Arzneimittel und Therapie

ASS besser löslich dank Co-Former

Nicotinamid verbessert die Resorption von Acetylsalicylsäure

Die Wasserlöslichkeit von Acetyl­salicylsäure (ASS) lässt sich mithilfe von Nicotinamid als Co-Former erhöhen. Zu dieser Erkenntnis kamen Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum. Eine besser in Wasser lösliche Acetylsalicylsäure als in bisher erhältlichen Präparaten könnte für Menschen mit Herzinfarkten und Schlaganfällen von Vorteil sein.

Neben der Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe ist die Verbesserung der Eigenschaften bestehender pharmazeutischer Produkte ein eigener Forschungsbereich. Eine Möglichkeit, um die Eigenschaften eines Stoffes zu verbessern, ist das geschickte Design von kristallinen Stoffen, die neben dem Wirkstoff oder einer ionischen Spezies des Wirkstoffs, Moleküle anderer Stoffe geordnet mit eingebaut haben. Im Falle von Aspirin® IV gelang dies unter Verwendung von Lysin. Das Produkt der Säure Acetylsalicylsäure mit der Base Lysin ist der ionische Wirkstoff Lysinacetylsalicylat. Ist es jedoch erwünscht, dass der Wirkstoff nicht als Salz, sondern in seiner neutralen Form vorliegt, muss bei der Kristallisation des Wirkstoffs mit einem anderen Stoff ein Kandidat gewählt werden, der chemisch nicht mit dem Wirkstoff reagiert. Dieser, in der pharmazeutischen Chemie immer öfter angewendete innovative Ansatz, führt zu einem Co-Kristall als Produkt. Dieser enthält neben dem Wirkstoff einen sogenannten Co-­Former. Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum stellten einen solchen Co-Kristall aus Acetylsalicylsäure und Nicotinamid als Co-Former her. Der Vorteil dabei ist eine verbesserte Wasserlöslichkeit im Vergleich zu herkömmlichen Präparaten mit ASS, was die Resorption und den Wirkeintritt beschleunigt. Patienten mit Schlaganfällen oder Herzinfarkten könnten hiervon profitieren.

Unterschiede zwischen Salzen und Co-Kristallen

Während die ionischen Bestandteile von Salzen über ionische Bindungen verknüpft sind, liegen in Co-Kristallen neutrale Moleküle vor, die ausschließlich über schwache Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrückenbindungen miteinander interagieren. In einem Co-Kristall liegen die Moleküle demnach nebeneinander vor, ohne fest miteinander verbunden zu sein. Kommt der Co-Kristall mit Wasser in Berührung, löst sich die Verbindung wieder auf. Der Wirkstoff kann aufgenommen werden und wirken, der Hilfsstoff wird abgebaut bzw. ausgeschieden.

Regulatorisch macht es einen Unterschied, ob ein Wirkstoff als Co-­Kristall oder Salz vorliegt. Während einzelne Salze als unterschiedliche Wirkstoffe angesehen werden, gelten Co-Kristalle als eine andere Erscheinungsform desselben Wirkstoffs. Sie unterliegen damit den gleichen regulatorischen Anforderungen wie klassische generische Produkte. Die Kombination von Acetylsalicyl­säure mit dem Co-Former Nicotinamid ist also ein Generikum. Das Herstellungsverfahren dieses Co-Kristalls wurde von der Ruhr-Universität Bochum zum europäischen Patent angemeldet. Da Nicotinamid bereits als unbedenklicher Stoff gilt, ist die Chance hoch, dass der Co-­Kristall in die klinische Studienphase gelangt. |

Dr. Klaus Merz, Akademischer Direktor, Anorganische Chemie I, Ruhr-Universität Bochum

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