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Wie viele sind zu wenige?

Foto: Philip Kottlorz Fotografie

Julia Borsch, Chefredakteurin der DAZ

Die Apothekenzahl geht seit Jahren zurück. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Zuletzt hat sich diese Entwicklung eher noch beschleunigt. So ging die Apothekenzahl im ersten Halbjahr 2023 um 238 zurück, 2022 reduzierte sich die Apothekenzahl im gleichen Zeitraum „nur“ um 205 Apotheken, 2021 in den ersten sechs Monaten um 162. Die Gründe für das Apothekensterben sind hinlänglich bekannt und oft diskutiert: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und daraus resultierend die fehlende Planungssicherheit, Personalmangel sowie die über­bordende Bürokratie sorgen dafür, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen aufgeben oder gar nicht erst den Weg in die Selbstständigkeit wagen. Immer wieder warnt die Standesvertretung vor einem drohenden Versorgungsmangel. Daten zur Apothekendichte oder den Entfernungen zur nächstgelegenen (Notdienst-)Apotheke werden von verschiedenen Akteuren erhoben, ausgewertet und interpretiert (siehe Seite 16). Es ist bislang aber völlig unklar, wie viele Betriebsstätten eigentlich wo für eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erforderlich sind, für die die Apotheken laut Apothekengesetz schließlich zu sorgen haben. Es gibt nicht einmal eine allgemeingültige Definition dafür, was ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln eigentlich bedeutet. Dadurch, dass in Deutschland im Apothekenwesen keine Bedarfsplanung existiert, gibt es hierzu keinerlei Vorgaben. Regeln zur Entfernung zwischen zwei Apotheken gibt es nur für den Notdienst. Zahlen aus anderen Ländern helfen kaum, da die Rahmenbedingungen sich zu sehr unterscheiden.

Die Frage, was man sich hierzulande so unter ordnungsgemäßer Versorgung vorstellt, gilt es aber dringend zu be­antworten. Denn sonst lassen sich alle Maßnahmen, steuernd von außen in das System einzugreifen, nur schwer rechtfertigen und auch nicht hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewerten. Die Apothekerschaft sollte nicht warten, bis seitens der Politik eine Antwort auf die Frage präsentiert wird, wie viele Apotheken eigentlich wo gebraucht werden, um die Versorgung zu sichern. Nein, sie sollte mit einem eigenen Vorschlag voranpreschen und so der Debatte von Anfang an ihren Stempel aufdrücken. DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn hat in diesem Jahr in der DAZ 13 einen ersten Aufschlag gemacht. Weitere Vorschläge aus dem Berufsstand müssen folgen. Die Gefahr ist ziemlich groß, dass die Anhänger des ausländischen Versandhandels, des Dispensierrechts oder des Fremd- und Mehrbe­sitzes ein Wörtchen mitreden werden und genau wissen, wie viele Apotheken erforderlich sind, um dann ihrerseits „Lösungsansätze“ zu präsentieren. Um dem etwas entgegenzusetzen, braucht der Berufsstand eine klare Vorstellung davon, wie viele Apotheken an welchem Ort für die Versorgung der Bevölkerung gebraucht werden und was dafür getan werden muss, um diese zu erhalten.

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