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Engpässe: Bayern will pragmatisch bleiben

Erleichterungen für Apotheken bleiben vorerst bestehen / Ruf nach Pharmadialog

ks | In Bayern will man weiterhin pragmatisch mit Lieferengpässen umgehen. Die vor Weihnachten von der „Taskforce Arzneimittelversorgung“ vereinbarten Regelungen sollen nun noch bis Ende Juni gelten.

Als die Arzneimittel-Lieferengpässe Ende 2022 durch die fehlenden Arzneimittel für Kinder ihren medialen Höhepunkt erreichten, zeigte sich Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) besonders tatkräftig. Ende November rief er die Pharma-Taskforce mit Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft aus Pharma-Unternehmen und Großhandel sowie den Krankenkassen ins Leben. Bis Weihnachten traf man sich dreimal und verständigte sich auf Sofortmaßnahmen, um gut über die Feiertage zu kommen.

Unter anderem verständigte sich die Taskforce darauf, dass Ärzte Wirkstoffe verschreiben und nicht konkrete Arzneimittel, um Apotheken die Auswahl zu erleichtern. Die Krankenkassen hatten bis zum 25. Januar auf Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen bei der Abgabe bestimmter Mittel verzichtet. Die pharmazeutischen Großhändler legten vor allem über die Feiertage ein besonderes Augenmerk auf die Belieferung von Notfallapotheken, und die Überwachungsbehörden hatten vorübergehend die Beprobung von Rezepturen in den Apotheken ausgesetzt. Zudem versprach man Augenmaß bei der Umsetzung der Apothekenbetriebsordnung – so sollten beispielsweise Krankenhausapotheken Arzneimittel unbürokratisch an öffentliche Apotheken abgeben können.

Am vergangenen Freitag erklärte Holetschek per Pressemitteilung, dass „weiterhin pragmatische Regelungen zur Bekämpfung von Engpässen bei Kinder-Arzneimitteln“ im Freistaat gelten. „Wir haben in der Zeit ab Weihnachten erreicht, dass zum Beispiel die Versorgung mit Fiebersäften stabilisiert wurde. Mit Blick auf einen möglichen Anstieg der Atemwegserkrankungen in diesem Winter haben wir jetzt in der ‚Taskforce Arzneimittel­versorgung‘ vereinbart, dass bis Ende Juni weiter Erleichterungen gelten.“

Konkret würden z. B. die Kassen die Mehrkosten übernehmen, wenn Apotheken wegen eines Engpasses Fiebersäfte selbst herstellen, ohne dass ein neues Rezept ausgestellt werden muss. Auch die Beprobung von Rezepturen in den Apotheken durch die Über­wachungsbehörden bleibt ausgesetzt.

Holetschek hatte auch dafür plädiert, Apotheken zu ermöglichen, selbst (nicht verschreibungspflichtige) Fiebersäfte auf Vorrat ohne vorliegenden Nachweis häufiger ärztlicher Verschreibungen herzustellen. Dafür müsste allerdings das Arzneimittelgesetz geändert werden.

Was genau hat die Taskforce vereinbart?

Dazu erklärt das Bayerische Staats­ministerium für Gesundheit und Pflege:

Im Rahmen der Taskforce Arzneimittelversorgung haben sich die Beteiligten überwiegend grundsätzlich zu einem Vorgehen entsprechend der Vereinbarung des vdek mit dem Deutschen Apothekerverband bereit erklärt und wohlwollende Prüfung zugesagt.

Voraussetzung ist danach

1. ein bestehender Versorgungsengpass, d. h. eine bedarfsgerechte Versorgung unter den vertraglichen Bedingungen des Arzneiversorgungsvertrages, des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V und der SARS-CoV-2-Arzneiversorgungsverordnung ist nicht möglich.

2. Von einem Versorgungsengpass ist auszugehen,

a) wenn das Bundesministerium für Gesundheit einen Versorgungsmangel gemäß § 79 Abs. 5 AMG bekannt macht oder

b) wenn das BfArM von den Regelungen der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) Gebrauch gemacht hat und entsprechende Bescheide für eine Versorgung abweichend von den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes veröffentlicht hat oder

c) eine vergleichbare Situation vorliegt.

Maßgeblich sind die Erkenntnisse des Beirats nach § 52b Abs. 3b AMG.

Sofern ein Versorgungsengpass bzw. eine vergleichbare Situation vorliegt, wird überwiegend grundsätzlich Kostenübernahme zugesagt, wenn:

1. mit Arzneimitteln oberhalb des Festbetrages versorgt wird,

2. Versicherte mit gestatteter Ware gemäß MedBVSV versorgt werden,

3. bei einem verordneten Fertigarzneimittel nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin eine Rezeptur abgegeben und abgerechnet wird, ohne dass eine Ausstellung einer neuen Verordnung erforderlich ist. Die Rücksprache ist durch die Apotheke auf der Verordnung zu dokumentieren bzw. im Abgabedatensatz zu erfassen und qualifiziert elektronisch zu signieren.

4. Einzelimporte gemäß § 73 AMG ohne Vorabgenehmigung abgegeben werden.

Raus aus der Endlosschleife

Holetschek weiter: „Das langfristige Ziel unserer Taskforce ist es, Vorschläge für eine nachhaltig stabile Arzneimittelversorgung zu machen. Über die Ergebnisse werden wir bei unserem bayerischen Pharmagipfel beraten, der für dieses Frühjahr geplant ist. Wir werden unsere Vorschläge aber auch auf Bundesebene einbringen.“ Ein wiederbelebter Pharmadialog des Bundes wäre dafür aus seiner Sicht das ideale Forum. „Ich befürchte, wir sind sonst in einer Endlosschleife der Engpässe gefangen. Deshalb muss der Bundes­gesundheitsminister schnellstmöglich alle Akteure an einen Tisch holen und gemeinsam Lösungen entwickeln.“ |

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