Arzneimittel und Therapie

Zwei Seiten der Medaille

Nichtsteroidale Antiphlogistika können Lungenembolie-Risiko erhöhen oder senken

Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) stehen schon länger im Verdacht, das Risiko für eine Lungenembolie zu erhöhen. Dass die Wirklichkeit komplizierter zu sein scheint, zeigen die Ergebnisse einer norwegischen Studie: NSAID erhöhten das Embolie-Risiko zwar in der Allgemeinbevölkerung, verminderten es aber bei Personen mit einer entzündlichen Gelenkerkrankung.

Von den tiefen Beinvenen zur Lunge, so verläuft der fatale Weg eines Blutgerinnsels, das eine Lungenembolie auslöst. Pro Jahr erkranken auf 100.000 Einwohner gerechnet ca. 109 Personen daran [1]. Zu den Risikofaktoren zählen hohes Alter, Tumoren, Übergewicht und Immobilisierung. Auch Arzneimittel sind relevant: Schon länger gehören die nichtsteroidalen Antiphlogistika zu den Verdächtigen, die durch eine Hemmung der Cyclooxygenase 2 (COX 2) die Thrombenbildung begünstigen. Norwegische Forscher gingen dem Zusammenhang in einer neuen retrospektiven Studie auf den Grund, mit besonderem Fokus auf die entzünd­lichen Gelenkleiden rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis und axiale Spondyloarthritis [2]. Diese Krankheiten gehen mit einem erhöhten Risiko für eine Lungenembolie einher und erfordern gleichzeitig häufiger eine Therapie mit NSAID. Die Wissenschaftler filterten aus norwegischen Patientenregistern die entsprechenden Daten zur Arzneimitteleinnahme von Per­sonen mit und ohne entzündliche Gelenkerkrankungen heraus. Mehr als 4,6 Millionen Patientendaten (Alter 40,0 Jahre; Frauenanteil 49,6%) verfolgten die Forscher im Median neun Jahre lang nach. Davon litten 74.001 Personen an chronischen Gelenkerkrankungen (Alter 53,2 Jahre, Frauenanteil 59,6%). Bestätigen konnten die Wissenschaftler die Annahme, dass eine Gelenkerkrankung das Lungenembolie-Risiko erhöht: Um 57% wahrschein­licher war ein Lungeninfarkt für Gelenkkranke (adjustierte Hazard Ratio [aHR] = 1,57; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,48 bis 1,66; p < 0,001).

Foto: Evrymmnt/AdobeStock

Auch wenn Patienten mit Gelenkerkrankungenbesonders häufig NSAID einnehmen, verringerten die Präparate bei ihnen das Risiko für eine Lungenembolie, anstatt es zu erhöhen.

Risikoreduktion durch NSAID

Gleichzeitig nahmen die Gelenkkranken häufiger und länger NSAID ein. Im Schnitt waren es neun (95%-KI = 5 bis 13) Behandlungszyklen, die insgesamt 14% des Beobachtungszeitraums abdeckten. In der Allgemeinbevölkerung waren es nur fünf Zyklen (95%-KI = 3 bis 10), die sich über 3% des Beobachtungszeitraums erstreckten. Am häufigsten wurden Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen verordnet. In der Allgemeinbevölkerung erhöhte die NSAID-Einnahme das Lungenembolie-Risiko um 77% (Inzidenz­ratenverhältnis [IRV] = 1,77; 95%-KI = 1,69 bis 1,84; p < 0,001).

Für Gelenkkranke addierten sich die Risiken aber nicht: NSAID verminderten bei ihnen das Risiko, eine Lungen­embolie zu erleiden, zumindest zahlenmäßig (IRV = 0,84; 95%-KI = 0,70 bis 1,01; p = 0,056). Klammerten die Wissenschaftler die Coxibe aus und werteten nur die Einnahme von unspezifischen NSAID aus, verminderten diese das Lungenembolie-Risiko von Gelenkkranken signifikant um 22% (IRV = 0,78; 95%-KI = 0,64 bis 0,94; p = 0,01) während sie das Risiko der Allgemeinbevölkerung um 68% erhöhten (IRV = 1,68; 95%-KI = 1,61 bis 1,76; p < 0,001) . Im Verhältnis profitierten Patienten mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis und axialer Spondyloarthritis gleichermaßen, statistische Signifikanz erreichte der Zusammenhang aber nur für die größte Subpopulation mit rheumatoider Arthritis. Während das kardiovaskuläre Risiko der NSAID in der Allgemeinbevölkerung zum Tragen komme, wirkten die unspezifischen NSAID bei Gelenkkranken durch ihre antientzündlichen Effekte dem krankheitsbedingten Lungenembolie-Risiko womöglich entgegen, spekulieren die Autoren über den gefundenen Zusammenhang.

Risikoerhöhung durch Coxibe

Coxibe auf der anderen Seite wirkten sich ungünstig auf das Embolie-Risiko aus, egal ob die Patienten unter einer entzündlichen Gelenkerkrankung litten (IRV = 1,75; 95%-KI = 1,10 bis 2,79; p = 0,018) oder nicht (IRV = 2,80; 95%-KI = 2,47 bis 3,18; p < 0,001). Die Autoren empfehlen, unspezifische NSAID bei entzündlichen Gelenkerkrankungen weiterhin zu verordnen, Coxibe jedoch zurückhaltend einzusetzen, wenn die Patienten weitere Risikofaktoren für eine Lungenembolie aufweisen. |

Literatur

[1] Keller K et al. Trends in thrombolytic treatment and outcomes of acute pulmonary embolism in Germany. Eur Heart J 2020;41:522-529, doi: 10.1093/eurheartj/ehz236

[2] Ikdahl E et al. Non-steroidal anti-inflammatory drugs and risk of pulmonary embolism in patients with inflammatory joint disease—results from the nationwide Norwegian Cardio-rheuma registry. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2023, doi: 10.1093/ehjcvp/pvad07

Apotheker Dr. Tony Daubitz

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