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Arzneimitteltherapiesicherheit
Das schlägt auf den Magen
Gastrointestinale Nebenwirkungen bleiben vielfach unerkannt
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, soviel ist sicher. Oftmals erfassen die unerwünschten Begleiterscheinungen einer Pharmakotherapie den Gastrointestinaltrakt (s. Abb.). Schließlich stellt die orale Route den häufigsten Applikationsweg dar, um ein Arzneimittel nichtinvasiv in den Patienten zu bekommen. Da sich die unerwünschten Arzneimittelwirkungen variabel ausprägen und den Symptomen gastrointestinaler Erkrankungen ähneln, werden sie bei der Diagnosefindung oftmals nicht gleich bedacht. Zum Beispiel in der Speiseröhre: Sodbrennen, Brustschmerzen, Schluckbeschwerden sowie ein Globusgefühl – diese Symptome können schnell als Ausprägungen einer Reflux-Ösophagitis abgetan und behandelt werden. Beginnen die Symptome aber plötzlich und stehen im Zusammenhang mit einer kürzlich begonnenen Medikation, kann sich auch eine medikamenteninduzierte Ösophagitis dahinter verbergen.
Arzneimittel-Ösophagitis oder Reflux?
Zahlreiche Arzneistoffe können die Mukosa der Speiseröhre in Mitleidenschaft ziehen. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID) zählen zu den häufigsten Auslösern, da sie die Schleimhaut lokal reizen können. Aber auch saure Wirkstoffe (z. B. Tetracycline, Eisensulfat und Ascorbinsäure) oder Kaliumchlorid-Präparate, die lokal ein hyperosmolares Milieu erzeugen, greifen die Speiseröhre an [1]. Weitere Beispiele für lokal reizende Arzneistoffe sind außerdem Bisphosphonate (z. B. Alendronsäure), Chinidin, Clindamycin und Zytostatika (z. B. Bleomycin, Cytarabin, Methotrexat) [1, 2]. Oft finden sich die durch Arzneimittel hervorgerufenen Läsionen im mittleren Abschnitt der Speiseröhre. Denn dort, wo der Aortenbogen auf die Speiseröhre drückt, bleiben die Tabletten besonders gern hängen [1]. Aber nicht nur der Wirkstoff, der im Arzneimittel enthalten ist, sondern auch wie er formuliert und wie das Arzneimittel eingenommen wird, spielt eine Rolle. Zum Beispiel kleben gelatinehaltige Hartkapseln oder hygroskopische Immediate-Release-Arzneiformen eher an der Ösophaguswand fest [1]. Wer Tabletten und Kapseln mit zu wenig Wasser oder im Liegen einnimmt (Vorsicht bei Bettlägerigen!) riskiert eine Schädigung seiner Speiseröhre. Das auslösende Arzneimittel sollte zunächst abgesetzt werden, damit die Wunden verheilen können. Therapeutisch kann auf die Beschwerden mit Antazida reagiert werden bzw. auch mit Protonen-Pumpen-Hemmern, wenn gleichzeitig eine Reflux-Ösophagitis besteht [2]. Wichtiger ist aber die Prävention, also die Empfehlung, Arzneimittel aufrecht und mit ausreichend Flüssigkeit einzunehmen. Alternativ kann auch auf andere, z. B. flüssige Arzneiformen ausgewichen werden.
Während die medikamenteninduzierte Ösophagitis Reflux-ähnliche Symptome verursacht, die die Diagnosefindung erschweren, existieren andererseits auch Arzneistoffe, die einen gastroösophagalen Reflux auslösen bzw. verschlimmern können. Bestimmte Wirkstoffe reduzieren den Tonus des unteren Ösophagus-Sphinkters und erleichtern so, dass saurer Mageninhalt aufsteigen kann. Zu diesen Wirkstoffen zählen z. B. Anticholinergika (z. B. Biperiden), Calciumkanal-Blocker (z. B. Verapamil), Parkinson-Therapeutika (z. B. Bromocriptin), Methylxanthine wie Theophyllin und Coffein sowie Gestagen-haltige orale Kontrazeptiva und Hormontherapien [3].
Bauchschmerzen durch nichtsteroidale Antirheumatika
Arzneimittel, die die Speiseröhre schädigen, sind grundsätzlich auch in der Lage, eine Etage tiefer Unheil anzurichten, also im Magen. Die Diagnose in diesem Fall lautet Gastritis – und zwar medikamenteninduziert. Nichtsteroidale Antirheumatika, Bisphosphonate, Tetracycline, Eisensulfat und Zytostatika greifen die Magenschleimhaut an und können im schlimmsten Fall Ulzerationen verursachen [2, 4]. Nicht immer treten dabei Symptome auf. Der eine verspürt gar nichts, andere hingegen leiden unter Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Appetitlosigkeit [4]. Eine gelegentliche Arzneimitteleinnahme wird normalerweise gut vertragen, schädlich wirkt hier vor allem die längerfristige Anwendung der Arzneimittel. Das Paradebeispiel für durch Arzneimittel hervorgerufene Schädigung des oberen Gastrointestinaltraktes sind die nichtsteroidalen Antirheumatika. Im Gegensatz zur Speiseröhre, wo nichtsteroidale Antirheumatika vor allem lokal die Schleimhaut ätzen, spielt im Magen auch die Hemmung der Cyclooxygenasen (COX), insbesondere der COX-1, eine Rolle [2]. Die dadurch verminderte Prostaglandin-Synthese bedeutet, dass mehr Säure und gleichzeitig weniger Hydrogencarbonat und Schleim sezerniert werden, was die Magenschleimhaut anfälliger macht für Schäden und mögliche Blutungen. Systemische Glucocorticoide können die Wundheilung der Magenschleimhaut zusätzlich beeinträchtigen und das Risiko für NSAID-induzierte Ulcera deutlich erhöhen. Das Schadpotenzial der durch die nichtsteroidalen Antirheumatika verminderten Prostaglandin-Synthese betrifft gleichwohl nicht nur den Magen, sondern den gesamten Gastrointestinaltrakt, da vor allem die systemische Wirkung dafür verantwortlich ist. Auch die schädlichen Auswirkungen von Eisensulfat und Kaliumchlorid reichen über den Magen hinaus bis in den Darmtrakt hinein [3].
Einmal als Auslöser einer Gastritis oder Ulzeration erkannt, sollte das betreffende Arzneimittel abgesetzt werden. Protonenpumpen-Inhibitoren haben sich in dem Heilungsprozess als nützlich erwiesen [2]. Gleichwohl soll an dieser Stelle erneut der Stellenwert der Prävention betont werden: Besonders bei Risikopatienten wie älteren Personen sollten nichtsteroidale Antirheumatika nur mit Bedacht eingesetzt werden, was Dosis und Therapiedauer angeht. Bei Bisphosphonaten wiederum kann das Risiko für Speiseröhren- und Magenschäden deutlich reduziert werden, wenn sie ordnungsgemäß eingenommen werden: im Ganzen morgens auf nüchternen Magen mit einem Glas Wasser (mindestens 200 ml) [2]. Mindestens 30 Minuten lang sollen sich die Patienten danach in aufrechter Position befinden.
Ausbleibender Appetit
Wenn Arzneimittel derart auf den Magen schlagen, nimmt das den Betroffenen oft auch den Appetit. Die Lust am Essen trüben können Arzneimittel aber auch unabhängig von einer möglichen Magenschädigung. Viele Arzneistoffe beeinflussen den Geruchs- und/oder Geschmackssinn und beeinträchtigen das Geschmackserlebnis. Oftmals wird diese Nebenwirkung allerdings übersehen. Banalisieren sollte man die Konsequenzen dieser unerwünschten Wirkung allerdings nicht, gerade bei vulnerablen, älteren Patienten mit Polypharmazie. Der getrübte Geschmackssinn führt dazu, dass die Patienten weniger essen und so einen Gewichtsverlust oder eine Mangelernährung riskieren [5]. Andere wiederum versuchen dem Dilemma beizukommen, indem sie intensiver salzen und so ihren Blutdruck nach oben treiben [5]. Wie Arzneistoffe den Geschmack mechanistisch beeinflussen, kann oft nur spekuliert werden. Beispiele für solche Geschmacksverderber sind Chemotherapeutika, Antibiotika (z. B. Metronidazol), Diuretika, Statine oder Antidiabetika wie Metformin [5]. Inhibitoren des Angiotensin Converting Enzyme (ACE-Hemmer) können den Geschmack ebenso verändern. Das könnte in Zusammenhang mit Zink-Ionen stehen, die für die Sinneszellen in den Geschmacksknospen sehr wichtig sind [6]. Captopril z. B. cheliert das Metallion mit seiner Thiol-Gruppe [6]. Als möglicher Therapieversuch könnte deshalb eine Zink-Substitution überlegt werden, auch wenn die Ergebnisse mit dem Mineral in Studien bis jetzt eher durchwachsen waren [5]. Auch trockene Mundschleimhäute, hervorgerufen durch anticholinerge Wirkstoffe, erschweren das Schlucken und können den Genuss beim Essen trüben.
Dass Arzneimittel den Appetit genauso gut steigern können, zeigt wiederum das Beispiel der Psychopharmaka. Schon lange ist bekannt, dass die psychoaktiven Wirkstoffe in unterschiedlichem Maß mit einer Gewichtszunahme assoziiert sind. Besonders deutlich schlägt die Waage bei Antipsychotika aus. Die zusätzlichen Kilos entstehen auf unterschiedlichen Wegen, z. B. greifen die Wirkstoffe mit ihrer komplexen Pharmakologie direkt in die Regulation von Stoffwechselvorgängen ein. Gleichfalls scheinen die Wirkstoffe aber auch direkt den Appetit anzuregen [7]. Da die Antipsychotika gleichzeitig sedierend wirken, sind die Patienten meist auch weniger aktiv, was sich zusätzlich negativ auf das Gewicht auswirkt. Auch der Stimmungsstabilisator Lithium ist dafür bekannt, den Appetit steigern zu können [7]. Patienten sollten über dieses Risiko der Psychopharmaka aufgeklärt und zu einer gesunden Ernährung und ausreichender Bewegung angehalten werden.
Erbrechen durch Zytostatika und Opioide
Unter den gastrointestinalen Nebenwirkungen, die durch Arzneimittel hervorgerufen werden können, stehen Übelkeit und Erbrechen an oberster Stelle. Laut der Sider-Nebenwirkungsdatenbank führen knapp 84% der Wirkstoff (Stand 2015) diese Nebenwirkung in ihrer Fachinformation auf [8].
Sider steht für Side Effect Resource und ist eine englischsprachige Datenbank, die Informationen zu den Nebenwirkungen aus Fachinformationen von Arzneimitteln sammelt (http://sideeffects.embl.de/). Meist treten die Beschwerden akut nach der Einnahme auf und entstehen weniger nach einer chronischen Anwendung, sodass der Auslöser relativ einfach identifiziert werden kann. Geringe Dosierungen sorgen für Übelkeit und hohe Dosierungen lösen meist Erbrechen aus – eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Die Physiologie des Erbrechens ist multifaktoriell und integriert verschiedene Stimuli aus dem Magen-Darm-Trakt sowie zentrale Signale, z. B. aus der Area postrema oder dem Vestibularapparat. So verschieden die Angriffspunkte, so individuell funktionieren auch die Mechanismen der „Übeltäter“ unter den Arzneistoffen. Oftmals ist der auslösende Mechanismus auch nicht bekannt. Besonders häufig und gefürchtet ist Arzneimittel-assoziiertes Erbrechen bei der Therapie mit Zytostatika. Die Nebenwirkung tritt so häufig auf, dass man von einem Klasseneffekt spricht und die einzelnen Wirkstoffe anhand ihres emetogenen Potenzials ordnet (s. Tab. 1). Die Chemotherapeutika schädigen enterochromaffine Zellen im Darm, die daraufhin Serotonin freisetzen, das 5-HT3-Rezeptoren von Vagus-Afferenzen in der Darmwand stimuliert, die zum Brechzentrum projizieren [9]. Außerdem aktivieren Zytostatika die Chemorezeptoren-Triggerzone der Area postrema im Gehirn. Das Areal liegt außerhalb der Blut-Hirn-Schranke und kann so toxische Reize im Blut detektieren und gegebenenfalls Impulse an das Brechzentrum weiterleiten. Die Zone ist reich an Neurotransmitter-Rezeptoren (5-HT3-, Opioid-, Neurokinin-1-, H1-, und Dopamin-Rezeptoren und andere), die auch für eine antiemetische Therapie ausgenutzt werden. Behandelt werden die Zytostatika-assoziierte Übelkeit und das Erbrechen dementsprechend mit 5-HT3-Antagonisten (z. B. Granisetron, Ribosetron®) und Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Aprepitant, Emend®) [9]. Auch Glucocorticoide, meist Dexamethason, wirken antiemetisch [9].
Die Einnahme von Opioiden ist ebenfalls häufig mit Übelkeit und Erbrechen verbunden. Die Moleküle interagieren direkt mit den Opioid-Rezeptoren in der Chemorezeptoren-Triggerzone und rufen so Erbrechen hervor. Auch kortikale Inputs und Opioid-Rezeptoren am Vestibularapparat scheinen eine Rolle zu spielen. 15 bis 40% der Patienten erfahren diese Nebenwirkungen, wenn sie eine Therapie mit Opioiden beginnen [10]. Trotz der Häufigkeit treten die Symptome interindividuell sehr unterschiedlich auf, abhängig vom Bindungsmuster des Opioids und der individuellen Expression der Rezeptoren. Das führt dazu, dass manchmal nur bestimmte Opioide nicht vertragen werden. Orale Präparate scheinen häufiger Übelkeit und Erbrechen hervorzurufen als Parenteralia. Transdermale Systeme sind wiederum nicht überlegen [11]. Generell tritt mit der Zeit eine Gewöhnung ein. Höhere Dosierungen können unter Umständen auch antiemetisch wirken. Aufgrund der interindividuellen Unterschiede kann es hilfreich sein, sowohl unterschiedliche Opioide, Dosierungen als auch Applikationsrouten zu testen. Auch Antiemetika können eingesetzt werden, z. B. Metoclopramid oder Granisetron.
emetogenes Potenzial | parenterale Zytostatika | orale Zytostatika |
---|---|---|
hoch (> 90% der Patienten) | Anthracyclin/ Cyclophosphamid Carmustin Cisplatin Cyclophosphamid > 1500 mg/m2 Streptozocin | Hexamethylmelamin Procarbazin |
moderat (30 bis 90% der Patienten) | Alemtuzumab Bendamustin Carboplatin Clofarabin Cyclophosphamid < 1500 mg/m2 Daunorubicin Doxorubicin Epirubicin Irinotecan Oxaliplatin Temozolomid | Bosutinib Ceritinib Crizotinib Cyclophosphamid Imatinib Temozolomid |
gering (10 bis 30% der Patienten) | Alfibercept Belinostat Bortezumab Brentuximab Cabazitaxel Docetaxel Etoposid 5-Fluorouracil Methotrexat Paclitaxel Pemetrexed Topotecan | Capecetabin Dabrafenib Dasatinib Everolimus Etoposid Fludarabin Lapatinib Nilotinib Sunitinib Thalidomid |
minimal (< 10% der Patienten) | Bevacizumab Bleomycin Busulfan Fludarabin Pembrolizumab Rituximab Trastuzumab Vinblastin | Chlorambucil Erlotinib Melphalan Methotrexat Sorafenib Vismodegib |
Zahlreiche „Übeltäter“ unter den Arzneistoffen
Neben diesen beiden Wirkstoffgruppen existieren zahlreiche weitere Wirkstoffe, die für die unangenehmen Nebenwirkungen sorgen können (s. Tab. 2). Schon wieder fallen die nichtsteroidalen Antirheumatika in diesem Zusammenhang negativ auf. Da die Substanzen im Gastrointestinaltrakt lokal reizend wirken können, gehören Übelkeit und Erbrechen zu den möglichen Nebenwirkungen [10]. Auch die hormonellen Wirkstoffe, die in oralen Kontrazeptiva enthalten sind, können den Magen reizen. Übelkeit und Erbrechen sind zudem häufige Begleiter einer Therapie mit dem Antidiabetikum Metformin, möglicherweise aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit zu 5-HT3-Agonisten [12]. Es wird angenommen, dass das Molekül entweder direkt mit den 5-HT3-Rezeptoren in der Darmwand interagiert oder den Transport von Serotonin beeinflusst [12]. Auch dopaminerge Wirkstoffe zur Therapie des Morbus Parkinson, also Levodopa und Dopamin-Agonisten wie Bromocriptin, stimulieren direkt die Dopamin-Rezeptoren in der Area postrema und lösen auf diesem Wege Übelkeit und Erbrechen aus [10]. Weitere mögliche Aktivatoren der Chemorezeptoren-Triggerzone sind außerdem manche Antibiotika, Digoxin oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) [2, 10]. In vielen Fällen sind die auslösenden Mechanismen allerdings gar nicht genau bekannt, z. B. bei Antiarrhythmika, Antihypertensiva (Betablocker, Calcium-Antagonisten, Diuretika), Antibiotika (z. B. Erythromycin, Tetracyclin, Sulfonamide) oder weiteren Antidiabetika (z. B. GLP-1-Agonisten) [10]. Auch in der Selbstmedikation lauern mögliche Auslöser. Zum Beispiel können Nahrungsergänzungsmittel – insbesondere Eisen-haltige Präparate – den Magen reizen und Übelkeit und Erbrechen auslösen [2]. Abhilfe schaffen kann in milden Fällen oftmals, das betreffende Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel nach einer Mahlzeit einzunehmen, wenn die Einnahme nicht auf nüchternen Magen erfolgen muss [2]. Auch eine abendliche Einnahme kann die Symptome lindern, da das Brechzentrum im Schlaf nicht durch ein Schwindelgefühl aktiviert werden kann. Nicht immer können die auslösenden Arzneimittel abgesetzt werden, sodass die Übelkeit unter Umständen auch medikamentös behandelt werden muss, z. B. mit H1-Antagonisten oder Metoclopramid [2].
Klasse | Arzneistoffe (Beispiele) |
---|---|
Inhalationsnarkotika | Desfluran Enfluran Halothan Lachgas |
Injektionsanästhetika | Ketamin Propofol Thiopental |
Antibiotika | Erythromycin Metronidazol Tetracyclin Tigecyclin Trimoethoprim / Sulfamethoxzol |
kardiovaskuläre Wirkstoffe | Digoxin Antiarrhythmika (z. B. Procainamid) Betablocker Calcium-Antagonisten Diuretika |
zentral aktive Wirkstoffe | Antiparkinson-Therapeutika (Levodopa, Bromocriptin) Antiepileptika (Phenytoin, Valproinsäure) Opioide (Codein, Fentanyl, Hydromorphon) Antidepressiva (Bupropion, Fluoxetin, Paroxetin) |
hormonelle Therapien | Antidiabetika (Metformin, GLP-1-Agonisten) orale Kontrazeptiva |
diverse | Theophyllin Colchicin Eisen-Salze |
Durchfall hat viele Auslöser
Löst ein Arzneimittel Durchfall aus, kann das unterschiedliche Ursachen haben (s. Tab. 3): Schlecht absorbierbare, osmotisch aktive Wirksubstanzen wie Magnesium-Salze, Lactulose und die Zuckeralkohole Sorbitol und Mannitol binden Wasser und triggern eine osmotische Diarrhö. Sekretorischer Durchfall entsteht dadurch, dass die Aufnahme und Sekretion von Ionen aus und in den Darm aus der Balance gerät und somit zu einem Elektrolyt- und damit Wasserüberschuss führt, z. B. hervorgerufen durch Digoxin, Chemotherapeutika (Idarubicin, Epirubicin), nichtsteroidale Antirheumatika und Metformin [13]. Außerdem wird vermutet, dass Metformin die Darmflora verändern kann und auf diesem Wege auch Blähungen und Flatulenzen auslöst [14]. Nicht immer müssen die Nebenwirkungen gleich zu Therapiebeginn auftreten. Fallberichte zu Metformin zeigen, dass unter Umständen auch Jahre vergehen können [15].
Antibiotika-assoziierte Durchfälle entstehen in den meisten Fällen auch durch Störungen der Darmflora, die zu sowohl osmotischer und sekretorischer Diarrhö beitragen oder eine mikrobielle Fehlbesiedlung nach sich ziehen können [2]. Schädigen Wirkstoffe die Darmwand, ist häufig eine exsudative Diarrhö die Folge, ausgelöst z. B. durch Chemotherapeutika, bestimmte Antibiotika (z. B. Clindamycin), nichtsteroidale Antirheumatika und Protonenpumpen-Inhibitoren [13]. Ein weiterer Grund für medikamenteninduzierten Durchfall liegt in der Malabsorption von Nahrungsbestandteilen. Zum Beispiel hemmt der Lipase-Inhibitor Orlistat die Spaltung von Triglyceriden und führt zu fettigen Stühlen (Steatorrhö) [13].
Arzneistoffe beeinflussen außerdem die Darmmotilität. Nicht nur vermehrte Darmbewegungen wie z. B. ausgelöst durch Acetylcholinesterase-Inhibitoren (z. B. Donepezil), Erythromycin oder L-Thyroxin führen dabei zum Durchfall, wie man intuitiv annehmen kann [13]. Verursacht durch eine Hypomotilität können Bakterien im Dünndarm vermehrt proliferieren und zu Durchfall führen, z. B. durch die Einnahme von Anticholinergika oder tricyclischen Antidepressiva [13]. Gestoppt wird der arzneimittelinduzierte Durchfall entweder indem das betreffende Arzneimittel abgesetzt und der Durchfall gegebenenfalls symptomatisch behandelt wird. Kann das Arzneimittel nicht abgesetzt werden, muss die Diarrhö diätetisch und symptomatisch therapiert werden. Vorbeugend kann es hilfreich sein, die Arzneimittel langsam aufzudosieren. Auch Probiotika stellen zur Vorbeugung von Antibiotika-induzierten Durchfällen eine Alternative dar [2].
Mechanismus | Arzneistoffe (Beispiele) |
---|---|
osmotische Diarrhö | Acarbose Antibiotika (Ampicillin) Lactulose Mannitol Magnesium Sorbitol |
sekretorische Diarrhö | Antibiotika Calcitonin Colchicin Metformin Misoprostol nichtsteroidale Antirheumatika Olsalazin Venentherapeutika (Flavonoide) Zytostatika |
motilitätsbedingte Diarrhö | Acetylcholinesterase-Inhibitoren (z. B. Donepezil) Cisaprid Colchicin Makrolidantibiotika |
exsudative Diarrhö | Antibiotika nichtsteroidale Antirheumatika Protonenpumpen-Inhibitoren Statine Zytostatika |
malabsorptive Diarrhö | Antibiotika (Aminoglycoside, Tetracycline) antiretrovirale Wirkstoffe Cholestyramin Colchicin Metformin Orlistat |
Diarrhö durch mikrobielle Proliferation | Antibiotika antiretrovirale Wirkstoffe Immunsuppressiva nichtsteroidale Antirheumatika Zytostatika |
Verstopfung nicht nur durch Opioide
Viele Arzneistoffe üben aber auch einen gegenteiligen Effekt auf den Darmtrakt aus und verlangsamen die Passagezeit des Nahrungsbreis. Die Motilität mindern vor allem anticholinerge Effekte und eine opioide Wirkung an µ-Rezeptoren im Darmnervensystem. Anticholinergika wie Amantadin und Biperiden oder Opioid-Analgetika wie Morphin, Codein und Oxycodon sind deshalb klassische Auslöser einer Verstopfung [2]. Psychopharmaka mit ihrer oft komplexen Pharmakologie interferieren ebenso mit diesen Signalsystemen, insbesondere durch anticholinerge Effekte. Deshalb kann eine Verstopfung auch Nebenwirkung einer Therapie mit Antidepressiva (besonders Tricyclica) oder Antipsychotika (z. B. Chlorpromazin, Clozapin) sein [2]. Unter den kardiovaskulären Wirkstoffen sind es vor allem Calciumantagonisten, die die Darmmuskulatur entspannen, sowie Diuretika (z. B. Furosemid), die den Organismus bei zu wenig Flüssigkeitsaufnahme dehydrieren können, und auf diesem Wege die Darmpassage verlangsamen [2]. Weitere mögliche Auslöser, die es zu beachten gilt, sind Antiarrhythmika (z. B. Propafenon, Flecainid, Procainamid), Parkinsontherapeutika (z. B. Levodopa, Ropinirol, Pramipexol) sowie im OTC-Bereich Nahrungsergänzungsmittel mit Eisen- und Calcium-Ionen und Aluminium-haltige Antazida [2]. Vorgebeugt werden kann der Nebenwirkung mit einer ballaststoffreichen Ernährung, Bewegung und ausreichender Flüssigkeitsaufnahme. Nicht immer kann das betreffende Arzneimittel ausgetauscht oder abgesetzt werden, in diesen Fällen kann mit Laxanzien wie Macrogol der Stuhlgang erleichtert werden. Bei Opioid-assoziierter Verstopfung kann es hilfreich sein, die Wirkstoffe transdermal zu applizieren und zwischen verschiedenen Opioiden zu rotieren. In besonders schweren Fällen können periphere Opioid-Antagonisten wie zum Beispiel Methylnaltrexon erwogen werden [2]. |
Literatur
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[2] Goriacko P, Veltri KT. Adverse Drug Effects Involving the Gastrointestinal System (Pharmacist Perspective). In: Pitchumoni CS, Dharmarajan, T. Geriatric Gastroenterology 2021, 2. Auflage, Springer
[3] Philpott HL et al. Drug-induced gastrointestinal disorders. Postgrad Med J 2014;90:411-19
[4] Liang WY, Lauwers GY. Drug-Induced Gastritis. In: Carneiro F, Chaves P, Ensari A. Pathology of the Gastrointestinal Tract. Encyclopedia of Pathology 2017, 1. Auflage, Springer
[5] Wang T et al. From the Cover: Drug-Induced Taste Disorders in Clinical Practice and Preclinical Safety Evaluation. Toxicol Sci 2017;156:315-324
[6] Tsuruoka S et al. Subclinical alteration of taste sensitivity induced by candesartan in healthy subjects. Br J Clin Pharmacol 2004;57:807-812
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[14] Nabrdalik K et al. Gastrointestinal adverse events of metformin treatment in patients with type 2 diabetes mellitus: A systematic review, meta-analysis and meta-regression of randomized controlled trials. Front Endocrinol 2022;13:975912
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[16] Jordan K et al. 2016 Updated MASCC/ESMO consensus recommendations: Emetic risk classification and evaluation of the emetogenicity of antineoplastic agents. Support Care Cancer 2017;25:271-275
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