Beratungs-Quickie

Memantin für eine Alzheimer-Patientin

München - 17.03.2016, 19:00 Uhr

(Foto:  contrastwerkstatt / Fotolia)

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Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Welche Zusatzinformationen kann der Apotheker geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jede Woche einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine ältere Patientin, die eine Verordnung über das Antidementivum Memantin einreicht.

Eine freundliche alte Dame betritt die Apotheke. Sie sucht umständlich aus ihrer Handtasche ein sehr verknittertes Rezept hervor und versucht, es glatt zu streichen. Auf Nachfrage, ob sie das Arzneimittel kenne, antwortet die 71-Jährige keck: „Ja sicher, ich nehme diese Tabletten ja schon seit Jahren“.

Formalien-Check

Verordnet sind 50 Stück Axura® Filmtabletten, Wirkstärke 10 mg. Aut-idem ist nicht angekreuzt, Rabattverträge sind zu beachten. Die Normgröße N2 mit 50 Stück ist nicht mehr im Handel, es ist ein rabattiertes Arzneimittel der Packungsgröße N2 mit 42 Stück abzugeben. Für Demenzpatienten besteht die Möglichkeit, pharmazeutische Bedenken gegen den Rabattaustausch geltend zu machen, um die Patientin nicht durch eine ungewohnte Packung zu verunsichern. Wird das namentlich verordnete Original abgegeben, werden Mehrkosten in Höhe von 31,14 Euro (Stand: Lauer-Taxe 13.03.2016) fällig. Laut Rezept ist die Kundin von der Zuzahlung befreit.

Ein verknittertes, „alt“ aussehendes Rezept wird sofort auf sein Ausstellungsdatum überprüft. Ab dem Ausstellungsdatum ist das Rezept einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Memantin ist ein nichtkompetitiver NMDA-Antagonist und wird zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz eingesetzt. Eine Therapie sollte nur begonnen werden, wenn die Einnahme durch eine Betreuungsperson überwacht wird.

Das Arzneimittel wird einschleichend dosiert. Für die Dosistitration sind Startpackungen verfügbar. Die Steigerung erfolgt in 5 mg-Schritten über vier Wochen. Wenn vom Arzt nicht anders verordnet, beträgt die übliche Erhaltungsdosis 1 x 20 mg täglich. Bei Dauertherapie ist die Verordnung von Memantin-Tabletten mit einer Wirkstärke von 20 mg wirtschaftlicher und besser für die Adhärenz als die vorliegende Verordnung mit 10 mg .

Die Rücksprache mit der Neurologin ergibt, dass im aktuellen Fall eine reduzierte Erhaltungsdosis von 1 x 10 mg täglich beabsichtigt ist. Auch bei (mittel)schwerer Nierenfunktionsstörung ist eine Dosisanpassung notwendig.

Das Arzneimittel muss regelmäßig und möglichst zur gleichen Tageszeit unabhängig von der Mahlzeit eingenommen werden.Treten Nebenwirkungen wie Schwindel und Müdigkeit auf, so empfiehlt sich als Einnahmezeitpunkt abends vor dem Zubettgehen.

Als häufige Nebenwirkungen können außerdem Kopfschmerzen und Verstopfung auftreten.

Der DAZ.online-Beratungsquickie

Jede Woche präsentieren wir einen kurzen Fall, wie er im Apothekenalltag vorkommen könnte. Die Fälle und die Beratungshinweise basieren auf dem Rezepttrainer 1, dem Rezepttrainer 2 und dem HV-Trainer, des Deutschen Apotheker Verlags.
Die Beispiele geben Anregungen zur Beratung und anderen Dingen, die bei der Abgabe zu beachten sind:

  • Formalien-Check: unter anderem Informationen zur Verordnungsfähigkeit sowie Gültigkeit des Rezeptes
  • Beratungs-Basics: die wichtigsten Informationen zur Anwendung
  • Auch noch wichtig: Infos zu häufigen Nebenwirkungen und anderen Anwendungsproblemen, Wechselwirkungen mit der Selbstmedikation, Warnzeichen für Komplikationen, …
  • Darf`s ein bisschen mehr sein? Weitergehende Informationen und mögliche Zusatzempfehlungen
Fehlt was?
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Auch noch wichtig

Bei der Beratung ist der geistige Zustand der Kundin zu berücksichtigen. Eine demenzkranke Person sollte, auch wenn sie in Begleitung kommt, direkt angesprochen, aber nicht überfordert werden. Im vorliegenden Fall wartet die Tochter der Kundin vor der Apotheke um ihre Mutter weiterhin alltägliche Situationen alleine meistern zu lassen.

Es sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten. So können Antacida bei massiver Anwendung einen Anstieg des Memantin-Plasmaspiegels bewirken. Der gleichzeitige Einsatz von Dextromethorphan als Hustenstiller birgt das Risiko einer pharmakotoxischen Psychose.

Für ein effizientes Medikationsmanagement empfiehlt es sich, eine Kundendatei anzulegen.

Der Patient bzw. die Betreuungsperson sollte alle behandelnden Ärzte über die Einnahme von Memantin informieren, um Wechselwirkungen mit z.B. Neuroleptika, Parkinsonmitteln, Anticholinergika und Hydrochlorothiazid zu vermeiden.

Ist ein operativer Eingriff geplant, so ist die Unverträglichkeit von Memantin mit Ketamin zu berücksichtigen. Auch über die Umstellung auf vegetarische Kost muss der Arzt in Kenntnis gesetzt werden (relevante pH-Wert-Änderung).

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Tablettendispenser als Hilfe für eine gewissenhafte Medikamenteneinnahme anbieten
  • Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr hinweisen Flüssigkeitsmangel verschlimmert Verwirrung, allgemeine Schwäche und durch Memantin bedingte Obstipation.
  • Körperliche Betätigungen wie Wandern oder Fahrradfahren und geistiges Training in Form von Gesprächen oder Kreuzworträtseln unterstützen die antidementive Therapie. 


Die aktuelle Leitlinie „Demenzen“  finden Sie hier.

Die freundliche ältere Dame erhält natürlich eine Kunden-Zeitschrift mit Kreuzworträtsel und wird zur Türe begleitet. Beim Verlassen der Apotheke hält sie kurz inne und meint „Fräulein, sind Sie neu hier? Sie sind einfach zu freundlich!“


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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