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Arzneimitteltherapiesicherheit

Bei jedem Vierten eine Warnung

Ein neuer Blick auf die häufigsten Interaktionsmeldungen

Zum dritten Mal hat die Bayerische Akademie für Klinische Pharmazie der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) in Zusammenarbeit mit den Qualitätszirkeln Pharmazeutische Betreuung in Bayern eine Datenerhebung zum Thema Arzneimittelinteraktionen vorgelegt. Sie bestätigt die hohe Relevanz des Themas Wechselwirkungen und liefert gleichzeitig einen pragmatischen Ansatz, wie man damit im Apothekenalltag umgehen kann. | Von Kathrin Koller, Sonja Mayer und Markus Zieglmeier

Eine 2018 veröffentlichte Untersuchung von 10.174 Behandlungsfällen in vier Notaufnahmezentren deutscher Kliniken ergab, dass 6,5% der notfallmäßigen Klinikeinweisungen in Zusammenhang mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) stehen. Zählt man nur die Patienten mit einer dokumentierten Arzneimitteltherapie, sind es sogar 11,6%. Interaktionen stellen einen erheblichen Anteil daran. Das Potenzial regelmäßiger AMTS-Checks in Apotheken ist also gewaltig. Vor diesem Hintergrund haben die regelmäßigen Interaktionserhebungen der BLAK eine besondere Brisanz.

Bewährte Methodik – alarmierendes Ergebnis

Als die Interaktionserhebung geplant wurde, war bereits bekannt, dass ABDATA beabsichtigte, das Interaktionsmodul vom ORCA-System der mit Handlungsempfehlung versehenen Interaktionsmeldungen zurück zu einem Schweregrad-bezogenen System zu wechseln. 2019 war damit die letzte Gelegenheit, auf dem ORCA-System basierende Daten zu erheben, um Vergleichsdaten für eine spätere Interaktions­erhebung zu gewinnen.

In den Qualitätszirkeln aus allen Regionen Bayerns wurden die teilnehmenden Apotheken rekrutiert und ihnen ein fes­tes Schema der Erfassung und Dokumentation anhand einer Excel-Tabelle vorgegeben und in einer Schulung nahegebracht. Die ABDA-Datenbank war so einzustellen, dass Interaktionen der Kategorien 1 (schwerwiegende Folgen wahrschein­lich – kontraindiziert) bis 6 (in bestimmten Fällen Überwachung oder Anpassung nötig) und bei Kunden mit Kundenkarte eine 6 Monate zurückreichende Medikationshistorie angezeigt wurden. Die hohe Zahl von 110 Apotheken, die an der Erhebung teilnahmen und auswertbare Erfassungsbögen ablieferten, garantierte ein repräsentatives Ergebnis.

Die Interaktionserhebung 2019 muss vor dem Hintergrund der vorherigen Erhebung von 2011 gesehen werden, die ein alarmierendes Ergebnis zeigte: Jeder sechste Kunde war betroffen, im Schnitt mit 1,6 Interaktionen. Bei circa jedem 200. Kunden war eine kontraindizierte Kombination anzutreffen. Bei der Auswertung 2011 war der Verdacht aufgekommen, dass die teilnehmenden Pharmazeuten sich auf „interessante“ Fälle konzentriert und „weniger interessante“ Kunden nicht einbezogen hatten. Durch die zwingende Vorgabe, 100 aufeinanderfolgende Kunden auszuwerten, wurde dieses Manko in der Erhebung von 2019 beseitigt. Es zeigte sich, dass tatsächlich jeder vierte Kunde von potenziell relevanten Interaktionen betroffen ist: Bei 24,4% aller Kunden, die eine Apotheke betreten, liegt eine Wechsel­wirkung der ORCA-Kategorien 1 bis 6 vor. Im Schnitt wurden pro betroffenem Kunden 1,4 Interaktionen angezeigt. Jede teilnehmende Apotheke dokumentierte durchschnittlich 61 Wechselwirkungen. Circa 5% davon fielen in die Kategorie kontraindiziert, vorsichtshalber kontraindiziert oder in bestimmten Fällen kontraindiziert.

Erwartungsgemäß waren hauptsächlich Senioren betroffen. 70% waren älter als 50 Jahre, 53,6% in den Altersgruppen von 50 bis 79 Lebensjahren. 59% der erfassten Kunden waren weiblich. Frauen repräsentierten auch 58% der erfassten Interaktionen.

26% der Interaktionen, überwiegend (zu 62%) von Laufkundschaft, wurden erst aufgrund der Frage nach weiteren eingenommenen Arzneimitteln detektiert. Darunter waren auch schwerwiegende, als kontraindiziert oder vorsichts­halber kontraindiziert eingestufte Kombinationen. Bei jeder elften Meldung und jedem achten betroffenen Kunden waren OTC-Arzneimittel beteiligt. Auch hier fanden sich schwere, kontraindizierte oder vorsichtshalber kontraindizierte Kombinationen, beispielsweise Saccharomyces boulardii (cerevisiae) + Immunsuppressiva oder Glucocorticoide.

Insgesamt war jeder 240. Kunde von einer schwerwiegenden Interaktion betroffen, die in der ORCA-Klassifikation als kontraindiziert eingestuft war. Wie schon in der Erhebung von 2011 ist in jeder Apotheke mit mindestens einer solchen Interaktion pro Tag zu rechnen, hochgerechnet über 800.000-mal pro Jahr in Bayern.

368 verschiedene ABDA-Nummern wurden erfasst. Die 16 am häufigsten gemeldeten ABDA-Nummern machten 50,3% der erfassten Interaktionen aus. Bei der Erhebung im Jahr 2011 waren es nur 14 Interaktionen gewesen. Tabelle 1 gibt die aktualisierte Häufigkeitsverteilung wieder, wobei hier als Grundlage für konkrete Handlungsempfehlungen die häufigsten 30 ABDA-Nummern gezeigt werden, die 65% der erfassten Wechselwirkungen repräsentieren.

Es erscheint zunächst als Ding der Unmöglichkeit, 38 Interaktionen zu kennen und in ihrer Relevanz bewerten zu können. Sieht man jedoch genauer hin, erkennt man, dass sich Sachverhalte auch hier wiederholen: Eine Interaktion kann mit unterschiedlichen, in der Wirkung ähnlichen Substanzklassen auftreten und hat dann im ORCA-System mehrere ABDA-Nummern. Damit reduzieren sich die Interaktionen, die man kennen sollte, auf die folgenden Meldungen:

NSAR (incl. Cox-2-Hemmer) und Blutdrucksenker bzw. kaliuretische Diuretika (ABDA-Nr. 1, 45, 211, 915, 1065): Diese Interaktion betrifft die Erhöhung des Blutdrucks um durchschnittlich 5 bis 10 mmHg durch Hemmung der Prostaglandin-Synthese durch die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und macht kumuliert über 15% aller Meldungen aus. Wenn das NSAR nur gelegentlich und kurzzeitig eingenommen wird, ist sie klinisch irrelevant. Bei längerer Einnahme (über zwei Wochen) sollte der Blutdruck durch den Patienten engmaschig überwacht und gegebenenfalls vom Arzt nachjustiert werden. Ist der Blutdrucksenker ein ACE-Hemmer oder Sartan, sollte nach einem Diuretikum gefragt werden, umgekehrt ebenso, denn hier besteht langfristig vor allem bei geriatrischen Patienten oder vorgeschädigten Nieren das Risiko eines Triple Whammy. Da die meisten Datenbanken nur zwei Wirkstoffe-Pärchen abgleichen und daher keine Dreierkombinationen anzeigen, wird dies leicht übersehen. Wichtig zu wissen: ASS 100 mg ist zu gering dosiert, um die Prostaglandin-Synthese in relevantem Maße zu hemmen. Von Datenbanken eventuell angezeigte Interaktionen, die darauf basieren, erreichen keine klinische Relevanz.

PPI und Diuretika (ABDA-Nr. 1525): Diese Wechselwirkung betrifft den Magnesium-Mangel als Folge einer verminderten Resorption durch Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sowie die erhöhte Ausscheidung von Magnesium-Ionen durch viele Diuretika und stellt für das pharmazeutische Personal eine Gelegenheit dar, eine glaubwürdige Zusatzempfehlung abzugeben, indem man die Patienten auf Sym­ptome wie Schwäche, Obstipation und Wadenkrämpfe anspricht. In vielen Fällen landet man einen Treffer – und riskiert, in eine weitere Falle zu laufen: Bei dem daraufhin abzugebenden Magnesium-Präparat sollte es sich um ein lösliches Salz (z. B. Mg-Citrat) handeln. Für unlösliche Salze (z. B. Mg-Oxid) reicht möglicherweise unter Protonen­pumpeninhibitoren die Magensäure nicht mehr aus, um die Lösung und damit die Bioverfügbarkeit zu gewährleisten.

Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) (ACE-Hemmer oder Sartane) und kaliuretische Diuretika (ABDA-Nr. 232, 1400) können zu Beginn der Therapie eine starke Blutdrucksenkung verursachen, wenn das Prinzip start low – go slow nicht beachtet wurde. Zu den kaliumsparenden Diuretika gehören Aldosteronantagonisten (z. B. Spironolacton) und cyclische Amidin-Derivate (Triamteren). In über 90% der Fälle ist die gegenseitige Wirkungsverstärkung erwünscht. Die Patienten sollten daher nur bei Neueinstellung zu einer engmaschigeren Blutdruckkontrolle aufgefordert werden. Da die Symptomatik meist im Laufe der Therapie rückläufig ist, kann den Patienten auch geraten werden, sich bei Schwindel hinzulegen und bis zu einem erneuten Arztkontakt, um gegebenenfalls die Medikation anzupassen, zunächst einige Tage abzuwarten.

Schilddrüsenhormone oder Bisphosphonate und polyvalente Kationen (ABDA-Nr. 564, 357): Polyvalente Kationen wie Aluminium-, Bismut-, Calcium-, Eisen-, Magnesium- und Zink-Salze sowie Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln können durch Komplexbildung mit L-Thyroxin oder Bisphosphonaten deren Wirksamkeit senken. Die aktive Frage nach Mineralstoffpräparaten sollte bei jeder Abgabe von Schilddrüsenhormonen, Bisphosphonaten, Tetracyclin/Doxycyclin oder Gyrasehemmern vom pharmazeutischen Personal gefordert werden. Wichtig zu wissen: Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen eine zeitversetzte Einnahme das Problem löst. Die Empfehlungen des Zeitabstands schwanken zwischen einer und vier Stunden.

Tab. 1: Die 30 häufigsten Interaktionen, die in der Befragung angegeben wurden
ABDA-Nr.
Interaktionspartner 1
Interaktionspartner 2
Anteil in%
1
ACE-Hemmer
Antiphlogistika, nichtsteroidale
5,51%
211
Diuretika, kaliuretische
Antiphlogistika, nichtsteroidale
5,43%
1525
Protonenpumpenblocker
Diuretika
4,22%
232
ACE-Hemmer
Diuretika, kaliuretische
3,61%
45
Betablocker
Antiphlogistika, nichtsteroidale
3,35%
564
Schilddrüsenhormone
Kationen, polyvalente
3,22%
189
Antiphlogistika, nichtsteroidale
Glucocorticoide
3,16%
1400
Angiotensin-Antagonisten
Diuretika, kaliuretische
2,98%
111
Beta-Sympathomimetika
Betablocker
2,78%
915
Angiotensin-Antagonisten
Antiphlogistika, nichtsteroidale
2,69%
1302
Simvastatin
Amlodipin
2,43%
967
Acetylsalicylsäure (niedrig dosiert)
Ibuprofen, Dexibuprofen
2,35%
288
ACE-Hemmer
Allopurinol
2,30%
393
Insuline
Betablocker, kardioselektiv bzw. vasodilatierend
2,18%
1145
Antiphlogistika, nichtsteroidale
Serotonin-Reuptake-Hemmer
2,17%
176
Antidiabetika
Schilddrüsenhormone
1,93%
2185
Opioide
Benzodiazepine, Z-Drugs
1,66%
1953
Acetylsalicylsäure (niedrig dosiert)
Metamizol
1,54%
1818
Stoffe, die hyperkaliämisch wirken können
Heparinoide
1,54%
663
Vitamin-D-Derivate
Thiazid-Diuretika
1,42%
1337
Antidepressiva, tricyclische, und Analoge
Neuroleptika
0,98%
2144
Angiotensin-Antagonisten
Spironolacton
0,92%
464
Neuroleptika
Serotonin-Reuptake-Hemmer
0,92%
1442
Faktor-Xa-Inhibitoren
Antiphlogistika, nichtsteroidale
0,91%
2128
ACE-Hemmer
Spironolacton
0,91%
183
Antidiabetika
Glucocorticoide
0,88%
97
Digitalis-Glykoside
Diuretika, kaliuretische
0,76%
1587
Schilddrüsenhormone
Estrogene
0,73%
225
Kaliumsalze
ACE-Hemmer
0,70%
673
Cephalosporine
Wirkstoffe, die den Magen-pH-Wert erhöhen
0,70%

Kombinationen, die das (vor allem gastrointestinale) Blutungs­risiko erhöhen (ABDA-Nr. 189, 1145, 1442, 151, 1478): Dass Kombina­tionen von Gerinnungs- und Thrombozytenaggregationshemmern das Blutungsrisiko erhöhen, ist nicht überraschend. Dennoch kann bei kardiologischen Patienten eine solche Kombination sinnvoll und gewollt sein. Das Magenblutungsrisiko wird dann meist durch einen Protonenpumpeninhibitor reduziert, der 30 Minuten vor der Mahlzeit einzunehmen ist. Was Ärzte jedoch oft übersehen, ist der serotonerge Mechanismus in der Thrombozytenaggregation, durch den auch SSRI und verwandte Antidepressiva das Risiko einer Blutung erhöhen. Der zusätz­liche Einsatz von ulzerogenen Arzneimitteln (NSAR, Glucocorticoide) erhöht dieses Risiko ebenfalls.

Beta-Sympathomimetika und Betablocker (ABDA-Nr. 111): Diese Meldung ist auf Platz 9 der Häufigkeitsverteilung, weil gerade COPD-Patienten sehr oft eine koronare Herzkrankheit (KHK) oder Herzinsuffizienz als Komorbidität haben und Betablocker hier (mit Einschränkungen) Bestandteil der leitliniengerechten Therapie sind. Da Betablocker und Beta-Sympathomimetika an denselben Rezeptoren angreifen, aber direkt an antagonistisch wirken, kann die Wirkung des Beta-Sympathomimetikums verringert sein. Man kann darüber streiten, ob es sich um eine (bei ß1-selektiven Betablockern meist klinisch irrelevante) Interaktion handelt oder eher um eine nicht beachtete (relative) Kontraindikation. COPD-Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen profitieren in der Regel von Bisoprolol, Metoprolol oder Nebivolol und haben meist keine Atemprobleme. Allerdings gibt es auch eine in der COPD-Leitlinie zitierte Studie, der zufolge Metoprolol das Risiko von Klinikeinweisungen erhöht. Bei Asthma und Asthma-COPD-Overlap ist das Risiko der Unverträglichkeit von Betablockern deutlich höher. Der pragmatische Umgang mit der Interaktionsmeldung besteht in der Frage nach Atemproblemen. Ist die Antwort ein Ja, sollte der Betablocker infrage gestellt und gegebenenfalls auch eine Medikationsanalyse plus Inhalatorschulung angeboten werden.

Simvastatin und Amlodipin (ABDA-Nr. 1302): Auf Platz 11 der Rangliste findet sich die erste pharmakokinetische Interaktion: die Hemmung des Abbaus von Simvastatin als Folge der Hemmung von CYP­3A4/CYP3A5 durch Amlodipin. Verzweigt man in die erklärenden Texte, schlägt das Interaktionsmodul die Begrenzung der Simvastatin-Dosierung auf 20 mg vor, um muskuläre Nebenwirkungen zu vermeiden. Der Wechsel auf Rosuvastatin (bei erhaltener Nierenfunktion) oder Atorvastatin (kein Metabolismus am CYP3A5, die Hemmung des CYP3A4 durch Amlodipin ist klinisch irrelevant) in äquivalenter Dosierung ist hier erheblich zielführender. Die LDL-Cholesterol-Zielwerte der aktuellen Leitlinien sind mit 20 mg Simvastatin in der Regel nicht erreichbar.

ASS in Dosierung zur Thrombozytenaggregationshemmung (TAH-Dosierung, 100 mg) und Ibuprofen, Dexibuprofen oder Metamizol (ABDA-Nr. 967, 1953): Zusammen mit der Komplexbildung durch mehrwertige Kationen oder Gerbstoffe ist dies eine der wenigen Interaktionen, bei denen eine zeitversetzte Einnahme sinnvoll ist. Wird das Analgetikum nur gelegentlich eingenommen, ist der Einnahme­zeitpunkt bzw. der Abstand irrelevant. Bei dauerhafter Einnahme des Analgetikums sollte ASS ein bis zwei Stunden vor dem Analgetikum genommen werden. Für die Reihenfolge gibt es eine Eselsbrücke: ASS kommt im Alphabet vor Ibuprofen, Dexibuprofen oder Metamizol. Vorsicht, Falle: Bei magensaftresistenten Monolithen (ASS protect) ist der Zeitpunkt der Wirkstofffreisetzung kaum planbar. Diese Arzneiform ist damit bei dauerhafter Ko-Medikation mit Ibuprofen oder Metamizol nicht sinnvoll.

ACE-Hemmer und Allopurinol (ABDA-Nr. 288): Diese Meldung basiert auf relativ wenigen Fallberichten, die meisten davon mit dem heute kaum noch eingesetzten Captopril. Jedoch kann Allopurinol auch alleine schwere allergische Spätreaktionen (z. B. DRESS oder Stevens-Johnson-Syndrom) auslösen. Die prädisponierenden Genkonstellationen (HLA-Typen) liegen in Mitteleuropa bei circa 4% der Bevölkerung vor, in bestimmten asiatischen Populationen bei 20%. Die wenigsten Hausärzte wissen, dass man einem Koreaner oder Han-Chinesen Allopurinol erst nach einem Gentest verordnen darf, der diese HLA-Typen ausschließt. Der pragmatische Umgang mit Allopurinol besteht also darin, jeden Patienten mit einer solchen Verordnung unabhängig vom ACE-Hemmer nach Hautreaktionen wie Juckreiz und Exanthemen zu fragen. Treten sie auf, ist Allopurinol sofort abzusetzen und ein Arzt aufzusuchen.

Antidiabetika (incl. Insulin) und Betablocker, Schilddrüsenhormone oder Glucocorticoide (ABDA-Nr. 393, 176, 183, 1330): Das Hyperglykämierisiko ist abhängig von Tagesdosis, Therapiedauer und bei Glucocorticoiden abhängig von der Darreichungsform (systemisch > intraartikulär > inhalativ > topisch). Das Einsetzen der Hyperglykämien ist in den ersten Tagen, aber auch noch nach mehreren Tagen bis Wochen möglich. Mögliche Symptome sind Durstgefühl, vermehrtes Trinken/Harnausscheidung und Müdigkeit. Blutzuckerschwankungen treten insbesondere bei Neu­einstellungen oder Umstellungen auf, dann sollte der Blutzucker engmaschiger kontrolliert und gegebenenfalls nachjustiert werden.

Opioide und Benzodiazepine bzw. Z-Substanzen (ABDA-Nr. 2185) führen in Kombination zu einem erhöhten Risiko von Atemdepressionen, insbesondere bei opioidnaiven Patienten. Risikoerhöhend wirken sich unter anderem Alkohol, Gabapentin und Pregabalin aus. Die Kunden sollten also nach der Dauer der Opioidgabe bzw. kürzlich erfolgten Dosis­erhöhungen gefragt und vor Alkoholkonsum bzw. eigenmächtigen Dosiserhöhungen der Hypnotika gewarnt werden.

Additive Erhöhung des Serumkalium-Spiegels (ABDA-Nr. 1818, 2144, 2128, 225) resultiert aus Kombinationen einer RAAS-Hemmung (ACE-Hemmer oder Sartane) mit kaliumsparenden Diuretika, Heparinoiden (selten) oder Kalium-Ionen selbst. Der Patient sollte zwar gefragt werden, ob die Serumelektrolyte regelmäßig kontrolliert werden, keinesfalls jedoch mit Hinweisen auf gefährliche Hyperkaliämien verunsichert werden. Die Kombination aus RAAS-Hemmung und Spironolacton (meist nur 25 mg) ist Teil der leitlinien­gerechten Therapie einer Herzinsuffizienz. Oft findet man dann auch kaliuretische Diuretika (z. B. Torasemid) im Medikationsplan, was von den meisten Datenbanken aber nicht berücksichtigt wird. Bei Patienten z. B. mit Aszites, die meist mit 100 mg Spironolacton behandelt werden, sind symptomatische Hyperkaliämien deutlich wahrschein­licher. Umgekehrt können Schleifendiuretika durch Absenkung des Serumkaliums die Toxizität von Digitalis-Glykosiden erhöhen (ABDA-Nr. 97). Auch hier sollten die Laborkontrollen erfragt werden. Die Kombination wird seltener, weil Digitalis fast nur noch second line zur Rhythmuskontrolle beim Vorhofflimmern eingesetzt wird.

Vitamin D und Thiazid-Diuretika (ABDA-Nr. 663): Auch hier ist es hauptsächlich eine Frage von Dosierungen und Ko-Medikationen, ob eine gefährliche Hyperkalzämie zu befürchten ist. Hydrochlorothiazid (HCT) hemmt reversibel den Natrium-Chlorid-Cotransporter im distalen Tubulus, was zu einer Ausscheidung von Natrium samt Lösungs­wasser führt. Der Natrium-Kalium-Austausch führt zudem zu einer gesteigerten Ausscheidung von Kalium-Ionen. Bei einer Behandlung über einen längeren Zeitraum kommt es zu einer verminderten Ausscheidung von Calcium-Ionen über die Nieren. Bei den üblichen Dosierungen (z. B. 1000 IE Vitamin D und 12,5 mg Hydrochlorothiazid) ist dies kaum der Fall. Schwerwiegende Effekte sind meist unter hoch dosiertem Vitamin D und Thiazid beschrieben. Zusätzliche Calcium-Substitution erhöht, Schleifendiuretika senken das Risiko.

Kombinationen verschiedener Psychopharmaka (ABDA-Nr. 1337, 464, 1384, 2395) können neben additiven sero­tonergen oder noradrenergen Effekten von Antidepressiva zu einer additiven Verlängerung des QT-Intervalls und erhöhtem Risiko von Torsade-de-Pointes-Arrhythmien führen. Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, z. B. höheres Alter, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Schilddrüsenstörung, mehrere kaliummindernde Diuretika oder mehrere Antiarrhythmika. Da insbesondere die Kombination von Citalopram und Escitalopram mit anderen QTc-Zeit-verlängernden Substanzen als kontraindiziert ausgewiesen ist, kommt es hier häufig zu Arztrücksprachen. Ob diese im Einzelfall notwendig sind, sollte entschieden werden, nachdem der Patient zu EKG-Kontrollen befragt wurde. Häufig entscheiden sich Psychiater im Rahmen einer Risikoabwägung (z. B. Arrhythmie- gegen Suizidrisiko) für eine bestimmte Kombination unter EKG-Kontrollen, der Patient ist dann aber in der Regel darüber informiert. Viel höher ist das Risiko, wenn zu Psychopharmaka andere QTc-Intervall-verlängernde Substanzen (z. B. Fluorchinolone) von anderen Ärzten verordnet werden. Dann ist immer davon auszugehen, dass sich der Verordner des Risikos nicht bewusst ist. Wichtig für die Beratung in diesen Fällen: Hochnormale Kalium- und Magnesium-Spiegel bieten einen gewissen Schutz vor dem Auftreten von Kammertachykardien. Während Kalium-Substitution ohne Spiegelkontrolle unterlassen werden sollte, kann die Gabe von 400 mg Magnesium täglich grundsätzlich empfohlen werden.

Östrogene erhöhen die Konzentration des Thyroxin-bindenden Proteins (ABDA-Nr. 1587), kurz nach Therapie­beginn sollte daher der TSH-Wert bestimmt werden. Bei niedrig dosierten Ovulationshemmern ist meist keine Anpassung notwendig.

Cephalosporine und Stoffe, die den Magen-pH-Wert erhöhen (ABDA-Nr. 673): Betroffen sind nur die Ester-Cephalosporine Cefuroximaxetil und Cefpodoximproxetil. Die orale Bioverfügbarkeit dieser Prodrugs ist mit maximal knapp über 50% an sich schon schlecht und leidet unter anderem auch bei Nüchterneinnahme, was insbesondere beim Cefuroxim­axetil die steigende Resistenzrate (z. B. bei E. coli) erklärt. Die Anhebung des Magen-pH-Werts verschlechtert die Verfügbarkeit um bis zu 30% und erhöht das Risiko von Therapieversagern. Der Hinweis, das Antibiotikum nach einer möglichst großen Mahlzeit einzunehmen, ist in jedem Fall sinnvoll. Vorsicht, Falle: Die kurzzeitige Unterbrechung der PPI-Therapie ist nicht zielführend, da Protonenpumpeninhibitoren aufgrund ihres Wirkmechanismus mehrere Tage nachwirken.

Kaliuretische Diuretika und Laxanzien (ABDA-Nr. 486): Diese Interaktion sucht man in der aktuellen Version des Interaktionsmoduls vergeblich, weil die heute eingesetzten Laxanzien wie Lactulose, Macrogol, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat hinsichtlich Hypokaliämien eher unverdächtig sind.

Die „üblichen Verdächtigen“: 16 + 16

16 verschiedene Interaktionsmechanismen, davon nur zwei pharmakokinetische, machen im Apothekenalltag 70% der Meldungen des Interaktionsmoduls aus. Schaut man auf die weiteren vereinzelt gemeldeten Interaktionen, wiederholen sich die Mechanismen, nur wenige neue (z. B. additive anticholinerge Wirkungen) kommen hinzu. Es ist also durchaus möglich, sich mit geringem Aufwand ein Interaktionswissen anzueignen, mit dem man seine Kunden souverän beraten kann.

Das alleine reicht aber noch nicht. Grundsätzlich gilt für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, dass die häufig auftretenden eher harmlos sind, die gefährlichen aber selten – andernfalls wäre das Arzneimittel längst vom Markt genommen worden. Es ist daher notwendig, die Wirkstoffe zu kennen, die uns eher selten begegnen, bei denen aber im Hinterkopf die Alarmglocken läuten sollten. Es handelt sich dabei um 16 Verursacher starker pharmakokinetischer Interaktionen, zumeist hochpotente Inhibitoren oder Induktoren von CYP-Isoenzymen und (meist gleichzeitig) dem p-Glycoprotein:

  • Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Johanniskraut-Extrakte und Rifampicin induzieren,
  • Azol-Antimykotika, Amiodaron, Verapamil, Fluoxetin, Paroxetin, Fluvoxamin, Clarithromycin, Ciprofloxacin, Norfloxacin, Ritonavir und Cobicistat inhibieren.

Die Details muss man im Apothekenalltag nicht auswendig wissen, sie liefert das Interaktionsmodul mit seinen er­klärenden Texten. Natürlich erhebt diese Auflistung der 16 Substanzen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber viele Stoffe, die ein großes Interaktionspotenzial haben (z. B. Cimetidin und Chinidin), werden heute gerade deshalb kaum oder nicht mehr eingesetzt.

Der Umgang mit Interaktionsmeldungen ist eine Gratwanderung zwischen Overalerting mit Verunsicherung des Patienten und Störung der ärztlichen Praxisabläufe einerseits und Override, der Vernachlässigung der pharmazeutischen Sorgfaltspflicht, andererseits. Die Kenntnis der „üblichen Verdächtigen“ ist eine wesentliche Voraussetzung für die Schulung des pharmazeutischen Personals, um diese Aufgabe optimal bewältigen zu können. |
 

Literatur

Literatur beim letztgenannten Verfasser

 

Autoren

Kathrin Koller, Apothekerin, stellvertretende Geschäftsführerin (Pharmazie) der Bayerischen Landesapothekerkammer, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Geriatrische Pharmazie, Medikationsmanager BA KlinPharm

Sonja Mayer, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Geriatrische Pharmazie, Infektiologie, Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer

 

Markus Zieglmeier, Apotheker, studierte Pharmazie an der LMU in München, war von 1989 bis 2020 in der Apotheke des Klinikums Bogenhausen und ist heute in den Dr. Grünberg Apotheken Erding / Ebersberg / München tätig; Promotion zum Dr. rer. biol. hum.; Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Zusatzbezeichnungen: Medikationsmanager BA KlinPharm, Ernährungsberatung und Geriatrische Pharmazie. Seit 2002 ist er verstärkt als Referent und Autor tätig.

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