DAZ aktuell

Streit um Protesttag am 2. Oktober

Hessische Apothekerkammer sieht Schließungen kritisch

mik/ral | Die Hessische Apothekerkammer (HAK) hat sich mit Bedenken zu Schließungen anlässlich eines Protesttags am 2. Oktober zu Wort gemeldet. Der Grund: Wegen des vorangehenden Wochenendes und des folgenden Feiertags wäre die Regelversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu lange beeinträchtigt. Das erklärte die Kammer gegenüber der DAZ.

Der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte bereits bei seiner Jahreshauptversammlung Anfang September die Bereitschaft signalisiert, den Druck auf die Politik durch mehr­tägige Apothekenschließungen zu erhöhen. Am Freitagmorgen vergan­gener Woche wurden dann für den 2. Oktober zu einem Protesttag wie am 14. Juni aufgerufen. Das beinhalte auch flächendeckende Schließungen, wie ein Sprecher des Verbandes gegenüber der DAZ erklärte. In Frankfurt am Main wird es zudem ab 11 Uhr eine zentrale Kundgebung geben, laut HAV haben sich auch Vertreterinnen und Vertreter der Landtagsfraktionen dazu angekündigt. Möglich wird dieses Interesse der Politik auch deshalb, weil in Hessen Wahlkampf ist.

Weitere Protestveranstaltungen geplant

Viele Apothekerinnen und Apotheker hatten in den vergangenen Wochen ihren Unmut über den von der ABDA für den 27. September ausgerufenen „Tag der Antworten“ bekundet. Die sechs Fragen an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die dreistündige Schließung während seines virtuellen Auftritts auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) ging ihnen als Form des Protests nicht weit genug.

Bereits einen Tag vor dem HAV hatte die „Freie Apothekerschaft“ in einer Pressemitteilung erklärt, dass ihre 1. Vorsitzende, Daniela Hänel, am 2. Oktober mit einer Protestaktion voranschreiten und ihre Apotheke geschlossen halten will. Wer sich der Aktion anschließe, setze ein „weiteres Zeichen“, dass man mit dem aktuellen Gesundheitsminister unzufrieden sei und personelle Konsequenzen fordere. Dies geschehe, um eine „ordnungsgemäße Arzneimittel­versorgung der Bevölkerung für die Zukunft sicherzustellen und für eine entsprechende Honorierung unserer Arbeit zu kämpfen“.

Foto: imago images/imagebroker

Streik oder nicht? Der HAV hat für den 2. Oktober zu einem weiteren Protesttag aufgerufen. Die Hessische Apothekerkammer hat diesbezüglich Bedenken.

Dem Nachwuchs eine Perspektive geben

Auch vom HAV wird der Kampf um eine „wohnortnahe Arzneimittelversorgung und eine dafür angemessene Vergütung“ als Grund für die Proteste angegeben. Diese habe „in den vergangenen 20 Jahren trotz Inflation, gestiegener Mieten und Energiepreise sowie Tariferhöhungen keine nennenswerte Anpassung“ erfahren. „Für viele junge Kolleginnen und Kollegen ist es schlichtweg nicht mehr eine sinnhafte berufliche Perspektive, eine Apotheke als Inhaber zu übernehmen, ohne dass die dafür notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfüllt sind“, sagte der HAV-Vorsitzende Holger Seyfarth laut Pressemitteilung.

Kammer sieht Versorgung gefährdet

Die Präsidentin der Hessischen Apothekerkammer, Ursula Funke, betonte gegenüber der DAZ ebenfalls, dass sie die gegenwärtige Situation als „unerträglich“ empfinde und die Äußerungen des Bundesgesundheitsministers gegenüber der Apothekerschaft als „teils unterirdisch“. Dennoch drückt die Kammer auf die Bremse. Grundsätzlich müsse zwischen der Wahrnehmung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Apothekerschaft als Grundrecht und dem Grundrecht der Bevölkerung auf Gesundheit durch eine ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln abgewogen werden, heißt es.

In diesem Zusammenhang stelle sich die Lage am 2. Oktober laut den hessischen Kammerjuristen anders dar als am 14. Juni. Damals habe man zugunsten der Apothekenschließungen entschieden, da die Bevölkerung an dem Tag nicht nur durch die notdiensthabenden Apotheken versorgt werden konnte, sondern auch am vorangegangenen Tag Vorkehrungen hätte treffen können. Tatsächlich war die Kammer in Hessen eine der ersten, die ihren Mitgliedern zusicherte, dass sie keinerlei Konsequenzen fürchten müssten, wenn sie ihre Apotheke geschlossen ließen.

Bleibt die Apotheke aber am Montag, den 2. Oktober geschlossen, wäre die Bevölkerung wegen des gesetzlichen Feiertags am Dienstag, den 3. Oktober von Samstag, 12 Uhr bis Mittwoch, 9 Uhr – also 3,5 Tage – auf eine Notversorgung angewiesen. Denn die Regelversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die öffentlichen Apotheken endet auf Grundlage der Allgemeinverfügung der Landesapothekerkammer Hessen am Samstag, den 30. September um 12 Uhr. Erst am Mittwoch, den 4. Oktober, ab 9 Uhr würde die Regelversorgung wieder aufgenommen.

Würde man die Grundrechte aller Beteiligten nun abwägen, überwiege in diesem Fall laut der Kammer das Versorgungsinteresse der Bevölkerung. Hinzu kommt: Weil die Ärzteschaft für den 2. Oktober ebenfalls die Schließungen von Praxen angekündigt hat, komme der ordnungs­gemäßen Versorgung der Bevölkerung durch die öffentlichen Apotheken eine noch größere Bedeutung zu.

Sollte es also Beschwerden aus der Bevölkerung geben, müsse sie diesen nachgehen, heißt es von der Kammer. Das sei keine Sache der Selbstver­waltung, die Kammer handle hier als Behörde im gesetzlichen Auftrag.

Weitere Proteste, ja aber ...

Für Kammerpräsidentin Funke ist aber klar: Wenn Lauterbach am kommenden Mittwoch auf dem DAT keine Antworten liefert, müssten weitere Aktionen folgen, aber eben gemeinsam und nicht am Brückentag.

Aus ganz anderen Gründen hatte zuvor der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) sich gegen die vereinzelten Streiks ausgesprochen. „Manche Kollegen sind mit der Härte und der Frequenz der Protest-Aktionen unter Führung der ABDA nicht einverstanden. Das kann ich nachvollziehen, denn bisher sehen wir keine zähl- oder messbaren Ergebnisse“, erklärte dessen Vorsitzender Stefan Hartmann laut Pressemitteilung vom Freitag vergangener Woche. Der BVDAK fordert dennoch „alle Gruppierungen und ihre Mitglieder dazu auf, eine gewisse Disziplin einzuhalten“. Separate Aktionen würden die Apothekerschaft spalten. Zudem könnten Gesundheitspolitiker und Patienten „den Hintergrund vieler unterschiedlicher Streiks kaum nachvollziehen“.

Auch wenn die jüngsten Äußerungen Lauterbachs „wenig Mut“ machen würden: Es sei wichtig, dass „alle Kollegen den Auftritt Prof. Dr. Lauterbachs beim Deutschen Apothekertag verfolgen und beurteilen, um daraus ein Fazit zu ziehen und das mögliche weitere gemeinsame Vorgehen abzustimmen“. Bereits zuvor hatte Hartmann für Vertrauen in die „neue ABDA-Spitze um Gabriele Regina Overwiening“ geworben.

ABDA erweitert Kampagnenmaterial ...

Die ABDA hat sich unterdessen bis DAZ-Redaktionsschluss noch nicht zu der Debatte geäußert. Allerdings kündigte ABDA-Präsidentin Overwiening am Freitag vergangener Woche wei­tere Proteste im Herbst an, sollte der Bundesgesundheitsminister der Apothekerschaft auf dem DAT Antworten schuldig bleiben. Zudem erweiterte die Standesvertretung für den 27. September ihr Kampagnenmaterial. Auf apothekenkampagne.de findet sich ein Handzettel für Patientinnen und Patienten. Darin wird unter anderem beschrieben, wie es um die Apotheken bestellt ist und warum die Offizinen am Nachmittag des 27. September drei Stunden geschlossen bleiben. „Wir sind überzeugt, dass sie dafür Verständnis haben“, heißt es abschließend.

Darüber hinaus gibt es von der ABDA ein Fragen-und-Antworten-Papier für die Apothekenteams selbst. Erläutert wird zum Beispiel, warum der Tag der Antworten mittwochnachmittags stattfindet, wenn ohnehin viele Apotheken geschlossen sind, und warum nur drei Stunden lang protestiert werden soll. Zudem gibt es Antworten auf eher technische Fragen rund um die Rede des Ministers beim DAT. |

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