DAZ aktuell

Ordentlicher Mehraufwand bei gekürzter Marge

AOK NordWest begrenzt bei Einzelimporten Aufschlag auf 50 Euro

ks/ral | Der Einzelimport eines Arzneimittels kann aus verschiedenen Gründen notwendig werden. In jedem Fall bedeutet er für die Apotheke einen ordentlichen Mehraufwand. Eigentlich sollte dieser honoriert werden. Doch die AOK NordWest macht das Gegenteil: Sie deckelt den prozentualen Aufschlag auf maximal 50 Euro, um damit bei teuren Einzelimporten zu sparen.

Eine Apotheke, die für einen Ver­sicherten der AOK NordWest das EU-weit zugelassene, aber in Deutschland vom Markt genommene Präparat Rybrevant® (Amivantamab), einführen wollte und deshalb einen Kostenvoranschlag für den Einzelimport bei der Kasse einreichte, erhielt folgende Rückmeldung: „Da es sich hier um einen Import nach § 73 (1) SGB V (Anm. d. Red.: richtig muss es heißen „AMG“) handelt, akzeptieren wir bei der Höhe des Abgabepreises die Berechnung nach AMPreisV, jedoch ist der 3-prozentige Aufschlag auf maximal 50,- Euro begrenzt.“

Die Apotheke darf also ihren Patienten versorgen – aber nur unter dieser einschränkenden Bedingung. Und die AOK versah ihr Schreiben mit einem weiteren Hinweis: „In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit ist der günstigste Importeur auszuwählen. Wir empfehlen für den Preisvergleich mindestens drei verschiedene Importeure miteinander zu vergleichen. Dokumentieren Sie Ihre Vergleiche für eventuelle Nachfragen in Ihren Unterlagen.“

Es gilt die AMPreisV

Also: Ordentlicher Aufwand bei gekürzter Marge. Wie kommt es dazu? Bei Einzelimporten nach § 73 Abs. 3 AMG berechnet sich der Preis, jedenfalls für gesetzlich Versicherte, nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband heißt es in § 22 Satz 2 („Preisangabe“): „Für nach § 13 Absatz 3 AMG importierte Arzneimittel ist zur Angabe des Apothekenpreises die AMPreisV zugrunde zu legen.“

Einzelimport ≠ Einzelimport

Für Einzelimporte sind im Arzneimittelgesetz (§ 73 AMG) zwei Konstellationen vorgesehen – basierend darauf, dass Arzneimittel, die in Deutschland der Registrierungs- bzw. Zulassungspflicht unterliegen, nur dann nach Deutschland verbracht werden dürfen, wenn sie hier zugelassen, registriert oder nach § 21a AMG genehmigt sind. Unproblematisch ist, wenn eine Apotheke nach § 73 Abs. 1 AMG ein Arzneimittel, das hier zwar nicht (mehr) im Markt ist, aber eine zentrale Zulassung besitzt, aus einem anderen EU-Staat einführt. Komplizierter sind die Voraussetzungen eines Einzelimports nach § 73 Abs. 3 AMG – hier geht es um Arzneimittel, die nicht in Deutschland zugelassen sind.

Differenziertes Abrechnungsverfahren

Die DAZ hat bei der AOK NordWest nachgehakt, wie sie zu ihrem Deckel kommt. Diese erklärte daraufhin, dass es bei ihr seit dem 1. Juli 2023 für Importe nach § 73 Abs. 1 AMG ein differenziertes Abrechnungsverfahren gebe. Der Kern: Bei Nichtvorliegen von Lieferengpässen werden Importe nach § 73 Abs. 1 AMG bei der Abrechnung des in der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehenen 3-prozentigen Aufschlages „auf einen Maximalbetrag von 50,-Euro ‚gedeckelt‘, sollte ein entsprechend hoher Einkaufspreis (EK) diesen Betrag/Aufschlag übersteigen“. Im Auge hat man hier tatsächlich vor allem besonders teure Importe, die durch ein Opt-Out seitens des Herstellers erforderlich wurden.

Lücke im Vertragswerk?

Als Rechtsgrundlage zieht die Kasse den bereits zitierten § 22 Satz 2 des Rahmenvertrags heran. Dieser bestimme lediglich das Gelten der Arzneimittelpreisverordnung für Importe nach § 73 Abs. 3 AMG. „Die AOK NordWest vertritt daher die Auffassung, dass die AMPreisV für Importe nach § 73 Abs. 1 AMG nicht gilt und hat daher den Apothekerverbänden Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe mit Wirkung ab 01.07.2023 unter Berücksichtigung/Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebotes die differenzierte Abrechnung („Deckelung“ des 3%-Aufschlages gemäß AMPreisV auf 50,-EUR) dieser Importe vorgegeben“, schreibt die Kasse. Sie ist überzeugt: Jede Primärkrankenkasse und jeder Kassenverband kann unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ein Abrechnungsverfahren für diese oft sehr teuren Importe vorgeben. Denn auch in den Arzneilieferverträgen Schleswig-Holsteins beziehungsweise Nordrhein-Westfalens sei die Abrechnung der Importe nach § 73 Abs. 1 AMG nicht geregelt.

Ob der Umkehrschluss wirklich so einfach ist? Das sollte gründlich geprüft werden, ehe andere Kassen auf den Zug aufspringen. |

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