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Gurgellösungen leitliniengerecht einsetzen

Seit Beginn der Corona-Pandemie erleben Gurgellösungen einen neuen Aufschwung. Innovative Mund- und Rachenspülungen erobern den Markt und versprechen eine lokale Reduzierung von Erregern in Mundhöhle und Oropharynx. Sie halten Einzug in klinische Hygieneregeln und gelten in Zahnarztpraxen als obligate präprozeduale Übertragungsprophylaxe. Dieser Beitrag schafft einen Überblick über das breit gefächerte Angebot, klärt auf, wie wirksam diese Lösungen sind, und informiert über andere sinnvolle Indikationen für das Gurgeln. | Von Judith Esch 

Vor rund 100 Jahren gelang es dem Assistenzarzt Dr. Haase des Universitätsklinikums Berlin mithilfe von Röntgenaufnahmen, den Rachen während des Gurgelns mit Kontrastmitteln abzubilden. Er zeigte, dass Gurgellösungen nicht über den Gaumenbogen hinaus die hintere Rachenwand und die Mandeln erreichte. Überdies vermochte das Gurgeln mit einer alkoholischen Zitronensaftmixtur eine zuvor mit Methylenblaulösung eingefärbte Rachenwand nicht „mechanisch“ zu entfärben. Vielmehr gelang eine Entfärbung auf „chemischem“ Weg durch kleine Mengen der bleichenden Mischung, die über den Speichel zur Rachenwand vordrang und dann unvermeidlich den Schluckreflex auslöste. Der Arzt stellte nach diesen Experimenten die Sinnhaftigkeit des Gurgelns bei Halsschmerzen und -entzündungen infrage und propagierte den Nutzen von Lutschpastillen und Halsspray [1].

Gurgeln bei infektbedingten Halsschmerzen und Pharyngitis

Tatsächlich ist Gurgeln bei infektbedingten Halsschmerzen mit apothekenpflichtigen Lösungen oder Hausmitteln wie z. B. Kräutertees oder Salzwasser eine gängige Praxis zur Linderung von Beschwerden. Handelsübliche Präparate enthalten ätherische Öle, gelbildende Polysaccharide sowie antiseptische und antibiotische Wirkstoffe (s. Tab.).

Die DEGAM-S3-Leitlinie „Halsschmerzen“ spricht sich jedoch gegen Gurgellösungen aus, die Lokalantiseptika und -antibiotika enthalten. Die Autoren begründen diese Entscheidung mit der fehlenden Plausibilität einer antibiotischen Lokalbehandlung von überwiegend viral verursachten Halsschmerzen. Zudem verweisen sie auf die reine Oberflächenwirkung von Antiseptika, wodurch die „wesentliche Infektion in der Tiefe des Gewebes“ nicht erreicht wird [2]. Auch in der britischen NICE-Guideline „Sore throat (acute)“ wird ausschließlich NSAR-haltigen oder lokalanästhetischen Lutschtabletten zur Schmerzlinderung eine begrenzte Relevanz zugesprochen [3]. Aufgrund der mangelhaften Studienlage und der genannten Einwände wird in der DEGAM-Leitlinie „Halsschmerzen“ keine Empfehlung für NSAR-­haltige Gurgellösungen bei akuten Halsschmerzen ausgesprochen [2].

Tab.: Überblick über gängige Mundspül- und Gurgellösungen [Lauer-Fischer-Taxe]
Inhaltsstoffe
Produkt (Beispiel)
Gurgelindikation
Einordnung / Anmerkungen
Benzydaminhydrochlorid
Tantum Verde® Lösung zum Gurgeln
0,15%
bei Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut;
Leitlinienempfehlung zur Mukositisprophylaxe
Arzneimittel
Chlorhexidinbisgluconat
Chlorhexamed® Fluid 0,1% Lösung
Chlorhexamed® Forte alkoholfrei 0,2% Lösung
Dynexidin® Forte 0,2% Antiseptische Lösung
Glandomed® medizinische Mundspüllösung
Meridol® med CHX 0,2% Antiseptikum
zur vorübergehenden Keimzahlverminderung im Mundraum
Arzneimittel
nach dem Zähneputzen fünf Minuten warten, da Bestandteile von Zahnpasten Chlorhexidin inaktivieren
bei längerfristiger Anwendung reversible Zahnverfärbungen, Schleimhautreizungen und Geschmacksveränderungen
Dequaliniumchlorid
Gurgellösung Ratiopharm® 0,01%
Dequonal®
0,015% (+ Benzalkonium­chlorid 0,035%)
bei bakteriellen Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut
Arzneimittel
nach dem Zähneputzen fünf Minuten warten, da Bestandteile von Zahnpasten Dequaliniumchlorid inaktivieren
Hexetidin
Hexoral® Lösung
0,1%
zur vorübergehenden Keimzahlverminderung im Mundraum
Arzneimittel
nach dem Zähneputzen fünf Minuten warten, da Bestandteile von Zahnpasten Hexetidin inaktivieren
Octenidinhydrochlorid
Octenident® antiseptische Mundspüllösung
0,1%
zur vorübergehenden Keimzahlverminderung im Mundraum
Arzneimittel
Povidon-Iod
Betaisodona® Mund-­Antiseptikum 7,5%
→ in 1:4 Verdünnung 1,5%ig
zur Prophylaxe der strahlenbedingten Mukositis unter Radiochemotherapie
Arzneimittel
Kontraindikation: Iod-­Allergie, Hyperthyreose
Phenoxyethanol
Lactoferrin
Hydroxylapatit
Natriumdodecylsulfat
Zinc PCA
Benzylalkohol
Carboxymethylcellulose
Natriumhyaluronat u. a.
Linola® sept antivirale Mund- und Rachenspülung
zur physikalischen Reinigung und zur Reduzierung der Virenlast der Mundhöhle und des Rachenraums
Medizinprodukt
Salbeiöl, Eukalyptusöl, Pfefferminzöl, Zimtöl, Nelkenöl, Fenchelöl, Sternanisöl
Salviathymol® N Madaus
bei leichten Halsschmerzen, bei Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut
traditionell registriertes Arzneimittel
Xanthan, Natriumhyaluronat, Dexpanthenol, Wasserstoff-peroxid
Gelotonsil®
Gurgelgel
zur Entfernung von Erregern und Linderung von Halsschmerzen
Medizinprodukt
Wasserstoffperoxid
Wasserstoffperoxid 3%
bei Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut
Arzneimittel
Kamillenblütenauszug, Kamillenöl
Kamillosan®
Konzentrat
bei Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut
Arzneimittel
Aloe vera, Kamille, Myrrhe, Süßholzwurzel, Pfefferminzöl, Xanthan
Oroben® Mundspülung
bei Entzündungen von Mund- und Rachenschleimhaut
Medizinprodukt
Thymian-, Eukalyptus-, Pfefferminz-, Anis- und Fenchelöl
Retterspitz® Mund- und Gurgelwasser
bei Mandelentzündungen und zur Mund- und Rachenpflege
Kosmetikum

Gurgeln bei postoperativen Halsschmerzen

Zu den weniger geläufigen Indikationen von Gurgellösungen bei Halsschmerzen zählt das Gurgeln vor Operationen unter Vollnarkose. Neben narkosebedingter Übelkeit und Erbrechen stellen Halsschmerzen durch endotracheale Intubation eine häufige unerwünschte postoperative Begleit­erscheinung dar. Eine auf PRISMA-Richtlinien basierende Metaanalyse zeigte, dass Gurgeln mit antiinflammatorisch wirkendem Benzydamin oder Süßholzwurzel-Extrakt sowie Magnesium oder Ketamin (Off-Label-Use) als präoperative Prophylaxemaßnahme mit einer Reduktion von Halsschmerzen verbunden war [4]. Es wird angenommen, dass Magnesium wie Ketamin als Antagonist an NMDA-Glutamatrezeptoren einer nozizeptiven Reizung der Rachenschleimhaut durch Intubation entgegenwirkt [5].

Gurgeln zur Erregerentfernung

Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde ein verstärkter Fokus auf die desinfizierenden Eigenschaften von Gurgel­lösungen gelegt. Spülen und Gurgeln mit antiseptischen Lösungen sollen die Viruslast in Mund- und Rachenraum reduzieren und so das Risiko einer möglichen infektiösen Aerosolübertragung verringern. Die Hersteller der auf dem Markt befindlichen Präparate setzen dabei erkennbar auf drei verschiedene Wirkprinzipien: Erregerentfernung durch

  • chemisches Prinzip: antiseptische Substanzen
  • physikalisches Prinzip: mechanisches Abtragen während des Gurgelvorgangs
  • Barrieremethode: Verhindern des Eindringens in die Schleimhaut

Chemische Erregerentfernung
In den letzten Monaten erschienen zahlreiche In-vitro-Studien zur Corona-Wirksamkeit von antiseptischen Substanzen, die vielversprechende Resultate im Einsatz zur Viruslastsenkung lieferten, in vivo jedoch nicht überzeugten. In einer aktuelle Metaanalyse analysierten Idrees et al. an der University of Western Australia neben In-vitro- auch In-­vivo-Daten und konnten zeigen, dass Povidon-Iod- und Chlorhexidin-Lösungen in vivo am effektivsten die Viruslast in Mund- und Rachenraum reduzierte. Povidon-Iod war dabei signifikant mit der stärksten Wirksamkeit assoziiert (86%, p = 0,008). Obwohl Chlorhexidin keine erfolgversprechenden In-vitro-Daten aufwies, belegten In-vivo-Studien die zweiteffizienteste Erregersenkung (72%, p = 0,0001). Diese Divergenz beruht auf den kationischen Ladungen des Moleküls, mit deren Hilfe es mehrere Stunden auf der Mundschleimhaut haften bleibt und für eine langanhaltende antiseptische Wirkung sorgt. Gurgellösungen auf Basis von Cetylpyridiniumchlorid und Wasserstoffperoxid zeigten keine signifikante In-vivo-Viruslast­reduktion [6].

Tipps zum richtigen Gurgeln

  • nach den Mahlzeiten oder nach dem Zähneputzen gurgeln
  • Verdünnungshinweise der Produkte beachten
  • zum Gurgeln den Kopf tief in den Nacken legen
  • Luft anhalten während des Gurgelns
  • Gurgellösung nach dem Gurgeln nicht schlucken
  • mit kontrollierter Menge über eine kontrollierte Zeitspanne gurgeln, z. B. mit 15 ml Lösung etwa eine Minute lang
  • wer mit stark schäumenden Präparaten Probleme beim Gurgeln hat, sollte mehrere kleine Portionen nacheinander verwenden, die Gesamtzeit aber einhalten
  • nach dem Gurgeln nicht mit Wasser nachspülen oder die Zähne putzen und eine Trink- und Esspause einlegen

Die AWMF-S1-Leitlinie „Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Er­regern“ von März 2021, auf die von der Bundesärztekammer verwiesen wird, führt Povidon-Iod nicht an. Als präprozeduale Mund- und Rachenspülung empfiehlt die Leitlinie Chlorhexidin 0,2%, Cetylpyridiniumchlorid 0,05% und nicht näher definierte „spezielle ätherische Öl-Formulierungen“ [7, 8]. Die zu diesen Wirkstoffen angeführte Quelle ist eine im Jahre 2019 durchgeführte Metaanalyse, die das Corona-Virus noch nicht berücksichtigt und auf Daten von Gingi­vitis-, Plaque- und Parodontosepatienten beruht [9].

Ätherische Öle zeigten sowohl in vitro als auch in vivo antimikrobielle Aktivität, auch gegen das Corona-Virus [10].

Eine vom Unternehmen Schülke & Mayr finanzierte unkontrollierte explorative Studie untersuchte bei acht mit SARS-CoV-2-infizierten Patienten die Senkung der Viruslast in der Mundhöhle nach Gurgeln mit einer Octenidin-Phenoxy­ethanol-Mischung (Octenisept® Wund- und Schleimhaut­antiseptikum). Bei sieben von acht Probanden konnte eine signifikante Reduktion des Corona-Virus im Speichel beobachtet werden (p = 0,03) [11]. Die Autoren empfehlen die Wirkstoffkombination als nützliche Prävention vor einer SARS-CoV-2-Infektion [11]. Eine vom gleichen Hersteller speziell für den Zweck der Infektionsprävention formulierte Mundspül- und Gurgellösung (Octenident® antiseptische Mundspüllösung) enthält – anders als die Studienprüf­lösung – kein Phenoxyethanol [12]. Es bleibt daher offen, ob sich Octenidin als Einzelsubstanz ebenso zur Keimzahl­reduktion von Corona-Viren eignet. In einer Pilotstudie konnte mit Hexetidin-Lösung die Viruslast nicht signifikant reduziert werden [13].

In Anbetracht der In-vivo-Daten befürworten die Autoren Idrees et al. eine Überprüfung der Richtlinien zur Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion mit Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse zu Povidon-Iod und Chlorhexidin. Als klinisch wirksamste Interventionen sollten diese für Corona-Infizierte und Personen mit hohem Infektionsrisiko zur oralen Viruslastreduktion empfohlen werden [6].

Physikalische Erregerentfernung
Eine rein physikalische Erregerentfernung soll dem Medizinprodukt Linola® Sept Mund- und Rachenspülung als Wirkweise zugrunde liegen. Das Gurgeln mit der Lösung übe laut Autoren einer Pilotstudie „hydrodynamische Kräfte“ (hydrodynamic forces) auf das Mundschleimhautepithel aus; weitere enthaltene Inhaltsstoffe würden die Wirkung verstärken wie z. B. Hydroxylapatit und Natriumdodecyl­sulfat, denen eine entzündungshemmende bzw. virusinaktivierende Wirkung zugeschrieben wird.

Die von dem Unternehmen Dr. Wolff finanzierte unkontrollierte Vorher-Nachher-Studie untersuchte die Wirksamkeit einer einzelnen Spülung mit Linola Sept® an 29 SARS-CoV-2-positiven Patienten. Vor und nach dem Gurgeln wurden Rachenabstriche entnommen und mittels quantitativer Real-Time-PCR (RT-qPCR) ausgewertet. Die Forschenden um Schürmann et al. zeigten einen mittleren Anstieg der Ct-Werte von 26 auf 29,1 und leiteten eine signifikante Senkung der Viruslast im Mund-Rachen-Raum um etwa 90% ab [14]. Studien mit größeren Probandenzahlen und optimiertem Studiendesign sind nötig, um die positiven Daten zu verifizieren.

Oromukosale Erregerbarriere

Mund-, Rachen- und Nasenschleimhaut stellen die Haupteintrittspforte für Erreger von Atemwegsinfektionen dar, die in Form von Aerosoltröpfchen übertragen werden. Der entscheidende Schritt für eine Infektion ist das Andocken der Mikroorganismen an der Schleimhaut. Eine erschwerte Adhäsion verringert demnach das Infektionsrisiko und ermöglicht eine frühe Intervention, Krankheitserreger abzufangen. Der Einsatz von mucoadhäsiven Polymeren wie z. B. Carrageen, Xanthan, Chitosan oder Carbomer als oromukosale und nasale Darreichungsformen gilt als neuartiger Vorstoß in der Infektionsprophylaxe. Diese hochmolekularen Substanzen interagieren mit der Schleimhautoberfläche über unterschiedliche Mechanismen (z. B. Wasserstoffbrückenbindungen, ionische Bindungen) und bilden einen schützenden Film auf dem Zielgewebe [15]. Das Xanthan-haltige Gelotonsil® Gurgelgel entspräche einer solchen oromukosalen Formulierung, es gibt jedoch keine Wirksamkeitsbelege. Studien existieren ausschließlich für die nasale Anwendung.

Forschende der First Moscow State Medical University beschäftigten sich mit der Entwicklung einer optimierten Gelgrundlage zur nasalen Applikation auf Basis von Biopolymeren, welche die Nasenschleimhaut vor eindringenden Erregern schützen sollte. In ihren Untersuchungen zeigte Xanthan optimale mucoadhäsive, adsorptive, osmotische und thermostabile Eigenschaften [16].

Eine Erregerreduktion ohne antiseptischen Wirkstoff belegen zudem zwei placebokontrollierte randomisierte doppelblinde Studien, in denen Nasenspray auf Basis von Carrageen, ein aus Rotalgenextrakt gewonnenes hochmolekulares Polysaccharidpolymer, die Viruslast von Rhino-, Corona- und Influenzaviren signifikant senkte [17]. Mucoadhäsive Polymere bieten neben ihrer Barrierefunktion zudem einen Lösungsansatz für eine verbesserte Verfügbarkeit von Wirkstoffen in der Mundhöhle [18]. Durch verlängerte Kontaktzeit und Verweildauer von Arzneistoffen auf der Schleimhautoberfläche könnte eine effektivere Elimination von rekontaminierenden Erregern erreicht werden, die z. B. aus Atemwegs­sekreten oder Speicheldrüsen „nachrücken“ [19]. Mucoadhäsive Arzneimittelabgabesysteme eröffnen ein vielversprechendes zukünftiges Forschungsfeld, das sich nicht nur auf die Mundschleimhaut beschränkt.

Gurgeln zur Mukositisprophylaxe bei Radiochemotherapie

Zu den weniger bekannten Indikationen für Gurgellösungen zählt die therapieassoziierte Mukositis, die als sehr häufige Folge von Chemo- und/oder Strahlenbehandlungen auftritt. Abhängig von Art und Dosierung der Zytostatikagabe bzw. Strahlenbelastung kommt es zu unterschiedlichen Schweregraden von Entzündungen, Ulzerationen und Atrophien der Schleimhaut, die den gesamten Gastrointestinaltrakt betreffen können. Die orale Mukositis geht mit starken Schmerzen, Beeinträchtigung der Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme und erhöhtem Infektionsrisiko einher, die Rekonvaleszenz und Therapieerfolg beeinträchtigen [20, 21].

Neben einer ausgedehnten Mundhygiene, Vermeidung von Noxen wie z. B. Rauchen oder Alkohol und medikamentösen Interventionen gehören Mundspül- und Gurgellösungen zu den prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen mit belegtem Nutzen. Sie sorgen für eine gute Befeuchtung der Schleimhaut, reduzieren Mikroorganismen in der Mundhöhle und verringern Schmerzen und Entzündungen [20].

Die AWMF-S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“ empfiehlt das vorbeugende Spülen und Gurgeln mit physiologischer Kochsalzlösung, bei Strahlentherapie auch Benzydamin-Lösung. Das nichtsteroidale Antiphlogistikum, welches über eine Verringerung der Zytokin- und Prostaglandinsynthese wirkt, zeigt neben schmerz­lindernden und antiinflammatorischen Eigenschaften auch eine antibakterielle und lokalanästhetische Wirkung [20, 21].

Eine aktuelle Metaanalyse der Johns Hopkins School of Nursing in Baltimore bestätigte, dass Benzydamin-Lösung Mund- und Halsschmerzen im Rahmen einer oralen Mukositis reduzierte und mit einem verlängerten Opioid-freien Zeitintervall assoziiert war [21]. Zur Schmerzlinderung einer bereits bestehenden oralen Mukositis ist der Off-Label-Use von 0,5%iger Doxepin-Mund- und Gurgellösung möglich; NaCl-Spülungen sollten weiter fortgeführt werden.

Für Salbei- und Lidocain-basierte Lösungen fehlen Daten, um Aussagen über die Wirksamkeit zu treffen. Obwohl es mit Betaisodona® Mund-Antiseptikum ein zugelassenes Medikament gibt, liegt laut Leitlinie auch für Povidon-Iod-Lösung keine ausreichende Evidenz vor [20].

Positive Ergebnisse wurden in einer US-amerikanischen Phase-II-Studie erzielt, in der das zusätzliche Spülen und Gurgeln von Methylenblaulösung bei 60 Mukositispatienten neben der Standardtherapie untersucht wurde. Schon geringe Konzentrationen von 0,025% führten signifikant zu einer stärkeren Schmerzlinderung als die konventionelle Behandlung allein (p = 0,0071) [22].

Auch wenn Mund- und Gurgellösungen lediglich zu den begleitenden Interventionsmöglichkeiten gehören, sind sie doch eine wichtige prophylaktische und therapeutische Teilmaßnahme. Eine verhinderte oder erfolgreich behandelte Mukositis bedeutet nicht nur eine verbesserte Lebensqualität, sondern gewährleistet zudem eine ununterbrochene Krebstherapie, wodurch die Überlebenschancen erhöht werden [21].

Halsspray vs. Gurgellösung

Foto: W. Kircher

Durch Gurgeln und Spülen mit Lösungen werden die Zähne, der Zungengrund und die Schleimhaut im Mund nur bis zum vorderen Gaumenbogen benetzt, wie der Versuch mit einer blau gefärbten Lösung zeigt. Um Gaumenmandeln, hinteren Gaumenbogen oder gar den tieferen Rachen zu erreichen, erscheint es sinnvoller, flüssige Arzneimittel zur Behandlung der Gaumenmandeln und des Rachens einzusprühen, wobei der Patient ein lautes A sprechen sollte, wodurch das Gaumensegel angehoben und ein Einatmen des Sprühaerosols vermieden wird [25].

Nahezu 100 Jahre nach den röntgenologischen Experimenten des Dr. Haase bestätigte eine australische Studie mithilfe von Lebensmittelfarbe, dass mit einem Halsspray die hintere Rachenwand besser erreicht und benetzt werden kann als mit Gurgellösungen [23]. Diese Ergebnisse galten jedoch nur für Personen, bei denen das Sprayaerosol nicht durch die Zungenanatomie behindert wurde. Die Zungengröße bzw. der Stand des Zungengrundes und des Zäpfchens werden nach der Friedman-Zungenposition beschrieben. Die Zungenpositionen I und II nach Friedman erlauben in natürlicher Zungenhaltung zum Gaumen eine vollständige Sicht auf Zäpfchen und Teile der Mandeln. Bei Positionen III und IV werden diese durch die physiologische Zungenstellung verdeckt, was eine optimale Sprayverteilung im hinteren Rachen möglicherweise unterbindet [23, 24]. Die Wahl zwischen Gurgellösung oder Halsspray ist, abhängig von Indikation, Anatomie sowie persönlichen Vorlieben, immer eine individuelle Entscheidung [23] und sichert beiden Darreichungsformen einen Platz im Apothekenregal.

Fazit

Zur Pflege, Befeuchtung und Reduktion von Erregern in Mund- und Rachenraum können Gurgellösungen gute Dienste leisten. Nachteilig ist die geringe Erreichbarkeit tieferer Halsabschnitte, zu denen Sprays oder Lutschtabletten vermutlich leichter vordringen. Für die meisten Wirkstoffe ist die Studienlage weiter ausbaufähig (In-vivo-Daten, Probandenzahl und anderes), einige von ihnen stellen jedoch ein vielversprechendes Potenzial für die praxisbezogene Anwendung in Aussicht. |
 

Literatur

[1] Haase W. Über das Gurgeln. Klinische Wochenschrift 1935;14(35):1244-1245

[2] Halsschmerzen. S3-Leitlinie, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), AWMF-Registernummer: 053-010. Stand: Oktober 2020

[3] Sore throat (acute): antimicrobial prescribing. NICE guideline, Stand: Januar 2018.

[4] Wang G, Qi Y, Wu L et al. Comparative Efficacy of 6 Topical Pharmacological Agents for Preventive Interventions of Postoperative Sore Throat After Tracheal Intubation: A Systematic Review and Network Meta-analysis. Anesth Analg 2021;133(1):58-67

[5] Kuriyama A, Maeda H, Sun R. Topical application of magnesium to prevent intubation-related sore throat in adult surgical patients: a systematic review and meta-analysis. Can J Anaesth 2019;66(9):1082-1094

[6] Idrees M, McGowan B, Fawzy A et al. Efficacy of Mouth Rinses and Nasal Spray in the Inactivation of SARS-CoV-2: A Systematic Review and Meta-Analysis of In Vitro and In Vivo Studies. Int J Environ Res Public Health 2022;19(19):12148

[7] Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern. S1-Leitlinie, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und weitere Fachgesellschaften und Organisationen, AWMF-Registernummer: 083-046, Stand: April 2021.

[8] Risikomanagement. Informationen der Bundeszahnärztekammer, Stand: 15. Juli 2022, www.bzaek.de/berufsausuebung/sars-cov-2covid-19/risikomanagement.html

[9] Marui VC, Souto MLS, Rovai ES et al. Efficacy of preprocedural mouthrinses in the reduction of microorganisms in aerosol: A systematic review. J Am Dent Assoc 2019;150(12):1015-1026.e1

[10] Mezarina Mendoza JPI, Trelles Ubillús BP, Salcedo Bolívar GT et al. Antiviral effect of mouthwashes against SARS-COV-2: A systematic review. Saudi Dent J 2022;34(3):167-193

[11] Smeets R, Pfefferle S, Büttner H et al. Impact of Oral Rinsing with Octenidine Based Solution on SARS-CoV-2 Loads in Saliva of Infected Patients an Exploratory Study. Int J Environ Res Public Health 2022;19(9):5582

[12] Octenident® antiseptic – Mundantiseptikum zur Prävention von Infektionen. Produktinformation Schülke & Mayr. Stand: Januar 2022

[13] Ogun SA, Erinoso O, Aina OO et al. Efficacy of Hexetidine, Thymol and Hydrogen Peroxide-Containing Oral Antiseptics in Reducing Sars-Cov-2 Virus in the Oral Cavity: A Pilot Study. West Afr J Med 2022;39(1):83-89

[14] Schürmann M, Aljubeh M, Tiemann C et al. Mouthrinses against SARS-CoV-2: anti-inflammatory effectivity and a clinical pilot study. Eur Arch Otorhinolaryngol 2021;278(12):5059-5067

[15] Ivanova N, Sotirova Y, Gavrailov G et al. Advances in the Prophylaxis of Respiratory Infections by the Nasal and the Oromucosal Route: Relevance to the Fight with the SARS-CoV-2 Pandemic. Pharmaceutics 2022;14(3):530

[16] Bakhrushina E, Demina N, Krasnyuk I et al. Development of the Composition of the Biopolymer Base for Nasal Gel. Drug Research 2020;70(02/03):97-100

[17] Koenighofer M, Lion T, Bodenteich A et al. Carrageenan nasal spray in virus confirmed common cold: individual patient data analysis of two randomized controlled trials. Multidiscip Respir Med 2014;9(1):57

[18] Garg A, Garg S, Kumar M et al. Applications of natural polymers in mucoadhesive drug delivery: An overview. Adv Pharm J 2018;3(2):38-42

[19] Ortega KL, Rech BO, El Haje GLC et al. Do hydrogen peroxide mouthwashes have a virucidal effect? A systematic review. J Hosp Infect 2020;106(4):657-662

[20] Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. S3-Leitlinie, Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. und weitere Fachgesellschaften, AWMF-Registernummer: 032/054OL, Stand: April 2017

[21] Thornton CP, Li M, Budhathoki C et al. Anti-inflammatory mouthwashes for the prevention of oral mucositis in cancer therapy: an integrative review and meta-analysis. Support Care Cancer 2022;30(9):7205-7218

[22] Roldan CJ, Huh B, Song J et al. Methylene blue for intractable pain from oral mucositis related to cancer treatment: a randomized phase 2 clinical trial. BMC Med 2022;20(1):377

[23] Maddaford K, Fairley CK, Trumpour S et al. Sites in the oropharynx reached by different methods of using mouthwash: clinical implication for oropharyngeal gonorrhoea prevention. Sex Transm Infect 2020;96(5):358-360

[24] Friedman M, Hamilton C, Samuelson CG et al. Diagnostic value of the Friedman tongue position and Mallampati classification for obstructive sleep apnea: a meta-analysis. Otolaryngol Head Neck Surg 2013;148(4):540-547

[25] Kircher W. Arzneiformen richtig anwenden – Sachgerechte Anwendung und Aufbewahrung der Arzneimittel. 4., vollständig überarbeitete Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2016

 

Autorin

Judith Esch studierte Pharmazie in Münster. Neben ihrer Tätigkeit in der Offizin und dem Studium an der Freien Journalistenschule Berlin arbeitet sie als freie Autorin für die DAZ.

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