Reserve-Antibiotikum

Resistenzgen gegen Colistin auch in den USA gefunden

Stuttgart - 27.05.2016, 13:35 Uhr

Resistenzgene gegen das Antibiotikum Colistin sind schon länger in vielen Ländern verbreitet, wie Ende letzten Jahres festgestellt wurde. (Foto: Sanofi)

Resistenzgene gegen das Antibiotikum Colistin sind schon länger in vielen Ländern verbreitet, wie Ende letzten Jahres festgestellt wurde. (Foto: Sanofi)


Im Herbst war es noch eine Schreckensmeldung aus China, doch auch in Deutschland sind Resistenzen gegen das Antibiotikum Colistin verbreitet. Nun wurde es auch in den USA gefunden. Die EMA erarbeitet derzeit Empfehlungen, um die Verwendung in der Tiermast zu reduzieren.

„‚Albtraum-Bakterium‘ zum ersten Mal in den USA gefunden“, titelt der amerikanische Nachrichtenkanal „NBC News“: Zum ersten Mal wurde E. coli mit dem Gen mcr-1 in den Vereinigten Staaten gefunden, welches für die Resistenz gegen das Notfall-Antibakterium Colistin verantwortlich ist. Im November war es erstmals in China identifiziert worden. Doch als Forscher in Deutschland und anderen europäischen Ländern in älteren Proben nach dem Gen suchten, stellten sie fest, dass es seit mindestens 2012 in Deutschland verbreitet ist.

Colistin-Resistenzen spielen im Klinikalltag bisher noch keine Rolle, wie die Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité, Petra Gastmeier, gegenüber DAZ.online sagt. Doch ihrer Einschätzung nach wird sich dies ändern: „Das wird sicher kommen, ganz sicher“, sagt Gastmeier. Laut einer Publikation von März war in Deutschland zwar bisher nur ein Isolat aus einer Wundinfektion beim Menschen betroffen  – die restlichen Proben stammten von Tieren. Problematisch ist aber, dass das Resistenzgen mcr-1 mobil ist und andere Keime mit bestehenden Multiresistenzen auch vor Colistin schützen könnte. Dadurch würde das Arzneimittel bei diesen unwirksam.

Vom Panzerschrank zum Notfall-Antibiotikum

Colistin wurde in den vergangenen Jahrzehnten beim Menschen kaum genutzt, da es erhebliche Nebenwirkungen hat. Für den Einsatz am Menschen gilt es bislang als Notfall-Antibiotikum, da vor den Funden in China keine mobilen Resistenzen bekannt waren. „Viele Mediziner hatten Colistin aus dem Panzerschrank geholt, um bei Patienten mit multiresistenten Erregern eine Alternative zu haben“, sagt Gastmeier.

Nachdem das Gen schon in mehreren Ländern gefunden worden war, überrascht die Meldung aus den USA Experten kaum. Mitarbeiter von Gesundheitsbehörden betonten, dass der Fall selber kein Grund für Panik sei – die betroffene Frau könne mit anderen Antibiotika behandelt werden. Durch die Übertragbarkeit des Gens auf andere resistente Keime gibt es jedoch Grund für Besorgnis.

Ist der Medizinschrank leer?

Der Direktor der US-Seuchenschutzbehörde CDC hatte zuvor noch unter der offenbar falschen Annahme, dass „der Medizinschrank für manche Patienten leer“ sei, gesagt: „Es zeigt uns im Grunde, dass das Ende der Straße für Antibiotika nicht weit entfernt ist.“

Bernd-Alois Tenhagen von der Abteilung für Biologische Sicherheit des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) plädiert dafür, keine unvernünftigen Schreckensszenarien zu verbreiten. „Jenseits so eines Alarmismus ist es wichtig, dass wir Antibiotika klug und zurückhaltend einsetzen um zu verhindern, dass sich Resistenzen zu sehr ausbreiten“, sagt er. Sicher gäbe es vereinzelt Keime, die gegen fast alle Antibiotika resistent sind. „Die Frage ist nur, wie verbreitet solche Keime wirklich sind, bei denen es keine Behandlungsalternativen mehr gibt“, sagt Tenhagen.

Reduzierung des Einsatzes in der Tiermast

Laut dem Experten des BfR sei die Tendenz für Colistin-Resistenzen bei E. coli in der Tierhaltung in Deutschland eher rückläufig. Als Reaktion auf die Funde des mobilen Resistenz-Gens forderte die EU-Kommission die EMA zwischenzeitlich auf, einen Aktionsplan zu entwickeln, „um den Verkauf von Colistin zur Anwendung bei Tieren zu minimieren und seine Verwendung auf Notfallbehandlungen einzuschränken“. 

Der Maßnahmenkatalog ging am gestrigen Donnerstag in einen öffentlichen Anhörungsprozess. Neben Höchstgrenzen für Colistin fordert er gleichzeitig, dass der verringerte Einsatz des Notfall-Antibiotikums nicht durch andere Antibiotika kompensiert werden soll. „Stattdessen sollte die Verwendung dieses Antibiotikums durch andere Maßnahmen verringert werden – wie verbesserte Haltebedingungen, Biosicherheit zwischen Produktionszyklen, und durch Impfungen“, schreibt die EMA.

Update vom 28.05.2016: Ergänzung des Zitats des CDC-Direktors, welches offenbar unter falschen Annahmen entstanden war.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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