Klinische Pharmazie – POP

Eine Patientin mit starker Diarrhö und generalisiertem Juckreiz

Die 88-jährige Frau Neumann leidet sehr unter anhaltender Diarrhö und generalisiertem Juckreiz. Durch die Diarrhö ist sie mittlerweile in einem kritischen Allgemeinzustand. Verschiebungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes lassen einige Arzneimittel in der Polymedikation zu einem Risiko werden. Zudem ist die Patientin nicht mehr in der Lage, die ambulante medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Erst im Krankenhaus gelingt es, mit einer entzündlichen Erkrankung die Ursache zu identifizieren und die richtige Therapie einzuleiten. Ein weiteres Risiko für die Arzneimitteltherapiesicherheit ergibt sich an den Schnittstellen ambulant/stationär. Die Medikationsanalyse ist in diesem Fall hilfreich, um einige der Risiken aufzufangen und um zu prüfen, ob neben medizinischen auch arzneimittelbedingte Probleme vorliegen. |  Von Dorothee Dartsch und Olaf Rose

In diesem Beitrag lernen Sie unter anderem:

  • wo die Ursachen einer chronischen Diarrhö liegen können,
  • wie eine sogenannte mikroskopische Kolitis behandelt wird,
  • wie die eingeschränkte Nierenfunktion die Dosierung beeinflusst,
  • welche medikamentösen Auslöser hinter einem Juckreiz stecken;
  • wie pharmakokinetische und -dynamische Veränderungen die Aussagekraft eines therapeutischen Drug Monitoring beeinflussen,
  • mit welchen Maßnahmen Sie sich direkt an die Patientin wenden können.

Daten

→ Patientensituation erfassen

→ Arzneimittel- und Therapie­daten recherchieren

– Kommunizieren –

Die Patientin und ihre Hauptbeschwerden

Frau Neumann, 88 Jahre, ehemalige Verkäuferin in einem Baumarkt, lebt mit ihrem Mann alleinversorgend. Sie haben eine Tochter. Die Patientin beschreibt als Hauptbeschwerden eine heftige wässrige, unblutige Diarrhö seit ca. vier Wochen und quälenden generalisierten Juckreiz. Gegen die Diarrhö hat sie, teils auf Rat des neuen Hausarztes (der bisherige hatte seinen Standort gewechselt), teils in der Selbstmedikation, Loperamid und Probiotika mit Saccharomyces boulardii bzw. Bifidobakterien versucht. Weil nichts davon Wirkung gezeigt habe, habe sie alles nach jeweils zwei bis drei Tagen wieder abgesetzt. Ebenso erfolglos verwendet sie gegen den generalisierten Juckreiz Cetirizin- und Ebastin-Tabletten sowie Dermatika mit Polidocanol bzw. Linolsäuren. Auf besonders betroffenen Hautpartien wurden auch Dermatika mit Corticostero­iden oder Pimecrolimus eingesetzt. Davon abgesehen würde sie die Zahl ihrer Medikamente sehr gerne reduzieren. Tabelle 1 zeigt ihre Medikation.

Tab. 1: Medikation von Frau N.
Wirkstoff
Stärke
Dosierung
Quelle
Torasemid AL
10 mg Tabletten
3-1-0
BMP
Candesartan ABZ
16 mg Tabletten
1-0-1
BMP
Spironolacton Accord
25 mg Filmtabletten
1-0-0
BMP
Forxiga
10 mg Filmtabletten
1-0-0
BMP
Metoprololsucc. 1A
95 mg Retardtabletten
1-0-1
BMP
Digitoxin AWD
0,07 mg
1-0-0
BMP
Apixaban
2,5 mg Filmtabletten
1-0-1
BMP
Budenofalk
3 mg magensaftresistente Hartkapseln
1-0-0
BMP
Loperamid akut Aristo (neu, Privatrezept)
2 mg Tabletten
1-0-1
WW
S. boulardii (Yomogi®) (neu, Privatrezept)
250 mg Hartkapseln
n.a.
WW
Prednisolon AL
5 mg Tabletten
1-0-0
BMP
Sertralin 1A Pharma
50 mg Filmtabletten
1-0-0
BMP
Tilidin AL comp.
100 mg/8 mg Retardtabletten
1-0-1
BMP
Metamizol Zentiva
500 mg Filmtabletten
1-0-1
BMP
Cetirizin ABZ (neu, Privatrezept)
10 mg Filmtabletten
0-0-1
WW
Ebastin Aristo
10 mg Filmtabletten
1-0-0
BMP
Allopurinol Indoco
100 mg Tabletten
1-0-0
BMP
Dekristol
20.000 IE
einmal wöchentlich
BMP

mögliche Quellen für die Auskunft zur Medikation können sein: BMP: bundeseinheitlicher Medikationsplan; MP: Medikationsplan vom Arzt; ML: Medikationsliste vom Patienten; P: Auskunft vom Patienten; BB: brown bag; A: Auskunft vom Arzt; D: Auskunft Dritter; E: Entlassbrief, WW: Warenwirtschaft

Besonderheiten

Frau Neumann bekommt ihre Tabletten in einer Wochenbox von der Tochter gestellt. Sie selbst kann nicht sagen, welches Arzneimittel sie für welche Indikation nimmt. Auch sucht sie nach Möglichkeiten, die Zahl ihrer Tabletten zu reduzieren, und nimmt aktuell nur eine Torasemid-Tablette morgens. Ihre Tochter setzt dies entsprechend um. Etwa eine knappe Woche zuvor hat der Arzt nach auffälligem Laborbefund (s. „Untersuchungen“) Pivmelam (1-1-1 für drei Tage) verordnet. Frau Neumann hat verstanden, dass das statt des Budesonids gegen ihre Diarrhö sei, und daraufhin das Corticoid abgesetzt.

Aktuell ist Frau Neumann in sehr schlechter Verfassung, denn durch die noch verstärkte Diarrhö ist sie stuhl­inkontinent und ans Haus gebunden. Ein Gang zum Arzt ist nicht möglich, und ihr Hausarzt unternimmt keine Hausbesuche. Da sie auch die Apotheke nicht aufsuchen kann, erfolgt die Kommunikation mit ihr telefonisch.

Diagnosen

Diagnostisch gesichert sind auf kardiologischem Gebiet Hypertonie, Mitralinsuffizienz und Vorhofflimmern. Sie hatte bereits zweimal Thromboembolien (eine tiefe Venenthrombose vor zwölf und eine Lungenembolie vor sechs Jahren). Als Folge der Hypertonie liegt ophthalmologisch ein Fundus hypertonicus beidseits vor. Als Stoffwechselerkrankungen sind Hyperlipidämie und Hyperurikämie diagnostiziert. Auf orthopädischem Gebiet liegen eine Spinal­kanalstenose, ein Lendenwirbel­säulen-Syndrom (LWS) sowie eine Arthrose der rechten Schulter vor. Immunologisch besteht seit zehn Jahren eine rheumatoide Arthritis. Im Frühjahr dieses Jahres kam eine mikroskopische Kolitis hinzu. Psychiatrisch wurden Klaustrophobie, Panik­attacken und Depression festgestellt. Ferner ist unter den Diagnosen seit vier Jahren eine chronische Niereninsuffizienz aufgeführt. Die zeitliche Entwicklung ist in Abb. 1 gezeigt.

Abb. 1: Zeitachse der Diagnosen

Untersuchungen

Die neuesten verfügbaren Labordaten sind sechs Monate alt. Zu dem Zeitpunkt lag das Serumkreatinin bei 1,73 mg/dl [Referenz: < 1,0 mg/dl], die Tendenz ist seit 2021 steigend, die eGFR nach CKD-Epi ist mit 26 ml/min pro 1,73 m² angegeben. Der Hb-Wert und das Hämatokrit waren hochnormal, Leber- (AST, ALT) und Schild­drüsenwerte sowie Blutzuckerspiegel unauffällig. Werte für Elektrolyte liegen nicht vor. Der aktuellste LDL-Cholesterol-Wert ist knapp anderthalb Jahre alt und betrug 232 mg/dl [Referenz: < 190 mg/dl], HDL-Cholesterol 43 mg/dl [> 45 mg/dl] und Gesamtcholesterol 344 mg/dl [< 290 mg/dl]. Einige Tage zuvor gab es außerdem einen positiven Harntest auf Nitrit, Leukozyten (++) und Glucose (+).

Grund für die Medikations­analyse

Diarrhö und Juckreiz belasten Frau Neumann enorm. Die anhaltende Diarrhö stellt zudem durch Verschiebungen im Wasser- und Elektrolythaushalt bereits für sich ein medizinisches Risiko dar. Zusätzlich ist mit Digitoxin ein Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite im Spiel, dessen Pharmakodynamik vom Serumkalium-Wert abhängt und das unter Umständen zu letalen Arrhythmien führen kann.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die Hauptprobleme? Worauf sollte in der Analyse und in der Intervention der Fokus gelegt werden? Was halten Sie für weniger dringend, sodass eine Intervention auf später verschoben werden kann? Was können Sie direkt mit der Patientin besprechen, was richtet sich an den Arzt?
 

Analyse

Informationen ordnen:

→ Probleme identifizieren

→ Prioritäten festlegen

– Verarbeiten –

Die Analyse erfolgt unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven, die sich in ihrer Priorisierung und ihren Rahmenbedingungen durchaus unterscheiden können.

Patientenperspektive

Vordringlich für Frau Neumann ist die Behandlung der Diarrhö und des Juckreizes. Beides beeinträchtigt enorm ihr physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden und erschwert die medizinische Versorgung erheblich. Zugleich ist sie sehr bestrebt, die Zahl ihrer Arzneimittel zu reduzieren, und setzt Therapien schnell wieder ab, wenn sie keine Wirkung verspürt.

Medizinische Perspektive

Arztkontakt außerhalb einer Notfallversorgung ist aktuell unmöglich, wäre aber essenziell, um eine umfassende Diagnostik als Voraussetzung einer erfolgreichen Therapie der Diarrhö durchzuführen. Wegen der potenziellen Dehydrierung und des Elektrolytverlustes (Natrium-, Kalium-, Magne­sium-, Chlorid-Ionen) ist die Situation medizinisch akut gefährlich und kann in einen Kreislaufkollaps münden. Auch der generalisierte Juckreiz kann ein Warnsignal sein, z. B. für eine weiter verschlechterte Nierenfunktion mit Urämie. Frau Neumann sollte entweder einen mobilen ärztlichen Notdienst in Anspruch nehmen oder sich in ein Krankenhaus bringen lassen.

Leitlinienperspektive

Leitlinien zu Diarrhö-assoziierten Erkrankungen gliedern sich im Wesentlichen in solche zu gastrointestinalen Infektionen, entzündlichen Darmerkrankungen, Motilitätsstörungen und onkologischen Supportivtherapien. Mögliche Ursachen für chronische Diarrhö im Allgemeinen sind im Kasten „Ursachen chronischer Diarrhö“ aufgeführt.

Eine onkologische Therapie mit Diarrhö als unerwünschter Wirkung liegt hier nicht vor. Die mikroskopische Kolitis, die bei der Patientin vor einer Weile festgestellt wurde, gehört zu den entzündlichen Dick­darmerkrankungen und ist in einer eigenen Leitlinie beschrieben:

Mikroskopische Kolitis: chronisch-entzündliche Erkrankung des Dickdarms, die durch (fast) normale endoskopische Befunde und anhaltende wässrige, nichtblutige Diarrhö gekennzeichnet ist. Ungeachtet des Subtyps besteht die Therapie der Wahl zur Remissionsinduktion aus Budesonid p. o. dreimal täglich 3 mg über sechs bis acht Wochen. Nach Remission kann der Versuch unternommen werden, auf eine Erhaltungstherapie zu verzichten, andernfalls erfolgt die Therapie mit der niedrigsten wirksamen Budesonid-Dosis langfristig. Zweite Wahl können Azathioprin, Tumornekrose-Faktor α-Inhibitoren (Adalimumab, Infliximab) oder Vedolizumab sein. In leichten Fällen und bei Unverträglichkeiten kann Loperamid eingesetzt werden, obwohl die Evidenz dünn ist. Falls Gallensalze an der Ätiologie beteiligt sind, können Colestyramin oder Colesevelam verwendet werden. Von Antibiotika, anderen Corticosteroiden als Budesonid, Mesalazin, Methotrexat und Probiotika rät die Leitlinie ab [2].

Die Leitlinie zur Venenthrombose und Lungenembolie [3] unterscheidet die Phasen der Therapie und der Rezidivprophylaxe. Frau Neumann befindet sich in der Phase der Rezidivprophylaxe. Wichtig sind hier die Abschätzung und regelmäßige Neubewertung des Risikos einer weiteren Thromboembolie bei Untertherapie einerseits und des Blutungsrisikos bei Übertherapie andererseits. Für diese Indikation sind in Deutschland die direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban, der direkte Thrombin-Inhibitor Dabigatran und die Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon und Warfarin zugelassen. Frau Neumann wird mit Apixaban behandelt. In der Erhaltungstherapie ist laut Leitlinie zunächst eine Dosis von zweimal täglich 5 mg vorgesehen. Eine Anpassung an die Nierenfunktion soll unterhalb einer GFR von 15 ml/min erfolgen. Nach drei bis sechs Monaten werden die Risiken erneut bewertet. Bei Entscheidung zur Fortsetzung der Antikoagulation wird eine „Niedrigdosistherapie“ empfohlen, das heißt für Apixaban zweimal täglich 2,5 mg.

Die Therapie des Vorhofflimmerns folgt gemäß Leitlinie [4] einem „ABC-Pfad“: Antikoagulation – bessere Symptomkontrolle – cardiovaskuläre Risikofaktoren. Als Antikoagulanzien in der ambulanten Situation sind direkte orale Faktor Xa- oder Thrombininhibitoren oder Vitamin-K-Antagonisten die erste Wahl. Medikamentöse Symptomkontrolle erfolgt primär als Frequenzkontrolle mit Betablockern, Diltiazem, Verapamil oder (nachgeordnet) mit Digitalis und sekundär als Rhythmuskontrolle mit Antiarrhythmika. Die Pharmakotherapie kardiovaskulärer Risiko­faktoren umfasst die Behandlung von Hypertonie, Herzinsuffizienz, Koronar­erkrankungen, Diabetes und Schlafapnoe (hinzu kommt die nicht-medikamentöse Beeinflussung der Risikofaktoren Körpergewicht, Alkohol/Kaffee, Bewegung).

Juckreiz kann medizinische oder Arzneimittel-bedingte Ursachen haben. Für die Diagnostik ist wichtig, ob es sich um generalisierten oder lokalen sowie Pruritus mit oder ohne sichtbare Hautveränderungen handelt. Die häufigste Ursache für generalisierten Pruritus ist senile Xerose, also altersbedingte Hauttrockenheit. Auch Niereninsuffizienz sowie Leber- und Gallenerkrankungen können beteiligt sein, ebenso endokrine, metabolische, psychiatrische und neurologische Störungen. Die Therapie besteht in der Identifizierung und Behandlung der Ursache, außerdem in feuchtigkeitsspendender Haut­pflege, H1-Antihistaminika (trotz kaum vorhandener Evidenz und häufig fehlender Wirksamkeit) und topischen Steroiden (bei ekzematösen Veränderungen). Pregabalin und Gabapentin sind z. B. bei Dialyse-bedingtem Pruritus eine Option. [6]

Ursachen chronischer Diarrhö [1]

häufig

  • funktionelle Darmerkrankungen (inkl. Reizdarm)
  • Gallensäure-bedingte Diarrhö
  • ernährungsbedingt
  • Kolonkarzinom
  • entzündliche Darmerkrankungen: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, mikroskopische Kolitis
  • Zöliakie
  • Arzneimittel (s. Tab. 2)
  • paradoxe (Überlauf-) Diarrhö

seltener

  • Dünndarm-Fehlbesiedlung
  • Mesenterialinfarkt
  • Lymphom
  • chronische Pankreatitis
  • chirurgische Eingriffe: z. B. Dünndarmresektion, Eingriffe wegen fäkaler Inkontinenz, interne Fisteln
  • Strahlenenteropathie
  • Pankreaskarzinom
  • endokrine Auslöser: Hyperthyreose, Diabetes, Hypoparathyreoidismus, Morbus Addison
  • Giardia-Infektion (u. a. chronische Infektionen)

sehr selten

  • andere Dünndarmentero­pathien: Morbus Whipple, tropische Sprue, Amyloidose, intestinale Lymphangiektasie etc.
  • autonome Neuropathie
  • hormonproduzierende Tumore
  • Laxanzienabusus

Arztperspektive

Entsprechend der medizinischen Perspektive steht für den Arzt im Vordergrund, durch adäquate Diagnostik die Ursache der Diarrhö zu klären und sie zu stoppen. Da sie bereits lange anhält, ist ebenfalls zu klären, ob die Elektro­lyte sich noch innerhalb der Referenzwerte befinden. Wenn die Kolitis ursächlich ist, gibt es aktuell keinen Grund, von der Leitlinie abzuweichen, denn das Budesonid wurde bis dato gut vertragen. Die Antikoagulation entspricht der empfohlenen Niedrig­dosistherapie zur Rezidivprophylaxe, was angesichts zweier schwerwiegender Ereignisse (tiefe Venenthrombose und Lungen­embolie) und der dauerhaft bestehenden Risikofaktoren adäquat erscheint. Zudem deckt die Therapie die Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern ab. Eine Neubewertung wäre erforderlich, wenn entweder trotz der Antikoagulation erneut embolische Ereignisse oder aber Blutungskomplikationen eintreten. Für das Vorhofflimmern werden neben dem Antikoagulans ein Betablocker und ein Digitalis-Präparat eingesetzt. Letzteres ist inzwischen besonderen Umständen vorbehalten, vor allem beim gleichzeitigen Vorliegen von Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion, und kann dann in einer Dosis von 0,05 bis 0,1 mg/Tag mit einem Betablocker kombiniert werden. Die geringe therapeutische Breite ist allerdings gerade im Alter kritisch.

Apothekerperspektive

Der Fokus des Apothekers in Bezug auf die akute Situation liegt auf der Prüfung der Medikation auf potenzielle Auslöser der Beschwerden Diarrhö und Juckreiz. Obwohl die mikroskopische Kolitis am ehesten die Ursache der Diarrhö darstellt und die dahingehende Diagnostik im Vordergrund steht, sollten auch medikamentöse Ursachen (s. Tab. 2) bedacht werden, um unnötige weitere Untersuchungen und Kosten zu sparen. Dabei erfordert die eingeschränkte Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance 22 ml/min) gegebenenfalls auch eine Prüfung der Dosierung.

Für den Juckreiz gilt ebenfalls, dass es mit seniler Xerose und chronischer Niereninsuffizienz wahrscheinliche medizinische Ursachen gibt, dass aber auch unter den Arzneimitteln Auslöser sein könnten. Die folgenden Wirkstoffe und Gruppen sind im Allgemeinen am häufigsten beteiligt: Opioide, Benzo­diazepine, Carbamazepin, NSAR, Tumortherapeutika, Diuretika, Digitalis, Enalapril, Amiodaron, Betalactam-Antibiotika, weibliche Sexualhormone inkl. hormonelle Kontrazeptiva [6]. Gefürchtet sind Überempfindlichkeitsreaktionen im Zusammenhang mit Allopurinol: DRESS (Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen), Stevens-Johnson-Syndrom [SJS] und die toxisch epidermale Nekrolyse [TEN]). Sie treten in der Regel in den ersten Wochen der Therapie auf. Kennzeichnend sind Exanthem, Fieber, Schwellung der Lymphknoten und Blutbildveränderungen, beim SJS und der TEN auch schmerzhafte Blasen­bildung und Ulzerationen.

Weitere potenzielle arzneimittelbezo­gene Probleme können in den diversen Einflüssen auf den Wasser- und Elektrolythaushalt (speziell die Kalium-Konzentration), der (Nicht-)Beachtung der eingeschränkten Nierenfunktion für die Dosierung und Kontraindikationen sowie der TDM-pflichtigen Digitoxintherapie bestehen. Zusätzlich muss bei Frau Neumann ein erhöhtes Risiko für Einnahmefehler vermutet werden, bedingt durch potenziell mangelnde Adhärenz: Sie kennt die Wirkstoffe und ihre Indikationen nicht, und die Versorgung in Form des Stellens der Tabletten erfolgt durch einen medizinischen Laien (die Tochter). Sie teilt mit ihrer Mutter offensichtlich eine deutliche Skepsis gegenüber der Arzneimitteltherapie.

Nichtpharmakologische Perspektive

Für die Versorgung der Patientin wäre die Einbindung eines mobilen Pflegedienstes hilfreich, der zumindest wöchentlich die Arzneimittel stellt.

 

Beurteilung

→ Patientenziele formulieren

→ medizinische Ziele formulieren

→ Lösungen finden

– Abwägen –

Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven und daraus resultierender arzneimittelbezogener Probleme.

→ Arzneimittelbezogene Probleme

Arzneimittelbezogene Probleme (ABP) (Code nach aktueller PCNE-Klassifikation):

  • ABP 1: Untertherapie der Kolitis durch mangelnde Adhärenz (P1.3; C7.1)
  • ABP 2: Diarrhö als potenzielle unerwünschte Wirkung von Sertralin, Digitoxin (P2.1; C9.3 [Sertralin] bzw. C9.1 [Digitoxin])
  • ABP 3: Juckreiz als potenzielle unerwünschte Wirkung von Allopurinol (P2.1; C9.1)
  • ABP 4: Kalium-Verschiebung durch Candesartan, Spironolacton, Torasemid und Prednisolon sowie Hyponatriämie durch Torasemid und Sertralin (P2.1; C1.3)
  • ABP 5: Exsikkoserisiko unter Diarrhö verstärkt durch Torasemid, Dapagliflozin (P2.1; C1.3)

Rationale und Abwägung

In aller Regel gibt es in der Pharmakotherapie und erst recht im interprofessionellen Medikationsmanagement verschiedene Ansätze und Meinungen, welche Ziele formuliert werden sollen und wie sie erreicht werden können. In der täglichen Praxis muss aus den verschiedenen Perspektiven abgeschätzt werden, was realistisch, umsetzbar und voraussichtlich effektiv und sicher ist (Clinical Reasoning):

Untertherapie der Kolitis durch mangelnde Adhärenz: Die fortgesetzte Diarrhö bestand bereits, bevor Frau Neumann das Budesonid abgesetzt hat. Das lässt darauf schließen, dass die Tagesdosis von 3 mg bereits zu niedrig war. Wenn eine infektiöse Ursache (z. B. mit C. difficile) diagnostisch ausgeschlossen werden kann, sollte der Leitlinie folgend eine Induktionstherapie mit einer Tagesdosis von 9 mg beginnen, denn die Verträglichkeit war gegeben. Eine erneute Deeskalation sollte erst in Betracht gezogen werden, wenn die Entzündung abgeklungen ist und sich die Situation normalisiert hat. Sehr wichtig ist es, Frau Neumann verständlich zu machen, warum diese Therapie wichtig ist, und auch, dass sie nur in der gewählten Dosierung ausreichend wirksam ist.

Für den eiligen Leser

Für die mikroskopische Kolitis ist Budesonid 9 mg/Tag die Standardtherapie. In manchen Fällen kann nach acht Wochen eine Deeskalation in Form einer Dosisreduktion versucht werden. Manche Patienten benötigen allerdings eine langfristige oder dauerhafte Therapie. Die notwendige Dosis muss dann individuell bestimmt werden: so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig.

Diarrhö als potenzielle unerwünschte Wirkung von Sertralin, Digitoxin: Diese Therapien bestehen schon deutlich länger als die seit einigen Wochen verzeichnete Diarrhö und sind daher vermutlich keine Auslöser. Dennoch ist Digitoxin kritisch zu sehen. Eine Anpassung an die Nierenfunktion ist zwar nicht nötig, da Digitoxin hepatisch eliminiert wird, aber die Wirksamkeit ist abhängig von der Kalium-Konzentration im Serum. Therapeutisches Drug Monitoring sollte definitiv erfolgen, bei Kalium-Konzentrationen außerhalb des Referenzbereichs ist es jedoch nur bedingt hilfreich: Selbst bei Digitoxin-Konzentrationen im therapeu­tischen Bereich können dann unerwünschte Wirkungen auftreten, weil Kalium die Pharmakodynamik, und nicht die Pharmakokinetik der Digitalisglykoside verändert. Da zusätzlich Digitalis-Präparate in der Therapie des Vorhofflimmerns nur noch in seltenen Fällen angemessen sind, sollte kardiologisch geprüft werden, ob hier ein Verzicht möglich ist und die Symptomkontrolle auch durch den Betablocker allein zufrieden­stellend erfolgen kann.

Für den eiligen Leser

Therapeutisches Drug Monitoring ist hilfreich, wenn pharmakokinetische Vorgänge verändert sind, denn diese Veränderungen wirken sich auf den Plasmaspiegel aus. Bei pharmakodynamischen Veränderungen (z. B. einer erhöhten Digitalisempfindlichkeit bei Hypokaliämie) ist ein Spiegel im therapeutischen Bereich allerdings keine Garantie für Verträglichkeit, weil der therapeutische Bereich nach unten (in Richtung niedrigerer Konzentrationen) „verschoben“ ist.

Juckreiz als potenzielle unerwünschte Wirkung von Allopurinol: Zwar findet sich unter den Interaktionen mit Allopurinol plus Diuretikum eine potenziell kritische in Bezug auf Hautreaktionen, jedoch wäre hier eher der Typ „Hautausschlag/Exanthem“ zu erwarten als ein generalisierter Pruritus ohne Hautbild­veränderungen. Der zeitliche Bezug scheint auch nicht gegeben, da die Therapie schon seit Jahren läuft, der Juckreiz aber erst in der jüngeren Vergangenheit eingesetzt hat. Zudem hat sich die Interaktion zwischen Allopurinol und Diuretika eher unter HCT als unter Torasemid gezeigt. Die aktuelle EULAR-Leitlinie [7] empfiehlt, eine Allopurinol-Therapie aufrechtzuerhalten, sofern sich keine konkreten Probleme daraus ergeben. Sie schützt sowohl vor erneuten Gichtanfällen als auch speziell die Niere vor Urat-Steinen. Acetylsalicylsäure und Statin sollten generell unter Allopurinol beibehalten, Hydrochlorothiazid (HCT) möglichst durch ein anderes Diuretikum ersetzt werden.

Für den eiligen Leser

Wenn unter einer Allopurinol-Therapie – vor allem unter einer vor wenigen Wochen begonnenen – ein zunehmender Hautausschlag, ein Exanthem, Blasenbildung oder Schleimhautläsionen auftreten, muss die Therapie sofort beendet werden. Es könnte ein Stevens-Johnson-Syndrom oder eine ähnlich schwerwiegende Hypersensitivitätsreaktion vorliegen.

Kalium-Verschiebung durch Candesartan, Spironolacton, Torasemid und Prednisolon: Selbst ohne Diarrhö wäre es nicht möglich, die Nettobilanz für das Serumkalium zu schätzen. Zudem fehlen die Elektrolytwerte für eine Beurteilung, ob es sich nur um potenzielle oder um manifeste Probleme handelt. Die Elektrolyte Natrium und Kalium sollten regel­mäßig (gemäß der in Überarbeitung befindlichen Leitlinie „Medikamentenmonitoring“ mindestens halbjährlich) bestimmt werden [8].

Exsikkoserisiko unter Diarrhö verstärkt durch Torasemid, Dapagliflozin: Das Schleifendiuretikum und der SGLT-2-Inhibitor erfüllen hier mehrere Funktionen. Neben einer leichten Blutdrucksenkung, Vorlastsenkung und symptomatischen Verbesserung der Belastbarkeit dienen beide durch die Diurese auch der Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz. Dass die Niereninsuffizienz für SGLT-2-Inhibitoren keine Kontra-, sondern eine Indikation darstellt, hat sich erst nach der ursprünglichen Zulassung als Antidiabetika in klinischen Studien gezeigt [9, 10]). Vorsicht ist im Fall akuter Erkrankungen geboten, die mit einem Volumenmangel einher­gehen (z. B. Diarrhö). Dann ist der Volumenstatus anhand von körper­licher Untersuchung, Messung des Blutdrucks sowie Labortests wie Hämatokrit und Elektrolythaushalt zu überwachen und Dapagliflozin gegebenenfalls zu pausieren. Diese Situation ist hier sehr wahrscheinlich gegeben und erfordert dringend eine Elektrolytbestimmung, ärztliche Einschätzung und dann Anpassung der Medikation, damit eine Exsikkose und ein akutes Nierenversagen infolge des Volumenmangels vermieden werden. Ein Nachteil der SGLT-2-Inhibitoren ist die Begünstigung von Harnwegsinfekten, die auch bei Frau Neumann wiederholt aufgetreten sind.

Für den eiligen Leser

SGLT-2-Inhibitoren wurden als Antidiabetika entwickelt und waren anfangs bei Niereninsuffizienz kontraindiziert, weil der Wirkmechanismus vermuten ließ, dass sie unterhalb einer bestimmten GFR keine Wirkung mehr hätten. Klinische Studien haben gezeigt, dass die Wirkstoffe auch bei Herz- und entgegen der theoretischen Überlegung sogar bei Niereninsuffizienz einen therapeutischen Nutzen haben.

Intervention

→ Vorschläge mit dem besten Nutzen-Risiko-Verhältnis einbringen

→ Therapieverantwortung übernehmen

– Kooperieren –

Fazit und Plan

Frau Neumann ließ sich auf dringende Empfehlung ins Krankenhaus einweisen. Der mitgelieferte Medikationsplan aus der Apotheke konnte Klarheit über die verschiedenen Verordnungen und Therapieversuche geben, da es ein Freitagnachmittag und die Hausarztpraxis geschlossen war. Stationär wurde ein akuter Schub der Kolitis diagnostiziert und Budesonid mit 9 mg/Tag angesetzt. Eine Clostridien-Infektion konnte ausgeschlossen werden. Der Zustand der Patientin besserte sich unter dem Budesonid erheblich, sodass die Kolitis als Ursache der Diarrhö mit großer Sicherheit angenommen werden kann. Als Ursache des Pruritus wird nach dermatologischem Konsil eine senile Xerose postuliert, die durch den akuten Volumenmangel verstärkt wurde. Die Hypovolämie führte außerdem zu einem akut-auf-chronischen Nierenversagen (AKIN-Grad I nach den Kriterien des Acute Kidney Injury Network AKIN). Das Serumkreatinin lag bei 3,02 mg/dl (Referenz 0,5 bis 0,9), es ergibt sich nach CKD-Epi eine eGFR von 15 ml/min pro 1,73 m². Der Serumkalium-Wert war leicht erhöht, Natrium und Calcium lagen im Referenzbereich. Blutbild, INR, Kreatinkinase, Leber-, Schild­drüsen- und Infektparameter waren unauffällig. Spironolacton, Digitoxin, Allopurinol, Dapagliflozin und Torasemid wurden zunächst pausiert und dann mit Ausnahme von Dapagliflozin und Allopurinol vor der Entlassung sukzessive wieder angesetzt. Die aktuelle Medikation nach der Entlassung ist in Tabelle 3 angegeben. Apixaban wurde zunächst weder im Entlassbrief noch im danach durch den Hausarzt erstellten Medikationsplan erwähnt, obwohl der Entlassbrief den CHA2DS2-VASc-Score zur Risiko­abschätzung eines Schlaganfalls bei Vorhofflimmern mit 6 angab. Es wurde umgehend ergänzt, nachdem das Fehlen in der Medikationsanalyse auffiel.

Für die nahe Zukunft ist der wei­tere Plan, zunächst die gesamte Entwicklung mit Frau Neumann zu besprechen, gegebenenfalls auch wiederholt, um ihr Krankheits- und Therapieverständnis zu erhöhen. Letztlich muss davon aus­gegangen werden, dass das Missverständnis um das Antibiotikum (gegen Harnwegsinfekt) als vermeintlicher Ersatz für das Budesonid bei bereits vorliegender Tendenz zu vermehrter Diarrhö die Situation zum Kippen gebracht hat. Ein wichtiger Schritt zu mehr Arzneimitteltherapiesicherheit würde auch in der Involvierung eines Pflegedienstes bestehen. Dies wird ihr daher dringend empfohlen. Des Weiteren soll eine Neubewertung der kardiologischen Therapie insbeson­dere hinsichtlich des Digitoxins erfolgen. Wegen der ulkogenen Wirkung des Prednisolons wäre auch ein Protonenpumpenhemmer in Erwägung zu ziehen. Da mit einem LDL-Chole­sterol-Wert über 200 mg/dl eine familiäre Hypercholesterinämie vorliegen dürfte, was im Allgemeinen eine Indikation für eine lipidsen­kende Therapie maximaler Intensität darstellt (Rosuva­statin 40 plus Ezetimib oder sogar PCSK9-Hemmer), sollte dies erwogen werden – auch wenn dieser Aspekt akut und angesichts des hohen Alters hier nicht im Vordergrund steht.

 

Evaluation

→ Interventionsergebnis erfragen

→ Entwicklung der Hauptbeschwerden beurteilen

→ Status der ABP beurteilen

– Bewerten –

Das Allgemeinbefinden und eventuelle neue Diarrhö-Episoden stehen bis zur Stabilisierung des Zustandes im Vordergrund. Wichtige Monitoringparameter sind flankierend dazu: Blutdruck, Kreatinin, Natrium und Kalium (für Nierenfunktion, Wasserhaushalt und wegen der Diuretika mit Candesartan), Vitamin D und Calcium (wegen des Prednisolons), Harnstoff (wegen des Juckreizes und möglicher Urämie), Harnsäure (um gegebenenfalls das Allopurinol rechtzeitig wieder anzusetzen, bevor es zu Gicht­anfällen kommt) sowie der Digitoxin-Spiegel (s. Tab. 3)

Tab. 3: Überblick über die Interventionen und perspektivische Evaluation
Wirkstoff
Stärke
Dosierung
Evaluation
Kommentar
Absetzen:
Dapagliflozin
10 mg
1-0-0
Blutdruck, Serumkreatinin
Allopurinol
100 mg
1-0-0
Harnsäure, Tophi, Gichtanfälle
bei mehr als 80% kommt es nach Absetzen zu erneuten Gichtanfällen
Gabe von (sortiert nach Einnahmezeitpunkten):
Prednisolon
5 mg
1-0-0
Knochendichte
Sertralin
50 mg
1-0-0
Torasemid
10 mg
2-0-0
Na, K, Serumkreatinin
wurde reduziert
Spironolacton
25 mg
1-0-0
Kalium-Kontrolle!
Candesartan
16 mg
0,5-0-0
Kalium-Kontrolle!
wurde reduziert
Digitoxin
0,07 mg
1-0-0
therapeutisches Drug Monitoring
Tilidin / Naloxon
100 mg/ 8 mg RET
1-0-0
Metamizol
500 mg
1-1-1
Budenosid
3 mg
1-1-1
Induktionstherapie für acht Wochen, gegebenenfalls länger
Metoprololsuccinat
95 mg
0,5-0-0,5
wurde reduziert
Apixaban
2,5 mg
1-0-1
Creme: Urea, Polidocanol
ein- bis zweimal täglich
Juckreiz, Serumharnstoff
Urämie als potenzielle Ursache im Kopf behalten
Cetirizin
10 mg
bei Bedarf einmal täglich
Vitamin D
20.000 IE
einmal wöchentlich

Diskussion

Dieser Fall lässt erkennen, wie prekär die akute medizinische Versorgung mitunter sein kann. Hier wurde der Zeitpunkt für einen Besuch der Arztpraxis verpasst, sodass sich der Zustand der Patientin zusehends verschlechterte und letztlich nur die Notfallversorgung blieb, da die hausärzt­liche Versorgung in diesem Fall keine Hausbesuche ermöglichte. Auch der erst kürzlich erfolgte Hausarztwechsel, die Skepsis gegenüber medikamentöser Therapie und die Diarrhö-bedingte Stuhlinkontinenz als Tabuthema mögen eine Rolle für diesen Verlauf gespielt haben. Ein weiteres kritisches Problem trat infolge mangelnder Informationsweitergabe an der Schnittstelle stationär-ambulant auf. Hier sind die niederschwellige Erreichbarkeit und Lotsenfunktion zusammen mit der Kompetenz zur klinisch-pharmazeutischen Medikationsanalyse der Vor-Ort-Apotheke ein wichtiger Faktor, um den Ausgang aus einer solchen Sackgasse zu finden und die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verstärken. |

Praxistransfer

Was Sie gleich tun können, um das Gelesene anzuwenden:

  • Bei Patienten mit Polymedika­tion: Gleichen Sie bei Verordnungen von Loperamid oder entsprechenden Selbstmedika­tionswünschen die sonstige Medikation des Patienten mit der Tabelle 2 ab, ob sich medikamentöse Auslöser finden lassen.
  • Juckreiz kann vielerlei Gründe haben, harmlose und kritischere. Suchen Sie auch hier anhand der obigen Aufzählung (s. „Apothekerperspektive“) nach medikamentösen Aus­lösern, wenn ein Patient über dauerhaften Juckreiz klagt. Information des Arztes über a) die Beschwerden an sich und b) die möglichen pharmazeutischen Ursachen stößt meist auf Interesse und kann helfen, Verordnungskaskaden zu vermeiden.
  • Etliche Polymedikationspatienten haben keinen Überblick darüber, welche Arzneimittel mit welchem Ziel eingesetzt werden und sind (evtl. auch deshalb) skeptisch, ob sie alles wirklich brauchen, ob alles gut für sie ist. Nennen Sie den therapeutischen Nutzen bei der Abgabe (z. B. schützt Ihren Magen, Ihre Gefäße, schützt Sie vor einem Schlaganfall …) und versuchen Sie herauszuhören, wie vertraut der Patient mit dem Arzneimittel ist.

Interessenkonflikte

Innerhalb der letzten drei Jahre erhielten die Autoren von folgenden Firmen und Institutionen Zuwendungen, inkl. Honorare, Übernachtungs- und Reisekostenerstattung:

Dorothee Dartsch: keine Interessenkonflikte

Olaf Rose: AbbVie, Novartis, Omnicell

 

Disclaimer

Die Behandlungsvorschläge der Patienten im Rahmen des Medikationsmanagements geben die persönliche Meinung der Autoren wieder. Sie beruhen auf einer sorgfältig vorgenommenen Analyse und Praxis-Bedingungen. Insofern sind sowohl alternative Ansätze und Ergebnisse vorstellbar als auch Abweichungen von der Zulassung oder Fachinformation möglich. Die Kasuistiken beruhen teils auf tatsächlichen Gegebenheiten, teils auf Ergänzungen und Fiktion. Ihren Pharmakovigilanz-Verpflichtungen sind die Autoren nach eigenem Ermessen und nach eigener Bewertung nachgekommen.

 

Literatur

 [1] Hiner GE, Walters JR. A practical approach to the patient with chronic diarrhoea. Clin Med (Lond) 2021;21(2):124-126

 [2] Miehlke S et al. European guidelines on microscopic colitis: United European Gastroenterology and European Microscopic Colitis Group statements and recommendations. United Eur Gastroenterol J 2021;9(1):13-37

 [3] Linnemann, B et al. Diagnostik und Therapie der tiefen Venenthrombose und Lungenembolie – AWMF-S2k-Leitlinie. Stand: 11. Januar 2023, https:/register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-002

 [4] Hindricks G et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation. Eur Heart J 2021;42(5):373-498

 [5] Philip NA et al. Spectrum of Drug-induced Chronic Diarrhea. J Clin Gastroenterol 2017;51(2):111-117

 [6] Satoh T et al. 2020 guidelines for the diagnosis and treatment of cutaneous pruritus. J Dermatol 2021;48(9):e399-e413

 [7] FitzGerald, JD et al. 2020 American College of Rheumatology Guideline for the Management of Gout. Arthritis Care Res 2020;72:744-760

 [8] Mainz A et al. Medikamentenmonitoring. S1-Leitlinie, AWMF-Registernr. 053/037. Stand: 09/2013, Version 1.1, letzter Zugriff: 19. Oktober 2023

 [9] Mende CW. Chronic Kidney Disease and SGLT2 Inhibitors: A Review of the Evolving Treatment Landscape. Adv Ther 2022;39(1):148-164, doi: 10.1007/s12325-021-01994-2

[10] Bailey CJ et al. Renal Protection with SGLT2 Inhibitors: Effects in Acute and Chronic Kidney Disease. Curr Diab Rep 2022;22(1):39-52

Autoren

Dr. Dorothee Dartsch, Apothekerin und Fachtoxikologin; Studium der Pharmazie an der Universität Hamburg; Leiterin der CaP Campus Pharmazie GmbH für Fortbildung im Gesundheitswesen, Schwerpunkt Klinische Pharmazie und E-Learning; Gastdozentin im Masterstudiengang AMTS an den Universitäten Bonn, Heidelberg und Tübingen

Dr. Olaf Rose, PharmD, Apotheker, ist Dozent für Pharmakotherapie an der PMU Salzburg und Universität Bonn im Masterkurs AMTS sowie Inhaber dreier Apotheken in Münster und Steinfurt. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medikationsmanagement, Pharmacy Practice und pharmazeutische Interventionen in kardiologischen und neurologischen Indikationen.

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