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Wie steht es um die Klinische Pharmazie an den Unis?
Es gibt immer noch Standorte ohne Professur
Die Fachgruppe Klinische Pharmazie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft forderte 2020 unter anderem, dass die Klinische Pharmazie durch eine eigenständige Vollprofessur vertreten werden soll und am Standort patientenorientierte Forschung stattfindet. Außerdem soll an echten praktischen Fällen gearbeitet und auch Mediziner mit in die Lehre einbezogen werden. Werden diese Forderungen an den Pharmaziestandorten erfüllt?
An den Universitäten in München und Freiburg gibt es bis jetzt keinen Lehrstuhl für Klinische Pharmazie. Stattdessen wird das Fach von externen und internen Referenten gelehrt, häufig von Pharmakologen und Klinikapothekern. Im Pharmaziestudiengang in Frankfurt am Main unterrichtet der Lehrbeauftragte für Klinische Pharmakologie, in Freiburg der Leiter der Klinikapotheke. An den pharmazeutischen Instituten in Mainz und Münster obliegt die Klinische Pharmazie einer außerplanmäßigen Professur, also einem Habilitierten ohne ordentliche Professorenstelle. An der Universität in Mainz unterrichtet die Apothekerin Prof. Dr. Irene Krämer, in Münster Apotheker Prof. Dr. Georg Hempel.
An der Universität Heidelberg wird das Fach vom interprofessionellen „Kooperationsnetzwerk Klinische Pharmazie“ betreut. Die Abteilungen Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg sowie die Klinikapotheke und das Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie betreiben dieses Kooperationsnetzwerk unter der Leitung von Apothekerin Prof. Dr. Hanna Seidling, das sowohl Pharmaziestudierende als auch Medizinstudierende unterrichtet.
Was ist Klinische Pharmazie?
Die Klinische Pharmazie beschäftigt sich mit patientenorientierter Arzneimitteltherapie, die sich situationsgerecht und individuell am Erkrankten orientieren soll. Laut Approbationsordnung gehört zum Prüfungsfach „Klinische Pharmazie“ unter anderem die Arzneimitteltherapie vulnerabler Gruppen wie Schwangere, Stillende, Betagte oder Patienten mit Multimorbidität. Laut der Approbationsordnung von 2001 soll das Prüfungsfach „Klinische Pharmazie“ in einem Umfang von 210 Stunden unterrichtet werden (6,6% des Gesamtstudiums). Der neue Vorschlag zur Approbationsordnung der Bundesapothekerkammer vom 10. Mai 2022 sieht 574 Stunden oder 14,7% des Gesamtstudiums vor.
An den übrigen 16 Instituten für Pharmazie an deutschen Universitäten ist ein Lehrstuhl eingerichtet, der mit einer ordentlichen Professur besetzt ist. An den Universitäten in Halle und Düsseldorf wird die Klinische Pharmazie nicht durch eine Apothekerin bzw. einen Apotheker gelehrt, sondern von einem Mediziner und Molekularbiologen (Prof. Dr. Ralf Benndorf in Halle) und einer Ärztin (Prof. Dr. Stephanie Läer in Düsseldorf). Universitäten mit Universitätskrankenhaus bieten im zweiten Ausbildungsabschnitt eine Hospitation der Studierenden an. Die Pharmaziestudierenden begleiten Klinikapotheker sowie Ärzte und besprechen aktuelle Patientenfälle aus dem Krankenhaus. An Universitäten ohne Lehrkrankenhaus werden im praktischen Teil zumeist Patientenfälle in einem Seminar in Kleingruppen besprochen.
Ausrichtung der Forschung
Forschung im Bereich patientenorientierte Arzneimitteltherapiesicherheit betreiben die Arbeitsgruppen der Klinischen Pharmazie an den Universitäten in Bonn, Braunschweig, Heidelberg, Düsseldorf, Leipzig, Kiel, Würzburg, Jena und Münster. An den anderen Standorten werden Zell- und Tierversuche betrieben sowie mathematische Modelle zu Krankheitsentstehung erstellt (s. Tab.).
Universität | Professur für klinische Pharmazie vorhanden | besetzt mit Pharmazeutin/Pharmazeut | Forschungsschwerpunkte |
---|---|---|---|
Friedrich-Schiller-Universität Jena | ja | ja | Gender Medizin, entzündliche Erkrankungen |
Universität des Saarlandes | ja | ja | mathematische Modellierung von Krankheitsverläufen und statistischen Risiken (Typ-2-Diabetes, Zervixkarzinom), Arzneimitteltherapiesicherheit in Pflegeeinrichtungen |
Philipps-Universität Marburg | ja | ja | mitochondriale Mechanismen des Zelltodes, Neuroprotektion |
Johannes Gutenberg-Universität Mainz | außerplanmäßige Professur | ja | keine Angaben |
Universität Hamburg | ja | ja | In-vitro Infektionsmodelle, mathematische Modellierung |
Universität Greifswald | ja | ja | molekulare Mechanismen der Resistenzentstehung im Rahmen der Tumortherapie |
Universität Bonn | ja | ja | Arzneimitteltherapiesicherheit in der Tumortherapie |
Universität Regensburg | ja | ja | Professur seit Februar 2023, noch im Aufbau |
Universität Leipzig | ja | ja | pädiatrische und geriatrische Pharmazie |
Ludwig-Maximilians-Universität München | keine Professur, Lehre erfolgt durch andere Fachgruppen und Externe | teilweise Pharmazeuten aus der Pharmakologie | keine Angaben |
Goethe-Universität Frankfurt am Main | Professur für klinische Pharmakologie lehrt klinische Pharmazie | ja | mathematische Modelle, Schmerzforschung |
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg | ja | Mediziner und Molekularbiologe | Suche nach Biomarkern und genetischen Faktoren, die kardiovaskuläres Risiko erhöhen |
Universität Münster | außerplanmäßige Professur | ja | Therapieoptimierung in der pädiatrischen Onkologie, Bioanalytik von Arzneistoffen |
Technische Universität Braunschweig | ja | ja | Schwangerschaft mit Diabetes |
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg | Leiter der Klinikapotheke hält Vorlesungen, außerdem Externe / aus anderen Fachbereichen | ja | keine Angaben |
Universität Würzburg | ja | ja | pharmakokinetische und molekularpharmakodynamische Untersuchungen |
Eberhard-Karls-Universität Tübingen | ja | ja | Calcium- und Kaliumkanäle, zellbiologische Signaltransduktion |
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg | Forschung und Lehre im Kooperationsnetzwerk Klinische Pharmazie | ja | Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Projekten der Arzneimitteltherapiesicherheit insbesondere durch die Stärkung der interprofessionellen Kooperation und der Patientenkompetenzen |
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel | ja | ja | Arzneimitteltherapiesicherheit in der Neonatologie, Entwicklung buccaler Arzneiformen |
Freie Universität Berlin | ja | ja | Arzneimitteltherapiesicherheit für vulnerable Personen |
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg | ja Professur für Molekulare und Klinische Pharmazie | ja | Zellbiologische Forschung im Bereich der Tumorforschung (Transkriptionsfaktoren) |
Heinrich-Heine-Universität-Düsseldorf | ja | Ärztin | Arzneimitteltherapiesicherheit bei Kindern, Digitalisierung in der pädiatrischen Pharmazie |
Isabel Waltering von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmazie findet deutliche Worte: „Die Klinische Pharmazie hat an deutschen Universitäten noch immer nicht den Stellenwert, den sie in anderen Ländern hat. Der Umfang im Studium ist für eine moderne Pharmazie nicht mehr angemessen. Um eine ausreichende und umfassende Ausbildung für die heilberuflichen Aspekte und eine patientenorientierte Pharmazie zu gewährleisten, muss der Klinischen Pharmazie ein deutlich höherer Stellenwert eingeräumt werden.“ Für ein zukunftsorientiertes Studium würden die Forderungen der neuen Approbationsordnung nicht weit genug gehen. 22 Jahre nach der Einführung des Prüfungsfaches sollte das Fach und der Forschungsbereich an den Universitäten weiter ausgebaut werden, wie die Gesellschaft fordert. |
Literatur
Approbationsordnung für Apotheker vom 19. Juli 1989 (BGBl. I S. 1489), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 7. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 148) geändert worden ist. Bundesministerium für Justiz, www.gesetze-im-internet.de/aappo/BJNR014890989.html
Positionspapier Runder Tisch „Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker. Bundesapothekerkammer, 10. Mai 2022, www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Ausbildung_Studium_Beruf/AAppO_Runder_Tisch_22_06_29.pdf
Standards zur universitären Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie. Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft, 2020, https://bphd.de/wp-content/uploads/2020/01/StandardsKlinPharmazie_.pdf
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