Genehmigung klinischer Prüfungen

Neues Recht lässt auf sich warten

Bonn - 29.01.2016, 17:00 Uhr

Arzneimittelstudien sollen künftig zügiger durchgeführt werden - aber bis es soweit ist, wird es noch dauern. (Foto: Dreaming Andy /Fotolia)

Arzneimittelstudien sollen künftig zügiger durchgeführt werden - aber bis es soweit ist, wird es noch dauern. (Foto: Dreaming Andy /Fotolia)


Viele Diskussionen kreisen derzeit um die Vorgänge im Zusammenhang mit der Biotrial-Studie in Rennes. „Haben die Behörden den Antrag ausreichend geprüft?“ ist nur eine der Fragen. Dabei soll es nach dem Willen der EU-Gesetzgeber in Zukunft noch um einiges schneller gehen mit der Genehmigung klinischer Prüfungen.

Die EU-Verordnung über die Durchführung klinischer Prüfungen ist schon seit Ende Mai 2015 in Kraft. Bis sie aber voll und „ohne Wenn und Aber“ angewendet wird, ist es noch ein weiter Weg. Viel Spielraum für national individuelle Regelungen gibt es zwar nicht, doch ein paar Dinge sind im Arzneimittelgesetz noch nachzujustieren oder ergänzend zu regeln. Dazu dient das 4. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Bei einer Info-Veranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Bonn wurden die Details diskutiert.

Zwei Bewertungen – ein Bescheid

Alle Vorgänge rund um die Beantragung einer Studie und deren Abwicklung werden in Zukunft über  ein gemeinsames EU-Portal ablaufen müssen. Der Antrag besteht aus zwei Teilen. Für die Bewertung von Teil I, in dem es im Wesentlichen um den therapeutischen Nutzen der Studie, die Risiken für die Prüfteilnehmer, das Prüfpräparat und die Prüferinformation geht, ist überwiegend die Bundesoberbehörde (BfArM oder PEI) zuständig. Die Beurteilung von Teil II, der unter anderem die Rekrutierung der Prüfteilnehmer, die Prüfstellen und den Datenschutz betrifft, liegt ausschließlich bei der Ethikkommission. Die eigentliche Genehmigung wird von der Arzneimittelbehörde erteilt. Dabei muss sie aber das Votum der Ethikkommission „maßgeblich berücksichtigen“. Die Frist für die Entscheidung über den Antrag ist 30 Tage. 

Erst 2021 komplett nach neuem Recht

Die wichtigste Voraussetzung für den Einstieg sei die volle Funktionsfähigkeit des EU-Portals, über das dann alle Vorgänge ablaufen müssen, erläuterte BAH-Referent Andreas Franken. Dies wird für Oktober 2018 prognostiziert. Danach sollen die Vorgaben für die Beantragung der Studien und ihre Durchführung über mehrere Jahre hinweg schrittweise umgesetzt werden. Erst ab Oktober 2021 soll die EU-Verordnung dann für alle klinischen Studien, das heißt auch diejenigen, die noch nach dem derzeitigen Recht beantragt und begonnen wurden, voll gültig sein, so jedenfalls die Theorie. 

Nationale IT-Plattform steht

In Zukunft werden die Arzneimittelbehörden und die Ethikkommissionen einen Genehmigungsantrag gemeinsam und zeitgleich bearbeiten müssen, und zwar erheblich schneller, als es jetzt der Fall ist. Mit welchen Hürden beide Seiten dabei zu kämpfen haben, schilderte der Leiter der Abteilung „Wissenschaftlicher Service“ im BfArM, Thomas Sudhop. Bislang seien dies noch völlig getrennte Vorgänge, und beide Seiten hätten ganz andere Arbeitsweisen. Auch sei bei manchen Ethikkommissionen technisch einiges nachzurüsten gewesen, um die notwendige engmaschige Kommunikation zu gewährleisten. Immerhin sei es bereits gelungen, eine gemeinsame IT-Plattform zur Durchführung von Telekonferenzen und zum gesicherten Datenaustausch auf die Beine zu stellen.  „Wir haben schon die 15. Telekonferenz hinter uns, und es läuft sehr gut“, freut sich Sudhop. 

Das BfArM übt schon einmal

Als nächste Stufe der Zusammenarbeit fahren das BfArM und derzeit insgesamt 26 Ethikkommissionen ein Pilotprojekt, um das neue System am „echten Objekt“, das heißt realen Anträgen, zu üben. Es wurde Anfang Oktober 2015 gestartet. Dabei wird die neue EU-Verordnung laut Sudhop auf der Basis des derzeit noch geltenden Rechts so weit wie möglich berücksichtigt. In der Zwischenzeit ist es gelungen, im Rahmen des Projektes einen Antrag für eine multizentrische Studie mit Erfolg abzuwickeln. Er ist am 8. Januar 2016 positiv beschieden worden, und zwar in 35 Tagen, wobei  sieben Tage auf die Beseitigung von Mängeln durch den Sponsor entfielen. Diese werden bei der Bemessung der Frist gesondert gezählt. 

Das BfArM würde sich freuen, wenn diesem Beispiel weitere folgten, aber das Interesse sei bislang recht dürftig, bedauerte Sudhop. Mehr als drei bis vier Anträge könne seine Behörde im Rahmen des Piloten derzeit aber wohl auch nicht bewältigen, weil die Abstimmung hochkomplex sei und sich in der Praxis noch vieles einschleifen müsse. Für interessierte Sponsoren stellen das BfArM, des PEI und die Arbeitsgemeinschaft der Ethikkommissionen die Vorlage für einen „letter of intent“ sowie einen Leitfaden bereit.

Deutschland will die Nummer Eins bleiben

Warum sich Deutschland mit der Umsetzung der EU-Verordnung so ins Zeug legt, begründete der zuständige Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium, Lars Nickel: „Wir sind in Europa die Nummer Eins in Sachen klinische Prüfung und weltweit die Nummer Zwei, und das soll auch so bleiben.“ 

Das Änderungsgesetz, das neben dem AMG auch noch andere Gesetze und Verordnungen betrifft, soll laut Ankündigung von Nickel noch in diesem Jahr in Kraft treten. Um das Rechts-Paket für die klinische Prüfung in Deutschlang komplett zu machen, sind allerdings noch eine Reihe weiterer Vorschriften, zum Beispiel zur Funktionsweise der Ethikkommissionen und zu den Gebührenregelungen geplant.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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