DAZ aktuell

Wie das BMG das ALBVVG auslegt

Bei der Vermittlung zwischen GKV und DAV zeigt sich das Ministerium kassenfreundlich

ks | Das Ende Juli in Kraft getretene Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) hält einige neue Regelungen für Apotheken und Krankenkassen parat. Allerdings waren sich Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband nicht einig, wie diese auszulegen sind. Das daraufhin um Einschätzung gebetene Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat mittlerweile seine Sichtweise der Dinge dargelegt – und sich dabei auf die Seite der Kassen gestellt.

Konkret ging es um vier Punkte, die der DAV geklärt haben wollte. Der erste: Müssen Apotheken bei einem Austausch von verschriebenen Arzneimitteln im Fall der Nichtverfügbarkeit noch die gesamte Abgaberangfolge des Rahmenvertrages beachten? Der DAV vertrat den Standpunkt, dass man Apotheken die Arbeit erleichtern wollte – und daher nur noch die erste Stufe zu prüfen sei. Doch das BMG verweist nun darauf, dass im parlamentarischen Verfahren zum ALBVVG per Änderungsantrag klargestellt wurde, dass die Regelung auf das nach Rahmenvertrag abzugebende Arzneimittel abstellt und nicht – wie zuvor formuliert – auf das „verordnete“. Das verordnete Arzneimittel solle lediglich den Ausgangspunkt für die Auswahlregelung zur Bestimmung des abzugebenden Arzneimittels darstellen. „Entscheidend ist die Nichtverfügbarkeit des Arzneimittels, das unter Berücksichtigung des Rahmenvertrages nach Absatz 2 von der Apotheke abgegeben wird“, schreibt das BMG mit Hinweis auf die Begründung zu dieser Regelung. Daher ist die Regelung aus Sicht des BMG so zu verstehen, dass sie erst greife, wenn nach den Regelungen des Rahmenvertrages zur Abgabenreihenfolge kein verfüg­bares Arzneimittel vorhanden ist. Nach dem Gesetz besteht die Austauschbarkeit also nur mit Blick auf Packungsgröße, Packungsanzahl, Abgabe von Teilmengen und Wirkstärke.

Ein Rückfall in vorpandemische Zeiten

Das bedeutet in der Konsequenz: Apotheken sind in diesem Punkt auf vorpandemische Zeiten zurückgeworfen. Und dies läuft Bemühungen von Apotheken zuwider, die sich in Erwartung von Engpässen Vorräte anlegen. Wählen sie nämlich einen Hersteller, dessen Präparat kein Rabattarzneimittel ist und auch nicht zu den vier preisgünstigsten gehört, bliebe die Apotheke auf der Ware sitzen, sobald sie ein günstigeres lieferfähiges ausmachen würde. Die Retaxation würde sich gegebenenfalls auf die Apothekenzuschläge beschränken – doch ob eine Apotheke, die eigentlich nur sicher versorgen will, dieses Risiko in wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeiten eingehen will, muss sie selbst entscheiden.

Ein weiterer Streitpunkt war der Anwendungsbeginn der neuen gesetzlichen Retaxationsausschlüsse. Hier ist es laut BMG „sachgerecht, auf den Zeitpunkt der förmlichen zu begründenden Beanstandung der Kasse abzu­stellen“. Das bedeute: Verordnungen, die vor Inkrafttreten des ALBVVG noch nicht gegenüber der Apotheke beanstandet wurden (für die aber möglicherweise bereits die interne Rechnungsprüfung der Kasse angelaufen ist) können seit dem 27. Juli 2023 nicht mehr retaxiert werden. Zudem weist das BMG darauf hin, dass der Retax- Ausschluss grundsätzlich nicht für Rezeptur und BtM-Rezepte greife.

Engpasszuschlag nur singulär

Weiterhin bestand Dissens bei der Frage, ob der 50-Cent-Engpasszuschlag mehrmals berechnet werden kann, wenn in einer Verordnungszeile mehrere Packungen verordnet sind. Auch hier ist das BMG ganz bei den Kassen: Der Wortlaut und der Regelungsstandort sprächen für einen singulären Zuschlag von 50 Cent pro verordnetem Arzneimittel und nicht pro abgegebener Packung. Auch die Begründung zu dieser neuen Vorschrift in der Arzneimittelpreisverordnung beziehe sich auf den Aufwand, der sich insbesondere in Rücksprachen mit den Verordnern oder Nachfragen beim Großhandel niederschlage und lasse demnach keinen direkten Packungsbezug erkennen.

Kniffelige Teilmengen

Zuletzt ging es noch um die Berechnung von Teilmengen nach § 3 Abs. 5 Satz 2 AMPreisV. Laut Satz 1 galt schon zuvor: Sofern die abzugebende Menge nicht in der Verschreibung vorgeschrieben oder gesetzlich bestimmt ist, haben die Apotheken, soweit mit den Kostenträgern nichts anderes vereinbart ist, die kleinste im Verkehr befindliche Packung zu berechnen. Mit dem neuen Satz 2 gilt dies auch in dem Fall, dass statt der verschriebenen Packungs­größe die verschriebene Menge des Arzneimittels als Teilmenge aus einer Packung abgegeben wird, die größer ist als die verschriebene Packungsgröße. Der DAV hatte moniert, dies führe „bei wortlautgetreuer Lesart zu der absurden Konstellation, dass möglicherweise die berechnungsfähige Menge geringer ist als die verordnete und abgegebene Menge“. Doch nach Einschätzung des BMG ist Satz 2 so zu verstehen, „dass in Fällen, in denen die verschriebene und abgegebene Packungsgröße eine N2 ist und als Teilmenge aus einer N3 abgegeben wird, die N2 als in diesem Sinne kleinste im Verkehr befindliche Packung gemeint ist und entsprechend zu berechnen wäre. Wird bei einer verschriebenen N1 Packung eine Teilmenge aus einer N3 Packung abgegeben, ist N1 zu berechnen.“ |

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