Beratungs-Quickie

Fit bei Statin und Makrolid

Stuttgart - 10.06.2016, 05:55 Uhr

Rhabdomyolysegefahr: Die Gefahr der Auflösung quergetreifter Muskulatur durch CYP-Wechselwirkungen ist bei Apothekern bekannt. (Foto: Timo Blaschke / Fotolia)

Rhabdomyolysegefahr: Die Gefahr der Auflösung quergetreifter Muskulatur durch CYP-Wechselwirkungen ist bei Apothekern bekannt. (Foto: Timo Blaschke / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diese Woche erfolgt die Arzneimittelberatung einer älteren Patientin, die aufgrund einer akuten Bronchitis eine Antibiose erhält. 

Die alte Dame kommt direkt aus der internistischen Praxis ihres Hausarztes. Den hatte sie wegen einer hartnäckigen Bronchitis aufgesucht. Außerdem hat sie sich ihren Cholesterinsenker erneut verordnen lassen.

Formalien-Check

Sie soll Klacid® Pro XII und Simvastatin ratiopharm® 40 mg L erhalten, also zwölf Tabletten mit dem Wirkstoff Clarithromycin à 250 mg und 50 Tabletten des Cholesterinsenkers. Für beide hat der Arzt den Aut-idem-Austausch ausgeschlossen. Auch bei Lieferengpässen der Präparate darf der Apotheker somit keinen Wechsel der verordneten Arzneimittel vornehmen. Der Aut-idem-Bereich bleibt auch durch den neuen § 3 des „Rahmenvertrags nach § 129 SGB V“ unberührt. Der Arzt müsste bei erforderlichen Änderungen diese gegenzeichnen oder ein neues Rezept ausstellen.

Gerade bei der Akutversorgung mit Antiinfektiva sollte das Aut-idem-Kreuz mit Bedacht gesetzt werden. Steht es doch unter Umständen dem unverzüglichen Beginn der Antibiose im Weg.

Das Rezept ist vollständig und ab dem Tag der Ausstellung einen Monat gültig. Frau Marianne K. ist von der Zuzahlung befreit. Da der Abgabepreis von Klacid® Pro über dem Festbetrag liegt, muss sie aber die entstehenden Mehrkosten tragen.

Bei Makroliden und Statinen müssen beim Apotheker die CYP-Alarmglocken läuten.

Beratungs-Basics

Klacid® Pro enthält Clarithromycin in einer Stärke von 250 mg. Das Makrolid-Antibiotikum wirkt vorwiegend zeitabhängig bakteriostatisch, in höheren Konzentrationen auch bakterizid. Der Wirkschwerpunkt liegt im grampositiven Bereich. Klinisch von Bedeutung ist insbesondere das gute Ansprechen von Atypikern. Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien stellen – neben Pneumokokken – häufige Erreger bei ambulant erworbenen Pneumonien (CAP) dar. Klacid® Pro ist unter anderem zugelassen bei Infektionen der Atemwege. Die Standarddosierung liegt am ersten Tag bei je zwei Tabletten im Abstand von zwölf Stunden, gefolgt von je einer Tablette für die verbleibenden vier Tage der Therapie. Zur Vereinfachung hat der Hersteller Mylan Healthcare GmbH einen patientenfreundlichen Blister konzipiert, der die „Loading dose” des ersten Tags auch optisch unterstützt.

Die Einnahme des Makrolids kann unabhängig von der Mahlzeit erfolgen. Patienten sind bei dieser Aussage häufig unsicher. Hier ist eine konkrete Ansage sinnvoll: Für die zuverlässige Wirksamkeit ist es bei diesem Arzneimittel völlig egal, ob die Einnahme vor, zu oder nach dem Essen erfolgt. 

Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählen bei Clarithromycin, wie bei den meisten Antibiotika, milde gastrointestinale Beschwerden. Reversible, unangenehm metallische Geschmacksstörungen sind ebenfalls beschrieben.

Die zuverlässige Wirksamkeit des Antibiotikums sowie die Vermeidung von Resistenzen korreliert mit einer konsequenten Einnahme des Arzneimittels. Hat der Arzt keine abweichende Therapiedauer ausgesprochen, erfolgt die Therapie bis zur letzten Tablette.

Aufgrund erhöhter Cholesterinwerte und atherosklerotischer Plaques an den Koronargefäßen wurde die ältere Dame vor kurzem auf Simvastatin eingestellt. Simvastatin wird einmal täglich abends eingenommen. Hintergrund ist die vorwiegend nachts stattfindende, endogene Cholesterinsynthese, die dann besonders effektiv gehemmt wird. Dies habe der Apotheker bereits bei ihrem letzten Rezept erklärt, meint die Dame. Eine Dosette unterstütze sie seither beim allabendlichen Drandenken. 

Die Verordnung darf allerdings ohne ärztliche Rücksprache nicht beliefert werden. Beide Arzneimittel werden über das CYP3A4-System verstoffwechselt. Als potenter CYP3A4-Inhibitor hemmt Clarithromycin effektiv den First-pass-Metabolismus von Simvastatin und erhöht so dessen Bioverfügbarkeit. Damit steigt das Risiko für eine Rhabdomyolyse – eine gefürchtete Komplikation unter Statinen. Klinisch manifestiert sie sich in Form von Muskelschmerzen und -schwäche. Labordiagnostisch nachweisbar sind erhöhte Werte der Kreatin-Kinase (CK).

Der Arzt folgt der Empfehlung des Apothekers und Simvastatin wird für die Dauer der Antibiose pausiert. 

Auch noch wichtig

Insbesondere bei älteren Patienten und stark wechselwirkungsbehafteten Arzneimitteln sollten Pharmazeuten nachhaken: Nehmen Sie weitere Arzneimittel ein? Gegen Bluthochdruck, Herzerkrankungen oder Diabetes? 

Hier gilt es weitere Interaktionen mit vielen Wirkstoffen im Auge zu behalten. CYP-basierte Wechselwirkungen sind unter den Makroliden bei Erythromycin und Clarithromycin am ausgeprägtesten. Ist es – wie im aktuellen Fall praktiziert – nicht einfach möglich, eine Dauertherapie kurzzeitig zu unterbrechen, kann als Alternative Roxithromycin oder Azithromycin erwogen werden.

Die Kundin sollte außerdem Grapefruitsaft aufgrund der CYP3A4-hemmenden Wirkung meiden. Andererseits können CYP-Induktoren – Johanniskraut sei hier als klassisches Beispiel aufgeführt – die Effektivität der cholesterinsenkenden Wirkung von Simvastatin mindern.

Ist langfristig eine Therapie mit CYP-Inhibitoren indiziert, steht als Statin mit CYP-unabhängigen Metabolismus Pravastatin zur Verfügung. Eine kurzfristige Antibiose ist in der Regel kein Anlass für eine Umstellung. 

Klagt der Patient bereits unter Simvastatin-Monotherapie unter muskulären Beschwerden, ist der Wechsel zu einem anderen Statin – Atorvastatin oder Rosuvastatin – indiziert. Auch eine Therapiepause und erneutes Ansetzen kann helfen. Eine weitere Option besteht in der Dosisreduktion und der Kombination mit Ezetimib. Ein endgültiges Absetzen ist nur bei Nichtverträglichkeit der kompletten Substanzklasse medizinisch vertretbar.

Der DAZ.online-Beratungsquickie

Jede Woche präsentieren wir einen kurzen Fall, wie er im Apothekenalltag vorkommen könnte. Die Fälle und die Beratungshinweise basieren auf dem Rezepttrainer 1, dem Rezepttrainer 2 und dem HV-Trainer, des Deutschen Apotheker Verlags.
Die Beispiele geben Anregungen zur Beratung und anderen Dingen, die bei der Abgabe zu beachten sind:

  • Formalien-Check: unter anderem Informationen zur Verordnungsfähigkeit sowie Gültigkeit des Rezeptes

  • Beratungs-Basics: die wichtigsten Informationen zur Anwendung

  • Auch noch wichtig: Infos zu häufigen Nebenwirkungen und anderen Anwendungsproblemen, Wechselwirkungen mit der Selbstmedikation, Warnzeichen für Komplikationen, …

  • Darf`s ein bisschen mehr sein? Weitergehende Informationen und mögliche Zusatzempfehlungen

Fehlt was?
Haben wir etwas Wichtiges übersehen, haben Sie noch eine weitere Idee oder gar einen ganz anderen Ansatz? Nutzen Sie die Kommentarfunktion und lassen Sie es uns wissen.

Darf`s ein bisschen mehr sein?

  • Bei Durchfällen oder auch schon prophylaktisch empfiehlt sich die Einnahme von Probiotika, um die Darmflora zu regenerieren.
  • Anhaltende, gar blutige Durchfälle bei Patienten unter Antibiose sollten zum Ausschluss einer Clostridium difficile assoziierten Diarrhö dringend ärztlich abgeklärt werden.
  • Pflanzliche Arzneimittel mit Thymian, Efeu oder Primel unterstützen bei Bronchitis die Sekretolyse. Husten- und Bronchialtees versorgen die Patientin mit Flüssigkeit. 

Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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