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Recht

Stolpersteine bei Apothekenvertretungen

Was gibt es in Vertretungsfällen zu beachten? Manchmal lauern Stolpersteine und Unsicherheiten, wo man gar keine erwartet. Plant ein Apothekeninhaber Urlaub, wird krank oder fällt aus anderen Gründen aus, liegt es nahe, einen Vertretungs­apotheker zu suchen. Sind im Team nicht ausreichend Ressourcen vorhanden, muss, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, ebenfalls Ersatz her. Oft muss es schnell gehen, etwa als während der Corona-Pandemie mit den sehr kurzfristigen Beschäftigungsverboten für Schwangere zu rechnen war. | Von Michaela Theresia Schwarz

Möglichen Unsicherheiten im Vertretungsfall begegnen

Der Fall wirkt so klar wie einfach. Wurde ein selbstständiger, freiberuflicher Vertretungsapotheker beauftragt, so erhält der Apothekeninhaber nach getaner Arbeit eine Rechnung über die getätigten Leistungen. Eine Anmeldung des Vertretungsapothekers ist nicht nötig, Sozialabgaben müssen vom Inhaber darum nicht abgeführt werden. Dies erledigt die selbststän­dige Vertretung in Eigenregie. Rechnung überwiesen. Fertig. Im Normalfall ist das so. Man könnte sich fragen, wo es hier einen möglichen Stolperstein gibt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Streitigkeiten über den Status von Vertretungsapothekern vor Gericht.

So hatte die Deutsche Rentenversicherung vor einigen Jahren Sozialabgaben von einer Apothekeninhaberin für die von ihr beauftragten Vertretungsapotheker gefordert, mit der Aussage, bei Vertretungen handle es sich um Angestellte mit befristetem Arbeitsverhältnis und nicht um Selbststän­dige. Die Begründung war, dass sie bezüglich Öffnungszeiten, betrieblichen Entscheidungen und der Personalführung weisungsgebunden und zusätzlich in den Betrieb eingegliedert seien. Diese Argumente sprechen demnach gegen eine Selbstständigkeit.

Die betroffene Inhaberin klagte jedoch letztendlich erfolgreich dagegen. Am 10. Juni 2020 entschied das Landes­sozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, dass Vertretungsapotheker unter bestimmten Voraussetzungen selbstständig sein können und somit seitens der Klägerin keine Sozialab­gaben abzuführen sind. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass kein Weisungsrecht der Klägerin gegenüber der Vertretung vorläge und diese somit die Tätigkeit frei gestalten könne. Weiterhin würde von der Vertretung bei jedem Arbeitgeber, für den Vertretungen übernommen werden, das Honorar neu und individuell verhandelt werden.

Dieser Urteilsspruch hat seitdem mehr Klarheit in die Sachlage gebracht und kann Vertretungsapothekern eine Argumentationsgrundlage bieten, um ihre selbstständige Tätigkeit im Zweifelsfall gut rechtfertigen zu können.

Selbstständige Vertretungs-PTA

Doch wie verhält es sich im Falle einer Vertretung durch eine PTA? Ist die PTA bei einer Vermittlungsagentur angestellt und wird so gewissermaßen an eine Apotheke „ausgeliehen“, sollte das kein Problem ergeben. In der Apothekenpraxis kommt es allerdings vor, dass Inhaber selbstständige Vertretungs-PTAs beauftragen. Die Gründe sind vielschichtig, etwa wegen der angespannten Personalsituation, als Vertretungen von kranken Mitarbeitern oder wegen anderen auftretenden Engpässen. Zudem ist eine Vertretungs-PTA meist kostengünstiger als ein Vertretungsapotheker. Obwohl die Angebote an selbstständigen Vertretungs-PTA im Netz zahlreich vorhanden sind, ist Vorsicht geboten. Da eine PTA aus berufsrechtlichen Gesichtspunkten unter der Verantwortung eines Apothekers arbeitet und somit als weisungsgebunden anzusehen ist, verstößt die Missachtung dieses Punktes gegen die Voraussetzungen für selbstständige Tätigkeiten. Aus diesem Grund ist eine derartige selbstständige Vertretungstätigkeit für PTA normalerweise gar nicht erst möglich. Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass es trotzdem so viele Angebote selbstständiger Vertretungs-PTA gibt.

Es liegt die Vermutung nahe, dass hier nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein Richter“ verfahren wird oder die Sachlage vielen PTA und den beauftragenden Inhabern schlichtweg nicht bewusst ist. Und in den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass eine Beauftragung einer selbstständigen Vertretungs-PTA keinerlei Kon­sequenzen nach sich ziehen wird, zumindest solange es zu keiner Betriebsprüfung kommt. Dennoch besteht auch hierbei die Gefahr, dass wie beim oben genannten Fall die Deutsche Rentenversicherung eine Nachzahlung von Sozialabgaben einfordern könnte. Darum ist es ratsam, sich den Sachverhalt bewusst zu machen. Wer möglichen Ärger durch Behörden, auch im Nachhinein, vermeiden möchte, sollte sich im Zweifelsfall die Rechtslage von einem spezialisierten Anwalt erklären lassen und bei der zuständigen Apothekerkammer nachfragen. Dies gilt allgemein, wenn es um das Thema „freie Mitarbeiter“ in der Apotheke geht.

Sicht der Kammern

Wie stehen die Kammern zum Thema freie Mitarbeiter in Apotheken? Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe beispielsweise hat dazu auf ihrer Website ein Merkblatt herausgegeben und Stellung dazu bezogen. Darin schreibt sie, dass der Apothekenleiter nach § 7 Satz 1 Apothekengesetz durch die Betriebserlaubnis zur persönlichen Leitung der Apotheke verpflichtet ist und er darum die pharmazeutische, wirtschaftliche und organisatorische Leitung behalten muss. Weiterhin ist dort zu lesen, dass pharmazeutische Leistungen darum nur im Angestelltenverhältnis erbracht werden dürfen. Weiter heißt es, der Apothekenleiter habe dafür Sorge zu tragen, dass alle Betriebsabläufe weisungsgebunden abgewickelt werden. Der Einsatz von freien Mitarbeitern widerspräche somit den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten. Zudem müsste ein freier Mitarbeiter seine Tätigkeit frei gestalten können, was die Kammer ebenfalls nicht als gegeben betrachtet, da er an festgelegte Arbeitsorte und -zeiten gebunden sei. Sie weist ebenfalls auf die möglichen Nach­zahlungen der Sozialabgaben hin, wenn eine freie Beschäftigung im Rahmen einer Betriebsprüfung bekannt geworden ist.

Ob alle Apothekerkammern gleichermaßen diese Meinung vertreten und ob dabei alle möglichen freien Mitarbeiter, von der Vertretungs-PTA über den Vertretungsapotheker bis hin zur Chefvertretung, gemeint sind, bleibt vermutlich – wie so oft bei rechtlichen Sachverhalten – eine Sache der Auslegung. Ob es Ausnahmen gibt, muss im Zweifelsfall, wie bereits oben beschrieben, individuell durch Nachfrage bei der jeweiligen zuständigen Kammer herausgefunden werden. Zumindest in Bayern scheinen Inhabervertretungen auf Honorarbasis erlaubt zu sein. Das Oberlandesgericht München hatte 2013 festgestellt, dass es kein Gesetz gibt (weder das Apothekengesetz noch die Apothekenbetriebsordnung oder die bayerische apothekerliche Berufsordnung), welches Vertretungen in Apotheken durch selbstständige Apotheker verbieten würde. § 7 des Apothekengesetzes sei, zumindest durch die beklagte Vertretungsapothekerin, nicht tangiert. Damals hatte die Bayerische Apothekerkammer gegen eine Apothekerin geklagt, die auf ihrer Website Vertretungen gegen Honorar beworben hatte. Die Kammer sah eine derartige Vertretung auf Honorarbasis als Verstoß gegen die persönliche Leitungsverpflichtung einer Apotheke durch den Inhaber an.

An alle Versicherungen gedacht?

Hat man sich trotz der vermeintlichen Widrig- und Unstimmigkeiten für einen freiberuflichen Vertretungsapotheker entschieden, ist es ist sicherlich sinnvoll, vorab zu klären, wie es sich mit der Berufshaftpflicht verhält. Selbstständige Vertretungsapotheker haben meist eine eigene Berufshaftpflicht abgeschlossen, um im Falle eines Schadens ausreichend versichert zu sein. Sie sind hierbei in der Regel gut organisiert, da nicht zwangsläufig jeder Schadensfall durch die Haftpflichtversicherung des Inhabers abgedeckt ist, wenn er durch einen freien Mitarbeiter verursacht wurde. Trotzdem ist es nie verkehrt, sich vor Beginn der Vertretung einmal kurz darüber zu unterhalten und im Zweifelsfall bei den Versicherungen nachzufragen, um für den Fall der Fälle abgesichert zu sein – gerade, wenn man zum ersten Mal zusammenarbeitet.

Möchte man auch beim Thema Unfallversicherung vorsorglich Ärger vermeiden, ist es für Sicherheitsbewusste anzuraten, ebenfalls vor der ersten Beauftragung zu klären, ob sich eine der beiden Parteien gegen die Gefahren eines Arbeitsunfalles absichern möchte. Angestellte Mitarbeiter sind über die Berufsgenossenschaft unfallver­sichert. Für freie Mitarbeiter gilt das nicht unbedingt. |

 

Literatur

Arbeitskreis Selbständige/Freiberufliche PTA – Verbands- und Fortbildungsportal des BVpta e. V. www.bvpta.de/bvpta/kontakt-info/arbeitskreise/arbeitskreis-selbstandigefreiberufliche-pta/

Urteils-Ticker. Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, www.lak-bw.de/pharmazie-recht/recht/urteils-ticker.html

Apotheker als freie Mitarbeiter in Apotheken. www.akwl.de/download/akwl/Vertretung_Apotheker_als_freie_Mitarbeiter_in_Apotheken.pdf, Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Sucker-Sket K. Gericht weist Kammer in die Schranken. 31. Januar 2013, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2013/01/31/gericht-weist-kammer-in-die-schranken, Deutscher Apotheker Verlag

Selbstständig als PTA/Zur Konkurrenz-Apotheke. 1. Juli 2012, www.diepta.de/news/selbststaendig-als-pta-zur-konkurrenz-apotheke, Umschau Zeitschriftenverlag GmbH

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker. 1. März 2013, www.dav-awa.de/archiv/2013/1-maerz-2013.html, Deutscher Apotheker Verlag

 

Autorin

Michaela Theresia Schwarz ist Apothekerin, PTA und Fachjournalistin. Nach dem Studium in Regensburg arbeitete sie in Apotheken im In- und Ausland und war im fachredaktionellen Bereich tätig.


Honorartätigkeit hat nicht nur Vorteile

Ein Interview

Minou Hansen, Leitung der Rechtsabteilung bei der Apothekengewerkschaft ADEXA, hat für die DAZ die rechtlichen Vorgaben im Vertretungsfall eingeordnet. Sie gibt konkrete Tipps für Apothekeninhaber, was bei der Einstellung selbstständiger PTA oder Apotheker zu beachten ist.

Foto: Adexa

Minou Hansen, ADEXA-Juristin

DAZ: In nebenstehendem Beitrag beleuchtet die DAZ mögliche Stolpersteine bei der Vertretung von Apothekeninhabern, angestellten Apothekern und PTA. Im Artikel geht es unter anderem um die Annahme, dass PTA eigentlich gar keine selbstständigen Vertretungen in Apotheken übernehmen dürften, da sie gegenüber einem Apotheker weisungsgebunden sind. Dies widerspricht den Prinzipien einer freiberuflichen, selbstständigen Tätigkeit. Auch können sie ihre Tätigkeit nicht frei gestalten. Wie sehen Sie diesen Sachverhalt?
Hansen: Diese Annahme ist grundsätzlich richtig. Gerade weil PTA unter Aufsicht arbeiten, fehlt hier das Moment der Freiberuflichkeit. Außer vielleicht, wenn man eine spezielle Aufgabe übernimmt, bei der man nicht in den Apotheken­betrieb eingegliedert ist.

DAZ: Warum gibt es trotzdem Ihrer Meinung nach derart viele PTA, die als Selbstständige Vertretungen von PTAs in Apotheken übernehmen?
Hansen: Ich denke ebenfalls, dass sich viele der Problematik gar nicht bewusst sind – auch finden PTA es attraktiver, auf Honorarbasis zu arbeiten, weil sie dann (vermeintlich) mehr verdienen. Die Apotheken­leitungen müssen aber bei einer Betriebsprüfung tatsächlich mit einer Feststellung der Versicherungspflicht und damit mit erheblichen Nachzahlungen rechnen. Genauso, wie es im Beitrag beschrieben ist.

DAZ: Ist diese Beobachtung nicht dann ebenfalls auf Vertretungstätigkeiten von Vertretungsapothekern übertragbar, die angestellte Apotheker (keine Inhaber) vertreten?
Hansen: Grundsätzlich schon. Es kann allerdings sein, dass die Rentenversicherung, die ja über den Status entscheidet, den Sozialver­sicherungsstatus unabhängig von der apothekenrechtlichen Beurteilung bewertet.

DAZ: Was sind die Risiken für Inhaber und für die selbstständigen Vertretungen?
Hansen: Das Risiko für die Inhaberinnen und Inhaber besteht darin, dass die Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet werden müssen und zwar für bis zu vier zurückliegende Monate. Das kann auch den Vertretungen passieren, allerdings begrenzt auf drei zurückliegende Monate. Hier dürfte dann der Inhaber die Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend fordern.

DAZ: Wie sieht ADEXA diese Problematik?
Hansen: Wir vertreten die Interessen der angestellten Mitarbeitenden und befürworten deshalb die sozialversicherungsrechtliche Anstellung. Viele Mitarbeitende sehen nicht alle Nachteile, die mit einer Honorartätigkeit verbunden sind: Flexibilität und (höheres) Honorar sind attraktiv. Fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auch die Verlässlichkeit des Einsatzes sind nicht unerhebliche Nachteile. Das hat sich bei einigen unserer Mitglieder gezeigt, die während des letzten Jahres als Honorarkräfte in Impfzentren tätig waren.

DAZ: Umgehen PTA die Probleme selbstständiger Arbeit, wenn sie sich für Vertretungen in Apotheken bei einer Vermittlungsagentur anstellen lassen?
Hansen: Dann hätten zumindest die Mitarbeitenden ein Arbeits­verhältnis mit der Vermittlungsagentur und wären über diese abgesichert.

DAZ: Was könnte man Inhabern und selbstständigen Vertretungen bezüglich der Problematik raten?
Hansen: Unsere Empfehlung ist der Abschluss von (befristeten) Arbeitsverträgen.

DAZ: Das Gerichtsurteil vom 10. Juni 2020 (s. Beitrag „Stolpersteine im Vertretungsfall“) ist vermutlich nicht auf selbstständige PTA übertragbar, nehme ich an? Da es das Problem der Weisungsgebundenheit nicht löst?
Hansen: Das sehe ich auch so. Apothekerinnen und Apotheker, die nicht den Inhaber oder die Inhaberin vertreten, und PTA sind weisungsgebunden und in den Betrieb der Apotheke eingegliedert. Deshalb würde ich auch davon ausgehen, dass das Urteil nicht auf PTA übertragbar ist.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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