Aus den Ländern

Treffen in historischer Kurstadt

Pharmaziehistoriker besuchen Bad Homburg

Die Landesgruppe Hessen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) hielt ihre Mitgliederversammlung am 10. September 2023 in der Kurstadt Bad Homburg ab. Das diesjährige Treffen war dem Tagungsort mit seinen Heilquellen, dem vor 100 Jahren verstorbenen Homburger Apotheker Dr. Adolf Rüdiger und dem Ankerwerk Rudolstadt gewidmet.
Foto: DGGP

Bei einem etwas über einstündigen Rundgang stellte das DGGP-Mitglied Dr. Gisela Stiehler-Alegria die Geschichte der 1912 zum Bad ernannten Kurstadt Homburg vor der Höhe und ihres weitläufigen Kurparkes vor, der im 19. Jahrhundert angelegt wurde. Vom Elisabethenbrunnen an der Orangerie ging der Weg am Auguste-Viktoria-Brunnen und Kaiserbrunnen vorbei, mit je einem kurzen Halt an der Büste von Bircher-Benner, dem Lenné- und dem Hölderlin-Denkmal. Letzterer lebte vier Jahre in Bad Homburg. Gestreift wurde auch die 1716 gegründete Hof-Apotheke, die zweitälteste der Stadt, die seit 1829 in der Louisen­straße beheimatet ist. Entlang der Kaiser-Friedrich-Promenade mit ihren prächtigen Villen und der Russischen Kirche, deren Einweihung in Gegenwart von Zar Nikolaus II. stattfand, ging es zurück zum Tagungsort Orangerie.

Foto: DGGP

Die Teilnehmer des Stadtrundgangs vor dem Gebäude der seit über 300 Jahren bestehenden Hof-Apotheke.

Im Anschluss fand die Mitglieder­versammlung statt. Nach dem Bericht über die Tätigkeiten der letzten vierzehn Monate durch den Landesgruppenvorsitzenden Dr. Peter Hartwig Graepel und Diskussionen zu vereinsinternen Angelegenheiten wurde die im vergangenen Jahr verstorbene ehemalige Chef-Redakteurin der Pharmazeutischen Zeitung Dr. Evemarie Wolf in einem Nachruf für ihre pharmaziehistorischen Verdienste gewürdigt.

Den ersten Vortrag hielt Dr. Peter Hartwig Graepel, Gladenbach, zum Thema „Dr. Adolf Rüdiger (1853 – 1923). Ein bedeutender und vielseitiger Bad Homburger Apotheker.“ Die Familie Rüdiger besaß die Hof-Apotheke zum Schwanen in Bad Homburg von 1850 bis 1958. Der zweite Apotheker Dr. Adolf Rüdiger, der sie 1881 übernahm, war ein wahres Multitalent. Neben der Leitung seiner Offizin übernahm er 1889 den Wasserversand von fünf Homburger Mineralquellen. Allein 1914 gingen 125.000 Flaschen zu je ein Liter Inhalt an die Besteller. In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Arzt Prof. Dr. Gustav Treupel (1867 – 1926) kamen 1910 die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bedeutenden Treupelschen Tabletten gegen Fieber und Schmerzen auf den Markt. Die Hof-Apotheke war auch an Entwicklung und Erprobung von „Kamillosan“, dem ersten stabilisierten Kamillenpräparat beteiligt, das bereits seit über 100 Jahren im Handel ist. Rüdiger war ferner der Initiator bei der Gründung der „Chemisch-Pharmazeutischen Aktien­gesellschaft Bad Homburg“, die ab 1927 unter dem Namen „Chemiewerk Homburg“ nach Frankfurt übersiedelte. Auch als Stadt- und Standespolitiker machte er sich einen Namen. Ab 1891 war er bis zu seinem Tod Stadtverordneter, auch noch in der Weimarer Republik, außerdem Sachverständiger am Oberlandesgericht und Landgericht Frankfurt. In der Standespolitik wurde er 1904 zum „Vorsteher“ des Kreises Nassau in den Deutschen Apothekerverein gewählt, gehörte der Apothekerkammer Hessen-Nassau sowie dem preußischen Apothekerkammer-­Ausschuss und dem preußischen Apo­thekerrat (1906 – 1921) an.

Den zweiten Vortrag hielt Melanie Köppe, Bad Homburg, zum Thema „Vom Anker-Pain-Expeller zum Panthenol-Spray, ein Beitrag zur Geschichte des VEB Ankerwerkes Rudolstadt“. Dabei gab sie einen Einblick in die facettenreiche Geschichte des pharmazeutischen Unternehmens „VEB Ankerwerk Rudolstadt“. Im März 1877 wurde die Firma unter dem Namen „F. Ad. Richter & Cie., chemisch-pharmazeutische Fabrik“ in das Handelsregister von Rudolstadt eingetragen und war in Deutschland bald für die Herstellung von Geheimmitteln bekannt, zu denen unter anderem das Universalmittel Anker-Pain-Expeller zählte. Zu Beginn des Jahres 1953 erfolgte schließlich die Verstaatlichung und Umwandlung in den volks­eigenen Betrieb „VEB Ankerwerk Rudolstadt“. Im Rahmen der Spezialisierung und Konzentration in der pharmazeutischen Industrie der DDR entwickelte sich das Unternehmen zum alleinigen Her­steller für wässrige Augentropfen und medizinisch-pharmazeutische Aerosole. 1969 übernahm das Ankerwerk die Produktion des Schaumsprays Panthenol vom VEB Jenapharm.

Nach dem offiziellen Teil des Treffens wurde bei einem gemeinsamen Abend­essen über die beiden Vorträge weiter diskutiert. |

Dr. Peter Hartwig Graepel, Vorsitzender der Landesgruppe Hessen der DGGP

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