Arzneimittel und Therapie

Wärmestabilität von Insulin untersucht

Humaninsulin ist weniger temperaturempfindlich als bisher angenommen

Bisher wird empfohlen, Insulin im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern, nach erstmaligem Gebrauch sollte es nicht über 30 °C aufbewahrt werden. Ein aktueller Cochrane-Review wertete 17 Studien (22 Publikationen) sowie zusätzliche Informationen von pharmazeutischen Herstellern aus und kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Insulin kann monatelang bei Raumtemperatur aufbewahrt werden, ohne an Wirksamkeit zu verlieren.

In einer Pilotstudie wurde die Wirksamkeit von Insulin untersucht, das sechs Wochen lang in einem unglasierten Tonkrug bei Temperaturen zwischen 25 °C und 27 °C gelagert wurde. Bei acht gesunden Probanden war nach der Injektion von im Tonkrug gelagertem Insulin die durchschnittliche Senkung des Blutzuckerspiegels ähnlich wie mit der Injektion von im Kühlschrank gelagertem Insulin (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Ergebnisse der In-vitro-Studien

  • Drei Studien mit vorgefüllten Insulin-Spritzen, die die Insulin-Aktivität bei Temperaturen von 4 °C bis 23 °C für bis zu 28 Tage untersuchten, zeigten keinen klinisch relevanten Verlust der Insulin-Aktivität.
  • Neun Studien untersuchten ungeöffnete Ampullen und Patronen. In den Studien, die Lagerbedingungen zwischen 28,9 °C und 37 °C für bis zu vier Monate untersuchten, wurde für humanes kurz und mittellang wirkendes Insulin (short-acting human insulin [SAI], intermediate-acting insulin [IAI]) sowie Misch­insulin (MI) kein klinisch relevanter Verlust der Insulin-Aktivität festgestellt. Nur zwei Studien mit Lager­bedingungen von 37 °C berichteten über einen bis zu 18%igen Verlust der Insulin-Aktivität über den untersuchten Zeitraum von einer Woche bis 28 Tage.
  • In vier Studien wurden geöffnete Ampullen und Patronen bei Temperaturen von bis zu 37 °C für bis zu zwölf Wochen untersucht und kein klinisch relevanter Rückgang der Insulin-Aktivität beobachtet. In zwei Studien wurden Lagerbedingungen bei schwankenden Temperaturen von 25 °C bis 37 °C für bis zu zwölf Wochen analysiert. Dabei wurde kein Verlust der Aktivität für humanes kurz und mittellang wirkendes Insulin sowie Mischinsulin festgestellt.
  • Insgesamt vier Studien, zwei mit Ampullen (eine davon mit geöffneten Ampullen) und zwei mit vor­gefüllten Spritzen, untersuchten die Sterilität und stellten keine mikro­bielle Kontamination fest.

Daten von pharmazeutischen Herstellern

Vier Hersteller (Bioton, Eli Lilly and Company, Novo Nordisk, Sanofi) stellten bisher unveröffentlichte Daten zur Thermostabilität von Humaninsulin zur Verfügung, hauptsächlich für ungeöffnete Ampullen und Patronen. Die von Sanofi bereitgestellten Daten konnten nicht einbezogen werden, da das Unternehmen den Stopp der Herstellung von Insuman® Rapid, Basal und Comb 25 angekündigt hatte.

Foto: Aleksej/AdobeStock

In Regionen, in denen es keine strombetriebene Kühlmöglichkeit gibt, könnte man bei der Aufbewahrung von temperaturempfindlichen Arzneimitteln das Prinzip der Verdunstungskühlung nutzen: ein kleinerer Tonkrug wird in einem größeren platziert, der Zwischenraum mit nassem Sand gefüllt und das Gefäß mit einem feuchten Tuch oder Deckel verschlossen. Aufgrund der Porosität von gebranntem Ton kann das Wasser durch den Tonkrug diffundieren und an der Außenseite verdunsten. Dadurch wird dem Inneren Energie entzogen und die Temperatur gesenkt.

Bioton lieferte Daten zu kurz wirkendem Insulin nach einem, drei und sechs Monaten bei einer Lagerung bei 25 °C: Alle untersuchten Parameter lagen innerhalb der Referenzwerte, und im Vergleich zum Ausgangswert betrug der Verlust der Insulin-Aktivität jeweils 1,1%, 1,0% und 1,7%.

Eli Lilly and Company stellte zusammengefasste Daten zur Verfügung: Bei Temperaturen unter 25 °C oder 30 °C konnten kurz und mittellang wirkende Insuline sowie Mischinsuline vor der Verwendung für bis zu 25 Tage bzw. zwölf Tage gelagert werden, danach war eine Verwendung nach Anbruch durch den Patienten für bis zu 28 Tage möglich.

Novo Nordisk lieferte umfangreiche Daten: Im Vergleich zum Ausgangswert betrug der Verlust der Aktivität von kurz wirkendem Insulin nach drei und sechs Monaten bei 25 °C 1,8% bzw. 3,2% bis 3,5%. Der Verlust der Aktivität von mittellang wirkendem Insulin betrug 1,2% bis 1,9% bzw. 2,0% bis 2,3%. Im Vergleich zur Ausgangssituation betrug der Verlust der Aktivität von kurz wirkendem Insulin nach ein, zwei und drei Monaten bei 37 °C 2,2% bis 2,8%, 5,7% und 8,3% bis 8,6%. Der Verlust der Aktivität von mittellang wirkendem Insulin betrug 1,4% bis 1,8%, 3,0% bis 3,8% und 4,7% bis 5,3%. Es wurde keine relevante Zunahme von Insulin-Abbauprodukten festgestellt. Bei Temperaturen von bis zu sechs Monaten bei 25 °C und bis zu zwei Monaten bei 37 °C entsprachen die Präparate in Bezug auf Proteine mit hohem Molekulargewicht den Spezifikationen. Das Aussehen, sichtbare Partikel oder Makroskopie, Partikelgehalt, pH-Wert, die Zink-, Metacresol- und Phenol-Gehalte entsprachen den Spezifika­tionen. Es liegen keine Daten für besonders niedrige Umgebungstemperaturenund Insulin-Pumpen vor. |

Literatur

Richter B, Bongaerts B, Metzendorf M-I. Thermal stability and storage of human insulin. Cochrane Database Syst Rev 2023, doi: 10.1002/14651858.CD015385.pub2

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