Ausländische Versandapotheken

Wer zahlt die Umsatzsteuer?

Berlin - 30.03.2016, 15:00 Uhr

Geschickt umgeleitet: Finanzieren ausländische Versandapotheken ihre Boni mit der Umsatzsteuer, die sie nicht abführen müssen? (Foto: Finkenherd / Fotolia)

Geschickt umgeleitet: Finanzieren ausländische Versandapotheken ihre Boni mit der Umsatzsteuer, die sie nicht abführen müssen? (Foto: Finkenherd / Fotolia)


Die Frage beschäftigte nicht nur die Richter am Europäischen Gerichtshof: Wie finanzieren ausländische Versandapotheken eigentlich die Boni, die ihnen von deutschen Gerichte immer wieder untersagt werden? Die Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Bettina Mecking, hatte beim ApothekenRechtTag in Berlin eine mögliche Erklärung: Mit den 19 Prozent Umsatzsteuer, die sie von den deutschen Krankenkassen überwiesen bekommen, aber nicht abführen müssen.

Für eine Apotheke ist die Umsatzsteuer – im Volksmund meist Mehrwertsteuer genannt – wie für jeden Händler nur ein durchlaufender Posten: Sie wird vom Kunden kassiert und mit der Vorsteuer, die man selber beim Bezug der Ware, also des Arzneimittels, bezahlt hat, verrechnet. Der Rest wird als Umsatzsteuer an das Finanzamt bezahlt.

Wie aber verhält sich das bei ausländischen Versandapotheken, die nach Deutschland liefern? Wer zahlt welche Mehrwertsteuer an welches Finanzamt? Grundsätzlich gilt in der EU, dass ab einer bestimmten Schwelle die Umsatzsteuer des Empfangslands fällig wird und dort bezahlt werden muss – entweder vom Kunden/Empfänger oder vom Versender/Verkäufer.

Hier nun wittert der Kölner Rechtsanwalt Dr. Joachim Wüst in einem Aufsatz, den Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, in Berlin ausführlich zitierte, einen Steuertrick: 

Dass holländische Versender das Mehrwertsteuergefälle zwischen Deutschland und den Niederlanden nutzen, wird schon lange vermutet – wirklich nachweisen ließen sich unzulässige Tricks allerdings nicht. Wüst geht bei seinen Ausführungen zunächst davon aus, dass bei Privatrezepten und OTC alles sauber läuft.

Da DocMorris mit seinen Arzneimittelverkäufen nach Deutschland sicherlich den Schwellenwert von 100.000 Euro pro Kalenderjahr überschreite, gelte die deutsche Umsatzsteuer. Wüst unterstellt, dass die Versandapotheke insoweit eine Umsatzsteuererklärung in Deutschland beim Finanzamt Kleve abgibt. Diese werde allerdings nicht die für gesetzlich Versicherte verordneten Rx-Arzneimittel erfassen. Denn: In diesem Fall seien die gesetzlichen Krankenkassen Schuldner der deutschen Umsatzsteuer – und nicht die niederländischen Versandhändler. Das Problem: Auch die Krankenkassen führen die Umsatzsteuer vermutlich nicht an die deutschen Finanzämter ab. Denn ihnen fehlt die technische Möglichkeit, zwischen Abrechnungen von ausländischen und von deutschen Apotheken zu differenzieren.

Bis April 2013 war dies offenbar auch kein Problem, folgt man Wüst. Denn bis dahin hatten die großen niederländischen Arzneimittelversender vom sogenannten „Pommes-Erlass“ Gebrauch gemacht. Dieser ist etwa anzuwenden, wenn ein niederländischer Großhändler im grenznahen deutschen Raum eine Vielzahl von Kleinabnehmer wie beispielsweise Imbissbuden im eigenen Lkw mit Pommes Frites beliefert. Dann kann der Großhändler alle Lieferungen als Inlandslieferungen bei dem zuständigen inländischen Finanzamt versteuern. Vorausgesetzt, seine örtlich zuständige niederländische Steuerbehörde stimmt diesem Verfahren ebenfalls zu. 

Vereinfachungsregelung gilt nicht für Versandhandel

Das Bundesministerium der Finanzen erinnerte im November 2012, dass diese Vereinfachungsregelung nicht für den Versandhandel gilt und der Unternehmer ihre Anwendung zunächst bei den Steuerbehörden beider Länder zu beantragen hat. Das Finanzamt Kleve hatte wohl vor dem 1. Januar 2013 nachträglich seine Zustimmung für die falsche Verfahrensweise durch die niederländischen Versandapotheken erteilt. Aber seit dem 1. April 2013 ist laut Wüst eine solche Zustimmung für den Versandhandel nicht mehr zulässig.

Seine Schlussfolgerung: Seitdem wird überhaupt keine Umsatzsteuer abgeführt. Von den niederländischen Versandapotheken nicht, weil sie „garantiert keine Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus abführen, die sie überhaupt nicht schulden“. Von den gesetzlichen Krankenkassen nicht, weil diese gar nicht feststellen können, welche Umsätze auf deutsche Apotheken und welche auf niederländische Versandapotheken entfallen. Dafür zahlten die Kassen aber Bruttobeträge an DocMorris & Co – die Mehrwertsteuer ist somit für die Holländer ein Extra-Bonus. Zwar erleiden die Kassen dadurch keinen finanziellen Schaden – wohl aber der Fiskus. 


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5 Kommentare

Selbstverständlich können..

von Johannes Berlitz am 31.03.2016 um 9:31 Uhr

.. die Krankenkassen feststellen, wo der Lieferant sitzt. Jede Abrechnung geht über eine IK, und bei Beantragung der IK ist der Sitz des Unternehmens anzugeben. Bislang hat mich auch jede Retaxation per Post erreicht, auch wenn ich den Krankenkassen vorher nicht meine Anschrift angegeben hatte.
Vielleicht wollen die Krankenkassen aber gar nicht tätig werden, um uns Präsenzapotheken weiter in die Enge zu treiben. Hatte Ulla uns bei Zulassung des Versandhandels nicht "gleichlange Spieße" versprochen? Wie weit sind wir davon noch entfernt!
Großartige Recherche, meine Gratulation!

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AW: IK

von Benjamin Wessinger am 31.03.2016 um 10:12 Uhr

Der Sitz ist nicht nur bei der Beantragung des IK anzugeben, sondern in diesem auch kodiert: Die Stellen 3 und 4 geben den sog. Regionalbereich an. Ausländische Institutionen haben den Bereich 00 ... Nachzulesen unter anderem hier in der Meldung "Dreh- und Angelpunkt der Abrechnung" (www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/03/30/dreh-und-angelpunkt-der-abrechnung)

AW: IK Nr.

von Bernd Küsgens am 31.03.2016 um 11:58 Uhr

Wenn das so ist, wie B.Wessinger schreibt, dann ist die Rechtsaufsicht der KK gefordert. Als Körperschaften sind die KK der Aufsicht des Justizministeriums unterworfen. Man könnte ja die Justizminister fragen, warum sie die Rechtsaufsicht nicht wahrnehmen. Vielleicht könnte auch eine Untätigkeitsklage helfen.

Wo...

von Bernd Jas am 30.03.2016 um 21:04 Uhr

... ist hier die Like-Funktion? Liebe Redaktion,bitte einmal nachrüsten.

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Doc Morris

von Bernd Küsgens am 30.03.2016 um 19:04 Uhr

Zunächst muss man doch feststellen, wo der deutsch Kunde bestellt:
Versandapotheke DocMorris
Postfach
52098 Aachen
Der Firmensitz ist aber nicht in Aachen, also in Deutschland. Der Firmensitz ist:
DocMorris N.V.
Avantisallee 152
6422 RA Heerlen
Niederlande
Die Frage stellt sich, wie DocMorris an DEUTSCHE Ware kommt. Es ist bekannt, dass die Ware in die Niederlande geliefert wird. Dort wird die Ware verpackt und nach Deutschland versandt. Die Deutsche Post holt die Ware in den Niederlanden ab und liefert sie in Deutschland aus.
Der deutsche Kunde zahlt auf ein Konto, wo dieses sich befindet, ist nicht ersichtlich. Wie viel UStr fällig wird, ist niht ersichtlich.
Ob DocMorris UStr in Deutschland zahlt und mit welcher Erklärund ist unbekannt, bzw. verweist der deutsche Fiskus auf das Steuergeheimnis. Ob DocMorris UStr auf Privatrezepte oder OTC Arzneimittel bezahlt,ist unbekannt.
Ob die KK, die die Kassenrezepte an DocMorris zahlt ist unbekannt.
Es stellen sich folgende Fragen:
1. wer zahlt welche UStr. DocMorris und die KK werden durch das deutsche Steuergeheimnis geschützt?
2. Wieso sind die Sendungen nicht in Holland frankiert?
3. Zahlen deutsche Lieferanten überhaupt die MWst. oder exportieren sie nach Holland mehrwertsteuerfrei?
4, Wieso duldet der deutsche Fiskus solche unklaren Verhältnisse?
5. Gibt es eine Anweisung des NRW-Finanzminister, in dieser Angelegenheit nicht tätig zu werden?
6. Ist die deutsche Post berechtigt, Sendungen in Holland abzuholen und in Deutschland zu fakturieren?
7. Wieso ist es nicht möglich, einen niederländischen Geschäftsführer in Haft zu nehmen, dessen Firma deutsche Bußgelder nicht bezahlt.
Fragen über Fragen, die von deutscher Seite nicht beantwortet werden. Oder ist es politisch nicht opportun gegen eine ausländische Firma vorzugehen, die sich offensichtlich nicht an die üblichen "Spielregeln" hält?

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