DAZ aktuell

Von Düsseldorf nach Dresden – der Protestmonat November

Apothekenteams demonstrieren gegen Lauterbachs „Liberalisierungskapriolen“

mik | Grauer Himmel, kaltes Nass oder am Ende sogar noch Schnee und Frost: Der November ist für Proteste nicht unbedingt die ideale Wahl. Auch die Apothekerteams wären wohl lieber in den Offizinen geblieben und hätten ihre Arbeit gemacht. Aber dann kam alles anders. Den ganzen Monat über gingen sie in verschiedenen Teilen des Landes auf die Straße, um für die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zu demonstrieren. Und auch das Wetter konnte sie nicht davon abhalten.

Die ABDA schien auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf im September etwas überrumpelt. Einen Tag zuvor hatte Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) über die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ seine Pläne für eine Umstrukturierung des Apothekensystems lanciert. Vielleicht dachte die Standesvertretung bis zu diesem Zeitpunkt noch, man könnte – auch mit Blick auf das für Mitte Oktober geplante persön­liche Gespräch mit Lauterbach – noch etwas auf dem diplomatischen Weg deichseln. Aber nachdem bereits die ersten Verbände in Eigenregie Proteste und Apothekenschließungen angekündigt hatten, blieb der ABDA angesichts des FAZ-Artikels und der angeheizten Stimmung auf dem DAT nichts anderes mehr übrig: Sie rief den November zum Protestmonat aus.

Nord, West, Süd, Ost

In den folgenden Wochen sickerte langsam durch, was man sich darunter vorzustellen hatte: Regional getrennt sollte die Apothekerschaft an vier verschiedenen Tagen über den ganzen Monat verteilt demonstrieren und auch Apotheken schließen. Hannover, Dortmund, Stuttgart und Dresden waren die Orte, aber auch in Erfurt und Schwerin gab es wiederum von den jeweiligen Verbänden organisiert Proteste.

Monopoly und Marathonlauf

Das Gespräch mit Lauterbach führte offenbar zu nichts, ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening schwor die Apothekerschaft wenige Tage später wegen seiner „Liberalisierungs­kapriolen“ auf einen „apothekenpolitischen Marathonlauf“ ein. Vor dem Hintergrund des erwarteten Gesetz­gebungsverfahrens im Herbst bekamen die Proteste noch einmal eine neue Dimension: Es ging nun nicht mehr nur um den Kampf für ein auskömmliches Apothekenhonorar – es ging darum, Lauterbachs „Monopoly-Spiel im Apothekenwesen“ (Overwiening) zu verhindern: die Warnung vor der „Pseudo-Apotheke“ ohne Apothekerinnen und Apotheker, ohne Notdienste und Labor zog sich als roter Faden durch die Kundgebungen in Nord, West, Süd und Ost.

„Kalte Füße, heiße Herzen“

Der LAV-Vorsitzende Niedersachsen, Berend Groeneveld sah in seiner Rede in Hannover die Apotheke als Schiff in Seenot, auf Grund gelaufen, weil der Kurs nicht stimmt und das Bundesgesundheitsministerium falsche Signale sendet. In Dortmund kritisierte der Vorsitzende des AV-Westfalen-Lippe, Thomas Rochell, Lauterbachs „Arbeitsverweigerungshaltung“. „Mit kalten Füßen und heißen Herzen“ seien die Apothekenteams, PTA und PKA in Stuttgart zusammengekommen, da es bereits „fünf nach zwölf für die deutsche Apothekerschaft“ ist, sagte der stellvertretende Geschäftsführer und Pressesprecher Frank Eickmann zur Eröffnung des Protesttags im Süden. Der Vorsitzende des Sächsischen AV, Thomas Dittrich, rief der Menge in Dresden zu: „Zurückhaltung, stilles Klagen und freundliches Bitten war gestern.“ Mehr als 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden bei den zentralen Kundgebungen im November gezählt.

Es sind allerdings nicht nur Apothekerinnen, Apotheker, PTA und PKA auf den Straßen unterwegs. In mehreren Städten schließen sich Vertreter anderer Heilberufe an – über die Gesundheitspolitik Lauterbachs haben sie nicht viel Besseres zu berichten als die Apothekerschaft. Und: zahlreiche Landes- und Lokalpolitikerinnen und -politiker zeigten sich solidarisch mit den Forderungen der Apothekenteams. Zum Abschluss in Dresden meldete sich per Videobotschaft sogar Michael Kretschmer (CDU): „Sie kämpfen für das richtige Ziel, ich bin an Ihrer Seite“, sagte der sächsische Ministerpräsident.

Zurück zur Diplomatie?

Nun kehrt gegen Ende des Jahres erst einmal wieder Ruhe in den Apothekenalltag ein. Für die kommenden Wochen hat Overwiening angekündigt, dass wieder verstärkt das politische Gespräch gesucht wird. Der Druck auf die Abgeordneten in Berlin soll erhöht werden, um auf das parlamentarische Verfahren zu Lauterbachs Apothekenplänen Einfluss nehmen zu können. Es wird sich zeigen, wie ernst es etwa Ministerpräsident Kretschmer mit seinen Worten ist und wie nachdrücklich der November wirken wird – und ob die Apothekerschaft nicht bald wieder Proteste organisieren muss. |

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