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Digitalisierung im Gesundheitswesen
Wem sollen unsere Daten dienen?
Während Techniker-Chef Jens Baas davon träumt, Daten von Fitness-Apps in elektronische Patientenakten zu integrieren, warnt Justizminister Maas vor der massenhaften Auswertung von Gesundheitsdaten. Denn diese sind eine Goldgrube – und wecken Begehrlichkeiten.
Der Wert von Gesundheitsdaten wird auch hierzulande immer stärker zum Motor für die Digitalisierung von Gesundheits-Dienstleistungen. Als Vorreiter positioniert sich die Techniker-Krankenkasse (TK), deren Chef Jens Baas im Interview mit der Süddeutschen Zeitung am Montag seine Visionen für die moderne Medizin erläuterte. „Die nächste medizinische Revolution wird kein einzelnes Medikament sein“, sagte Baas. „Sie kommt durch die Art und Weise, wie wir medizinische Daten zusammenführen und etwa für die Forschung nutzen.“
Er plädiert dafür, in eine zukünftige elektronische Patientenakte nicht nur die herkömmlichen medizinischen Informationen aufzunehmen, sondern auch Daten von Fitness-Trackern und Gesundheits-Apps. Seine Kasse sei dabei, ihre Arbeitsabläufe vollständig und durchgängig zu digitalisieren – ohne Daten auszudrucken und sie an anderer Stelle wieder abzutippen, wie es manche Konkurrenten täten.
Die Gesundheitsdaten, die immer mehr Menschen erheben, sind längst ins Visier privater wie gesetzlicher Krankenkassen geraten. Sie können genutzt werden, um Gesundheitstipps zu geben – oder Risikoprofile der Versicherten zu erstellen. Private Krankenkassen wollen teilweise anhand der Daten Tarife gestalten, während die gesetzlichen Krankenkassen sich als nur der Gesundheit ihrer Kunden verpflichtet sehen. So könnten für einen Versicherten mit Depression aufgrund seiner Bewegungsmuster festgestellt werden, dass es Auffälligkeiten gibt, sagt Baas in der Süddeutschen Zeitung. „Dann können wir ihm vorschlagen, zum Arzt zu gehen.“
Daten zentral speichern - anstatt sie verstreut liegen zu lassen
Bis elektronische Patientenakten allgemein verfügbar sind, will die TK Angebote aufbauen, um Gesundheitsdaten zentral zu speichern, so dass App-Anbieter sie nicht in aller Welt verstreut lagern.
Dies habe beispielweise beim Wechsel der Anbieter große Vorteile für die Kunden, sagte Thomas Heilmann, Leiter des TK-Fachreferats Versorgungsmanagement, Ende Januar auf einer Tagung der Akademie für politische Bildung in Tutzing. „Wenn sie die Daten mühsam in eine App eingegeben haben, wollen Sie die App nur ungern wechseln“.
Indem die Techniker-Kasse mit den Herstellern zusammenarbeite, könnten die Daten auf sicheren Servern gespeichert werden. Sie würden in keinem Fall an Dritte weitergegeben – oder an die Krankenkasse selber. Diese dürfe sie sowieso nur für Abrechnungszwecke prüfen. Der Versicherte soll Herr über seine Daten bleiben und diese beispielsweise jederzeit einsehen können.
Sorgen Politik und Krankenkassen für den gläsernen Patienten – oder erledigen wir das mit Selftracking und sozialen Netzwerken selbst?
Die Krankenkasse baut derzeit an verschiedenen Stellen die digitalen Angebote aus. Versicherte können bei kooperierenden Ärzten online einen Termin buchen, ihr Diabetes-Tagebuch führen oder einen Depressions-Coach in Anspruch nehmen. Für die Zukunft soll es auch online-Videosprechstunden geben.
Datendiebstahl wird es geben
Den Anspruch auf absoluten Datenschutz hat die TK aufgegeben. „Wer hundert-prozentigen Schutz verspricht, hat von Edward Snowden nichts gehört“, sagt Heilmann. Auch sein Chef glaubt, dass Missbrauch nicht verhindert werden kann – er müsse nur möglichst schwer gemacht und bestraft werden, so Baas gegenüber der Süddeutschen. Er wolle mit „coolen“ Produkten das Vertrauen der Kunden gewinnen.
Barmer-Chef Christoph Straub hält die Pläne seines Kollegen hingegen für Zukunftsmusik, da der Gesetzgeber den Vorhaben einen Riegel vorschieben wird, wie er der Süddeutschen Zeitung am Dienstag sagte. Während der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), die Möglichkeiten der Digitalisierung „endlich auch im Gesundheitswesen“ nutzen will und in den Vorschlägen von Baas große Chancen sieht, warnte Justizminister Heiko Maas in einem Gastbeitrag im Donaukurier vor einem massiven Zugriff der Krankenkassen auf Gesundheitsdaten. Denn auch durch Anreize können Patienten unter Druck geraten, mitzumachen.
Wie freiwillig geben Bürger ihre Daten?
Seiner Meinung nach dürfe niemand „faktisch dazu gezwungen werden, so intime Daten wie die Herzfrequenz, die Geschwindigkeit beim Joggen oder die Häufigkeit des Trainings im Fitnessstudio zu veröffentlichen“, sagte Maas im Donaukurier. Menschen dürften seiner Einschätzung nach „in keinem Fall zum reinen Objekt eines Algorithmus werden“.
Solange der Großteil aller Bürger auch sensible Daten internationalen Konzernen zur Verfügung stellen, wird es für Maas wohl schwierig werden, sich mit seinen Bedenken gegen die vielseitigen Interessen an den Gesundheitsdaten durchzusetzen. Vor- und Nachteile liegen hier nah zusammen. Und Nebenwirkungen werden oft erst deutlich, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
2 Kommentare
Erpresser
von Reinhard Rodiger am 09.02.2016 um 23:04 Uhr
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Elektronische Patientenakten
von Heiko Barz am 09.02.2016 um 21:55 Uhr
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