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Höhere Zinsen: Folgen für die Apotheken
Finanzierung von Arzneimitteln wird zusätzlicher Kostenfaktor
Zinsen gehören zum Wirtschaftsleben und zu den Finanzmärkten. Sie drücken finanzwirtschaftlich aus, was schon das Sprichwort sagt: „Zeit ist Geld“. Es spielt eine Rolle, ob eine bestimmte Zahlung heute oder zu einem viel späteren Zeitpunkt geleistet werden muss oder als Einnahme erwartet wird. Diese Rolle beschreibt der Zins. Doch obwohl Zinsen etwas ganz „Normales“ sind, hatten sich viele daran gewöhnt, dass es einige Jahre lang fast keine Zinsen gab – nicht für Sparer und nur ganz wenig für Kreditnehmer. Die Nullzinspolitik war eine Reaktion auf die Bankenkrise von 2007 und 2008. Durch den Wegfall des Zinses sollte die Versorgung mit Geld sichergestellt und die Wirtschaft angekurbelt werden. Der Erfolg gibt den Notenbankern recht und unterstreicht zugleich, wie wichtig der Zins ist. Als Folge des Krieges in der Ukraine stiegen allerdings weltweit die Preise, die Inflation ist zurück. Das probate Mittel dagegen ist der Zins. Wie wir damit umgehen, ist nach über einem Jahrzehnt mit Null- oder Mini-Zinsen vielleicht etwas in Vergessenheit geraten. Es haben sich Praktiken eingebürgert, die nun nicht mehr funktionieren. Das betrifft leider auch die Apotheken.
Belastung für künftige Übernahmen
Als erster Gedanke liegt dabei die Finanzierung bei der Übernahme oder Neueröffnung einer Apotheke nahe, außerdem bei einem großen Umbau mit neuer Einrichtung. Solche großen Investitionen werden allerdings langfristig finanziert. Wer bis vor etwa einem Jahr eine Apotheke übernommen hat, konnte also noch von den damals sehr niedrigen Zinsen profitieren und hat sich hoffentlich langfristig einen niedrigen Zins gesichert. Doch für heutige und künftige Übernahmen ist das neue Zinsniveau relevant. Es ist eine zusätzliche Belastung neben den anderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Apotheken. Dadurch dürften Apotheken noch schwieriger zu verkaufen sein. Es dürften niedrigere Kaufpreise durchzusetzen sein, weil die Käufer neben dem Kaufpreis auch die Zinsen als Belastung kalkulieren müssen. Für Verkäufer von Apotheken ist das eine weitere Erschwernis.
Herausforderung für die Warenfinanzierung
Bis hierhin geht es nur um Apotheken, bei denen gerade eine Übernahme stattgefunden hat oder demnächst ansteht, und um die wenigen Neugründungen. Doch inwieweit beeinflussen die gestiegenen Zinsen das laufende Geschäft aller Apotheken? Die weitaus größte Position, die im Alltagsgeschäft zu finanzieren ist, bilden die umgesetzten Waren. Dabei geht es insbesondere um die Zeit zwischen der Fälligkeit der Großhandelsrechnungen und der eingehenden Zahlung vom Rechenzentrum. Apotheken mit hohen Barumsätzen haben dabei Vorteile, weil Barzahlungen sofort Liquidität schaffen. Grundsätzlich ist die Finanzierung der Waren zwischen Einkauf und Verkauf eine der wesentlichen wirtschaftlichen Funktionen jedes Handelsunternehmens und zugleich eine große Herausforderung. Das ist also keine Besonderheit der Apotheken. Alle Handelsunternehmen brauchen Strategien für diese Aufgabe. Im Vergleich zu anderen Unternehmen haben die Apotheken sogar den großen Vorteil, dass die Krankenkassen zuverlässig innerhalb von zehn Tagen nach der Abrechnung zahlen, weil der Apothekenabschlag an diese Bedingung gekoppelt ist. Viele andere Unternehmen warten länger auf ihr Geld. Allerdings erzielen andere Unternehmen meist auch höhere Margen, aus denen sich dieses Warten besser finanzieren lässt. Darum verschärft der immer größere Anteil hochpreisiger Arzneimittel das Problem für die Apotheken. Da die Finanzierungskosten vom finanzierten Betrag abhängen, zählt hier nur der magere dreiprozentige Aufschlag, aus dem aber auch alle anderen wertabhängigen Kosten finanziert werden müssen, beispielsweise der Zahlungsverkehr sowie umsatzabhängige Gebühren, Beiträge und Prämien. Mit minimalen Zinsen spielte die Finanzierung lange Zeit kaum eine Rolle, aber dies hat sich inzwischen grundlegend geändert. Bei einer so engen Kalkulation kann schon eine kleine Änderung des Zinses zum Zünglein an der Waage zwischen einer „schwarzen Null“ und einem Verlust werden.
Vereinbarung mit Rechenzentrum oder Kredit von der Bank?
Diesen Herausforderungen sind viele Apotheken bisher mit einer Antwort begegnet, die wiederum speziell für die Arzneimittelfinanzierung ist. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen gibt es hier mit den Apothekenrechenzentren noch einen weiteren Akteur. Maßgeschneidert zur Finanzierungsaufgabe in den Apotheken, haben Rechenzentren in den vergangenen Jahren immer großzügigere Zahlungstermine angeboten. Wenn die Apotheken die abgerechneten Beträge vorzeitig erhalten, können sie wiederum günstige Zahlungsbedingungen beim Großhandel wahrnehmen. Das hat funktioniert, solange die Rechenzentren praktisch keine Zinsen zahlen mussten. Doch es ist absehbar, dass sich eine solche Leistung bei steigenden Zinsen aus den Margen der Rechenzentren kaum finanzieren lässt. Es darf also nicht überraschen, wenn die Rechenzentren ihre diesbezügliche Strategie ändern. In einer Welt mit Zinsen ist es „normal“, dass vorzeitige Zahlungen Geld kosten, und Handelsunternehmen müssen dies berücksichtigen. Im Idealfall können sie die Waren, mit denen sie handeln, aus eigenen Mitteln finanzieren. Wenn diese nicht reichen, bieten sich für diese Aufgabe Banken an. Darum haben Unternehmen üblicherweise eine Hausbank, die das Geschäftsmodell ihres Kunden kennt und einschätzen kann. Die erwarteten Zahlungen der Rechenzentren an die Apotheken sind üblicherweise gut berechenbar, sowohl in der Höhe als auch bezüglich des Termins. Banken, die die Funktionsweise der Sozialversicherung verstehen, sollten dies berücksichtigen und einen fairen Zins anbieten, damit Apotheken die meist kurze Lücke zwischen der fälligen Großhandelsrechnung und der Zahlung des Rechenzentrums überbrücken können. Das sollte billiger sein, als auf Großhandelsskonti zu verzichten. Hier erscheinen spezielle Vereinbarungen hilfreich. Der klassische Kontokorrentkredit ist hingegen ein meist teures Mittel, das die Besonderheiten nicht berücksichtigt.
Alternative Finanzierungsformen oft teuer
Es gibt also durchaus Möglichkeiten für die Apotheken, und dabei können möglicherweise neue Wege nötig sein. Denn vor 2007, als es zuletzt nennenswerte Zinsen gab, waren die Apotheken wirtschaftlich noch besser aufgestellt, und vor allem hatten Hochpreiser noch längst nicht so einen großen Umsatzanteil wie heute. Darum können die Antworten heute anders aussehen als damals, und darum ist auch bei Banken Kreativität gefragt. Ganz viel Kreativität gibt es bei den zahllosen Modellen zur Einkaufsfinanzierung, die ohne klassische Kredite auskommen. Hier ist aber auch Vorsicht geboten. Der Charme solcher Angebote liegt meist darin, dass sie Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen bieten, die schon mit hohen Krediten belastet und nur noch begrenzt kreditwürdig sind. Das trifft hoffentlich auf die wenigsten Apotheken zu. Außerdem sollten solche Konstruktionen nicht nötig sein, um eine kurze Zwischenfinanzierung für die sehr sicheren Forderungen gegen die Krankenkassen zu organisieren. Denn oft sind solche Angebote letztlich teuer, weil noch ein weiterer Akteur mitverdienen will und das geringe Risiko nicht berücksichtigt wird. Auf jeden Fall sollten Apotheken darauf achten, dass ihr Finanzierungskonzept auf die Besonderheiten der Apotheken zugeschnitten ist.
Kaufmännisches und politisches Thema
Die individuellen Konzepte können unterschiedlich aussehen. Doch auf jeden Fall besteht Handlungsbedarf. Die Rückkehr der Zinsen schafft vollkommen neue Ausgangsbedingungen für Finanzierungsfragen in allen Bereichen der Wirtschaft. Wie sehr die Apotheken betroffen sind, lässt auch ein Antrag zum Deutschen Apothekertag in Düsseldorf erahnen. Apothekerkammer und -verband Nordrhein bringen dort einen Antrag ein, mit dem die Hauptversammlung den Gesetzgeber auffordern soll, dafür zu sorgen, dass die Arzneimittellieferungen an Apotheken mit „ausreichend langen Zahlungszielen verbunden“ sind. Dies zeigt die Betroffenheit, dürfte allerdings eine schwierige Aufgabe für die Hauptversammlung werden. Denn es ist zu fragen, wie der Gesetzgeber auf die Geschäftspolitik von Großhändlern und Arzneimittelherstellern einwirken soll. Zahlungsziele sind ein typischer Gegenstand individueller kaufmännischer Vereinbarungen. Daher dürften in erster Linie die Apotheken selbst gefragt sein, ihre Finanzierung zu organisieren und sich dazu mit ihren Geschäftspartnern zu verständigen. Politisch wird das Thema erst im nächsten gedanklichen Schritt. Denn wenn die Apotheken nun in ihrer Kalkulation zusätzliche Finanzierungskosten berücksichtigen müssen, passt die Honorierung über das Kombimodell, dessen Berechnungsgrundlage im Jahr 2002 liegt, noch weniger. Diese zusätzlichen Kosten machen die lange Liste der Gründe für eine Honoraranpassung noch länger. Die Apotheken brauchen aus vielen Gründen mehr Geld, nun kommt die zur Erfüllung des Versorgungsauftrages unabdingbare Finanzierung der Arzneimittel hinzu. |
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