeit aus, für ein Versandhandelsverbots verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu trommeln. In Wahrheit schwimmt die Bundesregierung. Aus der Antwort auf eine von uns gestellte schriftliche Frage an das BMG geht hervor, dass die Bundesregierung offenbar keinen Schimmer hat, wie sie ein solches Verbot so rechtfertigen will, dass es sowohl verfassungs- als auch europarechtlich Bestand hätte. Bisher prüfe man lediglich, ‚ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen ergriffen werden müssen‘, um die Gesundheitsversorgung zukünftig sicherzustellen. Kein Wort von dem sich angeblich schon in Bearbeitung befindenden Versandverbots.“

Die Grünen-Politikerin findet es „unverantwortlich“, dass Gröhe nach Außen das Versandverbot fordere, während in seinem eigenen Haus eine Prüfung der zu ergreifenden Maßnahmen noch gar nicht abgeschlossen ist. „Wird hier die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt?“, fragt sie sich. Schulz-Asche kommt daher zu dem Schluss: „Minister Gröhe sollte sein falsches Spiel mit den Apothekern beenden und reinen Tisch machen, wie er im Interesse der Patienten die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln gestalten will.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

SIE spielen ein falsches Spiel

von Anita Peter am 11.11.2016 um 5:59 Uhr

Sehr geehrte Frau Schulz Asche,

1. Der Versand RX Anteil liegt bei 0,6%, Tendenz abnehmend. Wo sehen sie hier einen wichtigen Versorgungsanteil? Ihr Argument ist also FALSCH!

2. Chroniker haben bereits bereits eine abgesenkte Belastungsgrenze von 1% des Bruttolohns. Wenn Sie meinen diese seien noch immer zu stark belastet, können Sie diese Grenze auf 0,5% absenken oder auch Chroniker von der Zuzahlung befreien. Ihr Argument ist also FALSCH!

3. Der EUGH hat lediglich festgestellt, dass er in der Preisbundung nicht die richtige Wahl zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit sieht. Ihre Ausführungen sind also FALSCH!

4. Wenn Sie meinen ein Versandverbot ist juristisch nicht möglich, dann sollten Sie in den 21 anderen EU Staaten mit RX Versandverbot nach der Machbarkeit nachfragen. Und auch wenn wir bis dato kein Verbot hatten, haben wir durch das EUGH Urteil einen völlig NEUEN Sachverhalt. Wir haben bis dato mit der Preisbindung lediglich das mildere Mittel gewählt. Ihre Ausführungen sind also FALSCH!

Um was geht es Ihnen wirklich? Winken Ihnen bei DM und Konsorten schöne Beraterverträge? Ich weiss, dass es für Sie schwer wird, falls Sie kein Mandat mehr bekommen, aber für ihr persönliches Schicksal müssen Sie nicht die Apotheker und große Teile der Bevölkerung, die auf die Apotheken vor Ort angewiesen sind, verantwortlich machen.
Und das von Ihnen bis jetzt noch kein EINZIGER Vorschlag zur Bererinigung der Situation gekommen ist, zeigt dass Ihre ganzen Ausführungen blanker Populismus und Lobbyismus für DM darstellen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: SIE spielen ein falsches Spiel

von Thorsten Dunckel am 11.11.2016 um 9:39 Uhr

100% bei Ihnen! Aber ... muß diese Dame dies hier bei DAZ lesen oder haben Sie ihr das auch zukommen lassen?!

AW: SIE spielen ein falsches Spiel

von Heiko Barz am 11.11.2016 um 11:37 Uhr

Das ist ja unser Problem, alle auch noch so überzeugenden Argumente erreichen die Zielpersonen nicht, und wenn doch, reagiert niemand.
Ich habe Frau Gnirke von Spiegel Online direkt angeschrieben und sie hat sofort geantwortet. Ob sie aber ihrem Versprechen gerecht wird, in Zukunft mehr zum Thema ergründen zu wollen, kann ich derzeit nicht erkennen.
Alle unsere guten berufspolitischen Argumente werden absichtlich negiert - siehe Lauterbach und seine von seinem Gedankengut "überzeugten und abhängigen" Mitstreiter - die immer noch behaupten, gegen jede apothekerliche Versorgungsdienstleistung, dass die Landbevölkerung von der Arzneimittelbelieferung ausgeschlossen ist und nur die Versender diesen " Notstand " beheben werden können.
Wie in alle Welt sind denn diese "Abgehängten" in den letzten Jahrzehnten mit Medikamenten versorgt worden?
Ich mache nun schon seit 1965 Pharmazie und mir ist kein Fall bekannt, dass irgendjemand landläufig von der Arzneimittelbelieferung ausgeschlossen wurde.
Es geht hier offensichtlich um etwas ganz anderes!!
Dass aber gerade Lauterbach und Co. den Kapitalisten das Feld der Arzneimittelbelieferung überlassen will, erschließt sich mir bei seiner Sozialprogrammatik nicht unbedingt, von Glaeske möchte ich gar nicht reden.
Bei deren seltsam kapitalistischen Programmatik muß also mehr dahinterstecken als das WOHL der Patienten!
Aber was ???

Falsches Spiel

von Michael Weigand am 10.11.2016 um 16:33 Uhr

Treiben die doch wohl eher die anti ttip Grünen. Eigentlich wollten sie E-Commerce und das bedeutet am Schluss Medikamente über Amazon. Vor Europa müssen wir kaum eine Regelung rechtfertigen, die der EuGH schon erlaubt hat und in 21 Ländern so produziert wird. Eine Vielzahl dieser Länder hat dazu noch Bedarfs Planung und somit auch Niederlassungs-Beschränkung...
Ich würde aber an Gröhe zweigleisig fahren und gleichzeitig das EuGH Urteil vom BVerfG prüfen lassen.
Darf ich eigentlich dann auch den Staat verklagen, weil ich nach dem Urteil des gemeinsamen Senats in meine Apotheke investiert habe, oder gilt dieser Schutz nur für Versender?

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