Arzneimittel und Therapie

Sofort, verzögert oder nicht antibiotisch behandeln?

Einsatz von Antibiotika bei Atemwegsinfekten auf dem Prüfstand

gg/dab | Bei Atemwegsinfekten sollten nach Möglichkeit keine Anti­biotika eingesetzt werden. Dies schlussfolgern die Autoren eines Reviews der Cochrane Collaboration. Im Zweifel scheint das sogenannte Delayed Prescribing eine akzeptable Option zu sein.

Es gibt gute Gründe, die gegen den breiten Einsatz von Antibiotika bei Atemwegsinfekten sprechen. Dazu zählen etwa mögliche Nebenwirkungen, die Kosten der Arzneimitteltherapie sowie die Förderung von Arzneimittelresistenzen. Welche Strategie am zielführendsten ist, also ein Antibiotikum sofort, verzögert (s. Kasten „Was bedeutet Delayed Prescribing?“) oder gar nicht zu verordnen, prüft die Cochrane Collaboration seit 2007 regelmäßig. Berücksichtigt werden hierbei die Dauer der Erkrankung, die Schwere der Symptome, die Anwendungsrate der Antibiotika sowie die Zufriedenheit der Patienten.

Was bedeutet Delayed Prescribing?

Als Delayed Prescribing (zu Deutsch „verzögerte Verordnung“) bezeichnet man eine Verordnungsstrategie, bei der den Patienten die Verordnung über ein Arzneimittel (hier ein Antibiotikum) mit nach Hause gegeben wird. Damit verbunden ist die Aufforderung, das Rezept erst einzulösen und die besprochene Arzneimittel­therapie nur zu beginnen, wenn sich die Beschwerden nach einem vereinbarten Zeitraum (hier mindestens 48 Stunden) nicht ausreichend gebessert haben.

Foto: Robert Kneschke/AdobeStock

Der Review der Cochrane Collaboration wurde nun aktualisiert, wobei eine randomisierte kontrollierte Studie mit 448 Kindern neu aufgenommen wurde. Im Ganzen beruht die Übersichtsarbeit inzwischen auf zwölf randomisierten kontrollierten Studien mit Daten von 3750 Teilnehmern.

Die Autoren des Reviews kamen ins­gesamt zu der Schlussfolgerung, dass für die meisten klinischen Endpunkte kein Unterschied zwischen den drei Verordnungsstrategien bestand. Für vier Symptomfelder schlüsselten sie die Ergebnisse wie folgt auf:

  • Husten (vier Studien): Es konnte kein Unterschied zwischen den drei Verordnungsstrategien festgestellt werden.
  • Halsschmerzen (sechs Studien): Ein Vergleich der Verordnungsstrategien keine versus verzögerte Ver­ordnung zeigte in zwei Studien, die dies untersucht hatten, keinen Unterschied. Bei Patienten mit Fieber erwies sich eine sofortige Antibiose in vier von sechs Studien als etwas günstiger.
  • akute Mittelohrentzündung (vier Studien): Je zwei Studien verglichen die sofortige mit der verzögerten, bzw. die verzögerte mit keiner Verordnung eines Antibiotikums. Drei Studien zeigten keinen Unterschied zwischen den Behandlungsstrategien, in einer waren unter einer sofortigen Antibiose an Tag 3 Schmerzen und Krankheitsschwere besser als unter einer verzögerten Verordnung.
  • Erkältung (zwei Studien): Einen Unterschied zwischen sofortiger und verzögerter Verordnung stellten beide Studien nicht fest, in einer erwies sich die verzögerte Verordnung in Hinblick auf Schmerzen, Fieber und Husten als vorteilhaft gegenüber keiner Verordnung.

Wenig Unterschiede in der Patientenzufriedenheit

Im Hinblick auf die Rate des Antibiotikagebrauches konnte dieser durch eine verzögerte Verschreibung gegenüber einer sofortigen Verordnung reduziert werden (30 vs. 93%). Die Patientenzufriedenheit war etwas höher, wenn eine verzögerte Verschreibung erfolgte, als wenn sie keine Verordnung erhielten (87 vs. 82%). Zwischen einer sofortigen und einer verzögerten Verordnung bestand kein signifikanter Zufriedenheitsunterschied (91 vs. 86%). Zum Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter den jeweiligen Behandlungsschemata lagen nur wenige, zum Einfluss auf die Entstehung von Resistenzen keine Daten vor. Insgesamt schlussfolgern die Autoren: „Wenn Mediziner der Auf­fassung sind, dass es sicher ist, an Atemwegsinfekten Erkrankten nicht sofort Antibiotika zu verschreiben, dürfte der Verzicht auf Antibiotika mit dem Hinweis, bei ausbleibender Besserung der Symptome wiederzukommen, den geringsten Antibiotikaverbrauch zur Folge haben, wobei die Patientenzufriedenheit und die klinischen Ergebnisse ähnlich sind wie bei einer ver­zögerten Antibiotikagabe.“

Die verzögerte Verordnung schätzen sie als einen akzeptablen Kompromiss für solche Fälle ein, in denen es Ärzte als unsicher einstufen, den Patienten ohne Rezept gehen zu lassen. |

Literatur

Spurling GKP, Dooley L, Clark J, Askew DA. Immediate versus delayed versus no antibiotics for respiratory infections. Cochrane Database Syst Rev 2023;10(10):CD004417, doi: 10.1002/14651858.CD004417.pub6

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