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Video-Beratung in Baden-Württemberg
Ärzte kippen Fernbehandlungsverbot und helfen DocMorris
Baden-Württembergs Ärzte haben eine weitreichende Entscheidung getroffen: In Zukunft soll es im Ländle begrenzt möglich sein, dass Ärzte Diagnosen per Video stellen. Auch für Apotheker könnte diese Änderung an der Berufsordnung Konsequenzen haben. Profitieren könnte DocMorris.
Das sogenannte Fernbehandlungsverbot ist ein Teil der ärztlichen Berufsordnung. In den
meisten geltenden Berufsordnungen heißt es: „Ärztinnen und Ärzte dürfen
individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht
ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei
telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein
Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.“ Eine Fernbehandlung ist also nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Die Juristen der Bundesärztekammer hatten 2015 erklärt, was Ärzte alles beachten müssen.
Das neue E-Health-Gesetz ermöglicht es den Medizinern, in Einzelfällen Fernbehandlungen anzubieten. Allerdings hatten sich insbesondere die Ärzte in der jüngeren Vergangenheit aber gegen eine komplette Aufweichung des Verbotes ausgesprochen. Bei der
derzeit im Bundestag liegenden 4. AMG-Novelle ging es in den vergangenen Wochen
beispielsweise um Fernbehandlungen und die Ausstellung von Online-Rezepten. Die
Bundesregierung will Konzepte wie das des in London ansässigen Unternehmens
DrEd verbieten. Laut der geplanten Gesetzesänderung sollen Apotheker nur noch Rezepte
beliefern dürfen, wenn zuvor ein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient
stattgefunden hat. Insbesondere die Bundesärztekammer und die ABDA hatten
applaudiert und freuten sich über das Verbot solcher Online-Rezepte. Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, hatte sich persönlich mit DrEd angelegt und gesagt, er wolle keine Schmuddel-Rezepte aus dem Internet haben.
In Baden-Württemberg scheinen die Ärzte aber einen anderen Weg gehen zu wollen. Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg hat am 25. Juli beschlossen, ärztliche Behandlungen und Beratungen via Kommunikationsmedien zumindest teilweise zuzulassen. Die Kammer teilte mit: „Mit einer wegweisenden und bundesweit einmaligen Regelung gestattet die Landesärztekammer Baden-Württemberg künftig Modellprojekte, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden.“ Wenn sich Ärzte ein solches Modellprojekt ausdenken, brauchen sie allerdings die Erlaubnis der Landesärztekammer.
Aber warum scheren die Ärzte im Ländle aus und kippen eines der wichtigsten Gebote der Mediziner? Offenbar war in den vergangenen Wochen der Druck auf die Kammer gewachsen. Dem Vernehmen nach hatte sich ein baden-württembergischer Arzt bei der Kammer beschwert: Der Mediziner soll für ein ausländisches Unternehmen von Stuttgart aus Video-Beratungen anbieten. Die Kammer gibt zu, dass sich dieser Arzt „eingehend mit der Fernbehandlungsthematik auseinandergesetzt“ und eine Öffnung der Berufsordnung angeregt habe.
Neue Chancen für DocMorris
Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, sagte, dass in Zukunft auch eine ausschließlich telemedizinische Behandlung ohne Patientenkontakt möglich sei. „Die sich daraus ergebenden Veränderungen in der Versorgung werden wir sehr genau beobachten und beim leisesten Zweifel nachjustieren“, erklärte Clever.
Für die Apotheker hat diese Neuregelung keine direkten Konsequenzen, sie könnte aber noch erheblich an Bedeutung gewinnen. Denn aus politischer Sicht ergibt sich in Baden-Württemberg derzeit eine interessante Konstellation: Die Rechtsaufsicht der Landesärztekammer muss diese Änderung an der Berufsordnung noch genehmigen. Und diese Rechtsaufsicht hat das Gesundheitsministerium des Landes. Diesem Gesundheitsministerium liegt derzeit auch in Sachen „Apotheke“ eine sehr wichtige Fernbehandlungs-Frage vor. Die Versandapotheke DocMorris will im baden-württembergischen Hüffenhardt eine Video-Abgabestelle für Arzneimittel errichten. Das Ministerium hatte sich in der Vergangenheit schon mehrfach gegen eine solche per Video gesteuerte Arzneimittelabgabe ausgesprochen. Sollte das Haus von Grünen-Minister Manfred Lucha den Ärzten nun die Fernbehandlung erlauben, der Video-Apotheke aber weiterhin widersprechen, würde sich für DocMorris eine neue Angriffsfläche bieten.
Die neue grün-schwarze Landesregierung muss sich dann auch politisch-programmatischen Fragen stellen. Denn gleich an mehreren Stellen im Koalitionsvertrag haben Grüne und CDU versprochen, telemedizinische Angebote zu unterstützen und auszubauen. Dabei solle der Datenschutz für die Patienten im Vordergrund stehen, heißt es im Koalitionsvertrag. Man wolle eine Strategie zum Ausbau der Telemedizin vorlegen und im Rahmen von Modellprojekten erproben, wie „digitale Infrastruktur und Gesundheitsversorgung“ für Patienten zusammengeführt werden können.
Kippt nun also das Fernbehandlungsverbot für Ärzte in Baden-Württemberg, dürfte sich DocMorris schnell benachteiligt fühlen und einfordern, dass auch die Video-Apotheke in Hüffenhardt politisch unterstützt wird.
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