DAZ aktuell

So will Lauterbach erneute Engpässe bei Kinderarzneimitteln verhindern

Vorbereitungen für die Erkältungssaison / Gesundheitsminister schreibt Bittbrief an Großhandel

ks | Die Erkältungssaison 2023/24 steht vor der Tür. Die große Frage ist: Werden die Lieferengpässe bei Arzneimitteln, speziell solchen für Kinder, erneut so eklatant sein, wie im vergangenen Winter? Bundes­gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat offensichtlich selbst Sorge – und setzt daher auf frühzeitige Bevor­ratung des Großhandels. Auch eine Umfrage der Kassenärztlichen Ver­einigung (KV) Berlin in Arztpraxen zeigt: Die Probleme sind längst nicht ausgestanden – und einige Patientinnen und Patienten fragen jetzt schon nach Rezepten auf Vorrat.

Das kürzlich in Kraft getretene Arzneimittellieferengpass- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) enthält vor allem mittel- und lang­fristige Ansätze, um die Versorgung mit wichtigen (Kinder-)Arzneimitteln sicherzustellen. Daneben führte es erhöhte Vorratspflichten ein. So ist beispielsweise der pharmazeutische Großhandel mittlerweile verpflichtet, Arzneimittel, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro­dukte (BfArM) in seiner Liste pädiatrischer Arzneimittel nach § 35 Absatz 5a Sozialgesetzbuch V aufführt, für einen durchschnittlichen Vier-Wochen-Bedarf vorzuhalten – im Übrigen soll der Vorrat weiterhin dem durchschnittlichen Bedarf von zwei Wochen entsprechen.

Doch vergangene Woche sah sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) veranlasst, weitere Strippen zu ziehen, um Lieferengpässe bei wichtigen Präparaten für Kinder in der kommenden Infektionssaison möglichst zu verhindern. „Nach derzeitiger Einschätzung könnte im kommenden Herbst/Winter für bestimmte essenzielle Antibiotika und weitere relevante Arzneimittel für Kinder eine angespannte Versorgungssituation ent­stehen“, heißt es in einem Brief des Ministers an den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), der der DAZ vorliegt.

BfArM-Dringlichkeitsliste für Herbst-Winter 2023/24

Lauterbach verweist dazu auf eine neue Dringlichkeitsliste für Kinder­arzneimittel des BfArM. Diese enthält 34 Positionen – von Amoxicillin-Pulver über Ibuprofen und Paracetamol in diversen kindgerechten Darreichungsformen bis hin zu Xylometazolin oder Oxymetazolin (Nasenspray, Lösung). Was diese Kinderarzneimittel mit „höchster Priorität“ betrifft, bittet Lauterbach den Großhandel darum, die Beschaffung und Lagerhaltung dieser Mittel „zu intensivieren“. Zudem bittet der Minister den Phagro, sich mit den pharmazeutischen Unternehmen zur Einschätzung der verfügbaren Mengen dieser Arzneimittel für Herbst/Winter 2023/2024 abzustimmen. Ob Lauterbach eine noch längere Bevorratung erwartet, als derzeit gesetzlich vorgegeben, bleibt offen. Doch ernst ist es ihm offensichtlich – er stellt dem Großhandel sogar eine zusätzliche Honorierung in Aussicht. Dazu soll der Phagro die notwendigen finanziellen Aufwendungen des Großhandels für die dringliche Beschaffung und Bevorratung für die Bereitstellung dieser Arzneimittel bis zum Beginn der Infektionssaison Herbst/Winter einschätzen. Wenn die Aufwendungen höher werden und über die mit dem ALBVVG beschlossenen zusätzlichen 3 Cent für den Großhandel hinausgehen, werde sein Haus eine „Gegenfinanzierung prüfen“. Lauterbach spricht von einer „außerordentlich dringlichen Maßnahme“, die zu realisieren sei.

Versorgungsmangel soll bekanntgemacht werden

Nicht zuletzt kündigt der Minister an, dass sein Haus „zur Unterstützung der Bereitstellung für die Arzneimittel der Dringlichkeitsliste eine Bekanntmachung nach § 79 Absatz 5 Arzneimittelgesetz“ vorbereitet – also die offizielle Bekanntmachung eines Versorgungsmangels. Damit würde der Import knapper Arzneimittel vereinfacht. Zudem könnten die Medikamente durch das BfArM kontingentiert und regional besser verteilt werden.

Was der Phagro von der Bitte hält, wollte der Verband nicht kommen­tieren – jetzt wird es erst einmal Gespräche mit dem Ministerium geben.

KV-Umfrage: Engpässe vor allem bei Antibiotika

Dass das Problem der Arzneimittelengpässe keineswegs überwunden ist, zeigen auch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage in Berliner Arztpraxen. 431 Praxen sind dem Aufruf ihrer KV gefolgt und haben mitgemacht, 44 Prozent der Befragten waren Hausärztinnen und -ärzte, 10 Prozent Kinderärzte und -ärztinnen. Demnach berichten 82 Prozent der Praxen, dass ihre Patientinnen und Patienten schon heute nicht mehr alle benötigten Medikamente erhalten – bei den Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten sind es 88 Prozent. Mangelware sind vor allem Antibiotika, dicht gefolgt von Blutdruck-, Fieber- und Schmerzmitteln. Häufig genannt wurden auch Asthmamedikamente und Augentropfen.

Ein gewisser Hamster-Reflex dürfte die Situation kaum verbessern: 55 Prozent der befragten Praxen berichten, dass Patienten bereits um Rezepte über Arzneien bitten, die sie erst in den kommenden Monaten benötigen.

Gefragt wurde auch, ob die Praxen von umliegenden Apotheken gehört haben, dass die Versorgung aktuell oder in der kommenden Erkältungszeit schwierig werden könnte. 63 Prozent beantworteten dies mit „ja“. |

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