Arzneimittel und Therapie

Gefährliche Adenoviren

Zusammenhang mit schweren Thrombosen enthüllt

Die COVID-19-Vektorimpfstoffe erlangten nie dieselbe Akzeptanz wie die mRNA-Impfstoffe. Schuld waren thromboembolische Ereignisse, die in seltenen Fällen nach der Impfung auftraten, ausgelöst durch das adenovirale Vehikel. Zwei Fallberichte aus den USA offenbaren nun, dass nicht nur Vektoren, sondern auch eine Infektion mit Adenoviren zu den gefährlichen Thrombosen führen kann.

Im März 2021 verhängte das Bundesministerium für Gesundheit einen vorläufigen Impfstopp für den COVID-19­-Impfstoff ChAdOx1-S (Vaxzevria®) von AstraZeneca, da in seltenen Fällen thromboembolische Ereignisse beobachtet wurden. Häufig waren es junge Frauen, bei denen eine Thrombose der Hirnvenen (Sinusvenenthrombose) auftrat. Weil die Thrombozyten der Betroffenen durch die spontane Aggregation verbraucht wurden (Thrombozytopenie), erhöhte sich auch die Blutungsneigung.

Die beobachteten Symptome ähnelten denen von Patienten, die nach einer Therapie mit Heparin eine Heparin­-induzierte Thrombozytopenie erleiden. Heparin bildet mit dem Plättchenfaktor 4 einen immunogenen Komplex, der die Bildung von Antikörpern induziert, welche gebunden an den Plättchen­faktor-Heparin-Komplex zur Thrombozytenaktivierung führen [1]: Die Thrombozyten verklumpen und werden dadurch verbraucht. Zur Unterscheidung von der Heparin-Reaktion wurde der Begriff „Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozyto­penie“ (VITT) geprägt. Die Vakzin­-induzierten Antikörper binden direkt an den Plättchenfaktor – genau da, wo sich sonst Heparin anlagern würde [1]. Da auch der Janssen-Cilag-Impfstoff (Jcovden®) sowie das russische Vakzin Sputnik V eine Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozyto­penie triggern konnten, wurde schnell deren adenoviraler Vektor als Auslöser ins Visier genommen. Die mRNA-Impfstoffe, die in Liposomen verpackt sind, führten nicht zu der Reaktion.

Foto: Dr_Microbe/AdobeStock

Eine Infektion mit Adenoviren kann die Ursache sein, wenn unerwartet Thrombo­zytopenien mit Thrombosen und erhöhter Blutungsneigung auftreten.

Zwei schwere Fälle

In zwei aktuellen Fallberichten zogen amerikanische und kanadische Wissenschaftler jetzt eine direkte Verbindung zwischen solchen Thrombozytopenien und einer bloßen Infektion mit Adenoviren [2]. Ein fünfjähriger Junge und eine 58-jährige Frau entwickelten nach zunächst unkomplizierten Er­kältungssymptomen eine schwere Thrombozyto­penie mit assoziierter Koagulopathie und Thrombosen. Nasenabstriche der beiden Patienten waren positiv auf Adenoviren getestet worden. Bei dem Jungen führten die verklumpten Thrombozyten zu einer Sinusvenenthrombose, an der der Patient verstarb. Die Frau erlitt mehrere arterielle Schlaganfälle, einen schweren Herz­infarkt (einen ST-Hebungsinfarkt mit im EKG sichtbaren ST-Hebungen) und multiple tiefe Beinvenenthrombosen, konnte jedoch gerettet werden.

Viren als Auslöser

Keiner der beiden Patienten wurde im Vorfeld mit Heparin behandelt, was auch ELISA-Assays bestätigten: Statt Antikörper gegen den PF4-Heparin-Komplex identifizierten die Forscher in den Blutseren anti-PF4-Antikörper, die denen von Patienten mit einer Vakzin-induzierten immunthrombo­tischen Thrombozytopenie ähnelten. Zusätzlich ermittelten sie im Rahmen des Epitop-Mappings die Bindungsstelle der Antikörper am PF4: Das Epitop deckte sich mit dem der VITT-Antikörper. Eine vorangegangene adenovirale Impfung konnte als Ursache ausgeschlossen werden. Die Forscher schlossen daraus, dass die Adenovirusinfektion die VITT-ähnlichen Thrombozytopenien bei beiden Patienten ausgelöst hatte, und bezeichneten das Krankheitsbild als „Adenovirus-assoziierte Thrombozytopenie“. Sie vermuten, dass die Viren über elektrostatische Anziehungskräfte mit dem Plättchenfaktor interagieren, was zur Induktion von Antikörpern beitragen könnte [3]. Ob auch andere Viren dazu in der Lage sind, sei den Autoren zufolge noch unklar. Mögliche Behandlungsstrategien gleichen denen einer Vakzin-induzierten immunthrombotischen Thrombozytopenie: Antikoagulation, hochdosierte intravenöse Immunglobuline und Plasmapherese, bei zugleich möglichst wenigen Plättchen- und Fibrinogentransfusionen [4]. |

Literatur

[1] Huynh A et al. Antibody epitopes in vaccine-induced immune thrombotic thrombocytopaenia. Nature 2021;596:565-569, doi: 10.1038/s41586-021-03744-4

[2] Warkentin TE et al. Adenovirus-Associated Thrombocytopenia, Thrombosis, and VITT-like Antibodies. N Engl J Med 2023;389:574-577, doi: 10.1056/NEJMc2307721

[3] Baker AT et al. ChAdOx1 interacts with CAR and PF4 with implications for thrombosis with thrombocy- topenia syndrome. Sci Adv 2021;7:eabl8213, doi: 10.1126/sciadv.abl8213

[4] Gabarin N et al. Treatment of vaccine-induced immune thrombotic thrombocytopenia (VITT). Semin Hematol 2022;59:89-96, doi: 10.1053/j.seminhematol.2022.03.002

Apotheker Dr. Tony Daubitz

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