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Beratung

Reiselust statt Krankheitsfrust

Verreisen trotz und mit chronischer Krankheit

Mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Herzinsuffizienz ab ins Reisebüro und los geht die Reise? Kann man machen, geht aber mitunter schief. Damit Reiselustige ihr Fernweh nicht mit einem hohen Gesundheitsrisiko bezahlen, sollten chronisch Kranke ihre Pläne vorab mit dem Arzt absprechen. Gründlich vorbereitet und gut angepasst steht einem Urlaub meist nichts im Weg. | Von Anna Carolin Antropov

Chronische Krankheiten dauern definitionsgemäß lange an und können nicht oder nur schwer geheilt werden. Im Alter dominieren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Lungenerkrankungen sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen und Diabetes mellitus [1]. Doch auch Jüngere sind nicht vor Rheuma, Asthma oder Glaukom gefeit. Egal ob berufstätig oder schon in Rente: Viele sehnen sich nach einem Tapetenwechsel und wollen trotz Krankheit verreisen. Ob das ohne Weiteres möglich ist, muss allerdings mit einem klaren „Jein“ beantwortet werden. Denn die Reisefähigkeit hängt von zahlreichen Faktoren ab, insbesondere vom:

  • aktuellen Gesundheits- und Fitnesszustand des Patienten
  • Art und Schwere der Krankheit
  • Reiseziel, geplante Aktivitäten
  • medizinische Versorgung vor Ort
  • Dauermedikation [2].

Auch Fernreise ist nicht gleich Fernreise. Eine starke Immunsuppression verhindert beispielsweise eine Gelbfieberimpfung [3], sodass eine Reise je nach Infektionsgebiet sowohl rechtlich unmöglich als auch gesundheitlich riskant wird. Ein Flug nach beispielsweise Thailand könnte aber realisiert werden. Hepatitis A ist eine der am häufigsten empfohlenen Reiseimpfungen. Patienten, die aufgrund rheumatoider Arthritis mit einer Anti-TNF-alpha-Therapie oder Methotrexat behandelt wurden, erreichten in einer multizentrischen Studie trotzdem einen suffizienten Schutz – sofern sie zwei Impfdosen im Abstand von sechs Monaten erhielten. Nach der ersten Dosis entwickelten hingegen nur 10% der Probanden neutralisierende Antikörper [4]. Auch Patienten, die beispielsweise aufgrund einer Operation ein vorübergehendes Flugverbot haben, könnten womöglich problemlos eine Busreise in den Süden oder eine Kreuzfahrt antreten.

Es kommt also immer darauf an! Natürlich können Apotheker keine medizinische Reiseberatung anbieten. Doch sie können für Risiken sensibilisieren und übernehmen insbesondere bei multimorbiden Patienten eine Lotsenfunktion, indem sie gezielt an den Arzt verweisen. Grund genug, der Reisetauglichkeit auf den Zahn zu fühlen.

Grundsätze: Nicht ansteckend und stabil

Infektiöse und akut ansteckende Krankheiten sind in der Regel eine absolute Kontraindikation für (Fern-)Reisen. Als weitere klare Ausschlusskriterien gelten eine ausgeprägte Anämie (Hämoglobinwert < 7 g/dl, Frauen; < 9 g/dl, Männer), eine aktive Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, dekompensierte Erkrankungen von Leber, Niere oder Herz (NYHA-Stadium III und IV), schwere therapieresistente Herzrhythmusstörungen sowie akute Psychosen oder ein Infarkt innerhalb der letzten sechs Monate [2]. Bei zahlreichen chronischen Krankheiten liegen hingegen nur relative Kontraindikationen für eine Reise vor. Dabei gilt der Grundsatz, dass Patienten einen stabilen Zustand aufweisen müssen und am Reiseziel eine gute medizinische Versorgung und Notfallversorgung möglich sein sollte. Nicht nur Patienten mit beispielsweise multipler Sklerose und chronisch entzündlicher Darmerkrankung sollten sich im Vorfeld über die Erreichbarkeit und Qualität der medizinischen Versorgung informieren. Eine Reiserücktrittsversicherung sowie eine Reisekrankenversicherung sind durchaus sinnvoll. Denn naturgemäß können sich auch stabile Erkrankungen akut verschlechtern und damit die Reise vereiteln, zu einer vorzeitigen Abreise oder ungewollt längerem Aufenthalt zwingen. Arzneimittel sollten mindestens für eine zusätzliche Woche und am besten doppelt eingepackt, also auf Handgepäck und Koffer aufgeteilt werden. So entsteht auch bei Kofferverlust keine kritische Situation. Betäubungsmittel sollten nur mit einer beglaubigten Bescheinigung mitgeführt werden (s. Kasten „BtM nur mit beglaubigter Bescheinigung“). Oft ist es sinnvoll, bestimmte Arzneimittel wie Glucocorticoide oder Antibiotika vorsorglich mitzunehmen. Beispielsweise im Falle einer COPD-Exazerbation könnte der Patient dann im Urlaubsort rasch mit der richtigen Therapie beginnen. Für diese Fälle wird der Arzt eine genaue Aufklärung im Vorfeld vornehmen oder ist für Rücksprachen telefonisch erreichbar.

BtM nur mit beglaubigter Bescheinigung

Verreisen Patienten innerhalb der Länder des Schengener Abkommens für bis zu 30 Tage, dürfen sie ärztlich verordnete Betäubungsmittel mitführen. Hierfür benötigen sie eine ärztliche Bescheinigung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Sie ist vor Reiseantritt von der obersten Landesgesundheitsbehörde zu beglaubigen und maximal 30 Tage gültig [5].

Zum Formular für die Bescheinigung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens gelangen Sie, wenn Sie den Webcode X6KL5 direkt in die Suchfunktion auf DAZ.online eingeben.

Bei einer Reise außerhalb des Schengen-Raums ist die Form der Bescheinigung nicht strikt vorgegeben. Das Internationale Suchtstoffkontrollamt (International Narcotics Control Board, INCB) rät Reisenden zu einer mehrsprachigen ärztlichen Bescheinigung mit Angaben zu Wirkstoff, Dosierung und Dauer der Reise. Das INCB bietet zudem Informationen zu den länderspezifischen Anforderungen, also ob beispielsweise eine behördliche Beglaubigung nötig ist oder nicht [6, 7]. Achtung Langzeitreisende: Viele Länder begrenzen die mitgeführte Menge auf den Bedarf für 30 bis 90 Tage.

Reiseziel an Krankheit anpassen

Grundsätzlich können sich Herz und Lunge von Patienten mit Herzinsuffizienz nur eingeschränkt an große Hitze anpassen. Einerseits wird ihr Kreislauf besonders belastet, andererseits müssen sie bei starkem Schwitzen (Salz- und Wasserverlust!) möglicherweise ihre Diuretika-Dosis an Symptome oder Gewicht anpassen. Bei gleichzeitigem Reisedurchfall besteht ein besonders hohes Risiko für Exsikkose [8].

Aber auch bei Neurodermitis können Sonne, Sand und Hitze zu einer echten Zerreißprobe für die Haut werden. Ideal für diese Patienten wäre neben einem Bergurlaub etwa ein Badeurlaub an der Ost- und Nordsee [9] oder aufgrund des hohen Salzgehaltes am Toten Meer. Wen es dennoch in den Süden zieht, verreist am besten im Frühjahr an das Mittelmeer und achtet konsequent auf eine gute Basispflege, da häufiges Baden die Haut stark austrocknet. Im Sortiment finden sich mittlerweile gut verträgliche Sonnenschutzcremes, auch für Allergiker.

Apropos Haut: Zahlreiche Arzneimittel erhöhen die Photosensibilität oder wirken sogar phototoxisch. Wer dabei nur an Johanniskraut-Extrakte denkt, irrt. Auch für Hydrochloro­thiazid (HCT), Furosemid, seltener ACE-Hemmer, Amlodipin, Nifedipin sowie Clopidogrel wurde eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut beschrieben, um nur einige Beispiele zu nennen [10]. Erst vor einigen Jahren wies im Zusammenhang mit Hydrochlorothiazid ein Rote-Hand-Brief auf ein erhöhtes Risiko für Basaliome und Plattenepithelkarzinome der Haut hin und mahnte zu suffizientem Sonnenschutz. Zudem sollen Patienten sich vor Sonnenlicht und UV-Strahlen schützen und die Exposition einschränken [11].

Auch im Hochgebirge oder am Gletscher sollten Bergfreunde an die erhöhte UV-Strahlung denken. Dabei ist das Wandern in den Dolomiten selbst mit Sonnenschutz nicht für jedermann geeignet, denn mit steigender Höhe nehmen Luftdruck und Luftfeuchtigkeit ab. Konkrete Empfehlungen für Herzkranke bietet eine Veröffentlichung im „European Heart Journal“: Grundsätzlich wird ab 2500 Metern Höhe ein langsamer Aufstieg (maximal 300 bis 500 Höhenmeter pro Tag) empfohlen. Patienten sollten im Vorfeld auf Komorbiditäten wie pulmonale Hypertension, Anämie oder Schlaf-Apnoe untersucht werden und insbesondere bei Einnahme von Diuretika auf eine ausreichende Flüssigkeits­zufuhr achten.

Für Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz (NYHA-Stadien I bis II) scheint eine Höhe bis 3500 Meter sicher zu sein, sofern sie sich nur moderat körperlich betätigen. Patienten mit starker Einschränkung der Belastbarkeit (NYHA-Stadium III) kann leichte Aktivität auf bis zu 3000 Meter gestattet werden. Für Bluthochdruckpatienten kommt es hingegen ganz darauf an, ob und welche weiteren Risikofaktoren vorliegen. Mit entsprechender Medikation und stabilen Werten sind bei milder Hypertonie durchaus auch Expeditionen über 4000 Meter möglich [12].

Da sich der Aufenthalt in der Höhe auch auf die Augen auswirken kann, sollten sich Glaukompatienten vor einer Höhenwanderung einer individuellen Beratung und einer augenärztlichen Kontrolle unterziehen. Das gilt auch für Diabetiker mit ausgeprägter Retinopathie [13].

Dialysepatienten müssen ihren Urlaub nach einer Dialysemöglichkeit ausrichten. Der Verband Deutscher Nierenzentren e. V. führt ein Verzeichnis mit Adressen und Kontakt­daten, so können sich Patienten informieren, wo in Deutschland und Europa eine „Feriendialyse“ möglich ist [14]. Zur Seite gelangen Sie, wenn Sie den Webcode F8WE7 direkt in die Suchfunktion auf DAZ.online eingeben.

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Über den Wolken ...

Im Flugzeug ereignet sich schätzungsweise ein medizinischer Zwischenfall pro 10.000 bis 40.000 Passagiere [15]. Die Zwischenfälle reichen von leichten Befindlichkeitsstörungen bis hin zu ernsten Komplikationen. Am häufigsten treten gastrointestinale Beschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologische und pulmonale Zwischenfälle auf [16]. Aber selbst Polypen oder ein vorheriger Tauchgang können Konsequenzen haben! Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Physik:

... herrscht milde Hypoxie

Boyle-Mariotte? Dalton? Auch wenn das Physik-Staats­examen lange her ist, gelten physikalische Gesetze in Höhe wie Tiefe. Der veränderte Luftdruck während eines Flugs bewirkt eine Reihe von körperlichen Veränderungen. Moderne Flugzeuge haben üblicherweise einen Kabinendruck von rund 750 Hektopascal. Das entspricht etwa einer Höhe von 2500 Metern. Zur Erinnerung: Der Luftdruck auf Meeresspiegelniveau beträgt mit 1013 Hektopascal rund 25% weniger. Nach Dalton entspricht der Gesamtdruck eines Gasgemisches der Summe der Partialdrücke aller anwesenden Gase. Daraus folgt: Der Luftdruck sinkt in dem Maß, in dem der Sauerstoffpartialdruck fällt. Wir erinnern uns an das Gesetz von Henry: Die Menge eines Gases in Lösung ist proportional zu dem Druck des Gases über der Lösung. Dieser beeinflusst also die Oxygenierung des Blutes. Folge ist eine milde Hypoxie, die Sauerstoffsättigung fällt auf etwa 92 bis 95% ab. Der Körper kompensiert dies mit einer Hyperventilation und Tachykardie [16]. Gesunde spüren davon nicht viel. Ist die Sauerstoffsättigung jedoch schon bei Normalbedingungen durch Erkrankungen wie COPD oder Herzinsuffizienz reduziert, gelangen Betroffene in einen Teufelskreis: Die Arterien in der Lunge ziehen sich zusammen, und der Gefäßwiderstand im Lungenkreislauf nimmt zu. Zudem erhöht sich das Herzzeitvolumen. Der Sauerstoffbedarf steigt, und gerade dieser ist knapp! Eine Anämie verstärkt die Probleme zusätzlich.

Ob Patienten mit pulmonalen oder kardialen Erkrankungen eine Sauerstoffgabe während des Flugs benötigen, muss der Arzt individuell abwägen. Als Richtwert fand eine Studie heraus, dass Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung in der Regel ohne zusätzlichen Sauerstoff fliegen können, wenn sie 50 Meter am Stück ohne Atemnot oder Symptome gehen können [17]. Um den Sauerstoffbedarf nicht unnötig zu erhöhen, sollten diese Patienten möglichst ruhig sitzen. Auf dem Platz können sie mit den Füßen wippen, um die Blutzirkulation zu verbessern. Das individuelle Thromboserisiko ist natürlich ebenfalls vom behandelnden Arzt zu evaluieren. Ergänzend zu einer medikamentösen Prophylaxe mit Antikoagulanzien sind Kompressionsstrümpfe eine wirksame Maßnahme. Ein Thrombo­zytenaggregationshemmer ist hingegen ungeeignet und nur in begründeten Einzelfällen sinnvoll [18].

Viel trinken, aber besser keine Kohlensäure

Durch den erniedrigten Luftdruck sowie Bewegungsmangel treten häufig hydrostatische Ödeme auf. Patienten, die ohnehin zu geschwollenen Füßen neigen, lassen besser ihre Schuhe an. Außerdem sollten Reisende viel trinken: Verstärkte Diurese, niedrige Luftfeuchtigkeit und Hyperventilation erhöhen das Risiko für eine Dehydratation. Zusätzlich drohen Kreislaufbeschwerden bis zur Synkope. Auch das Gasgesetz nach Boyle und Mariotte kann während eines Flugs zum Verhängnis werden: Das Produkt aus Druck und Volumen einer abgeschlossenen Gasmenge ist bei gleichbleibender Temperatur konstant. Eine Volumenänderung von rund 20% ist medizinisch insbesondere bei luftgefüllten Hohlräumen oder nach operativen Eingriffen relevant. Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum werden durch die Eustachische Röhre miteinander verbunden. Beim Sinkflug verringert sich das Luftvolumen im Mittelohr, ein Unterdruck entsteht. Gelingt dann kein Druckausgleich, perforiert schlimmstenfalls das Trommelfell (Barotrauma) [2]. Für Patienten mit Polypen oder schwerem Heuschnupfen ist eine Flugreise somit nicht ganz unbedenklich und sollte ärztlich abgeklärt werden.

Im Magen-Darm-Trakt führt die Volumenzunahme zu Blähungsschmerzen und einem unangenehmem Völlegefühl. Das Ablassen der Luft als Flatulenz oder Rülpser wäre zwar sinnvoll, aber für Sitznachbarn unangenehm. Kohlensäure-haltige Getränke sind zu meiden, zusätzlich kann Simeticon Abhilfe verschaffen. Wer ein Stoma trägt, sollte eine besonders große Größe wählen, den Füllungszustand oft kontrollieren und bei Aufblähen rechtzeitig Luft ablassen. Zudem wird empfohlen, einen Stoma-Pass mitzuführen.

Treten Zahnschmerzen auf, sprechen Ärzte von einer „Aerodontalgie“. Hier sind schlecht sanierte Zähne beziehungsweise kleinste Lufteinschlüsse in Füllungen der Übeltäter. Da hilft Kühlen und/oder ein Analgetikum [2].

Bei einem Glaukom könnte es zwar theoretisch durch die Hypoxie während des Flugs zu einer Drucksteigerung und dadurch Schädigung des Nervus opticus kommen. Ein stabil eingestelltes Glaukom ohne ausgeprägte Gesichtsfeldausfälle sei in der Regel aber kein Hindernis für eine Reise, informierte kürzlich das Centrum für Reisemedizin (CRM) in seinem Podcast [19]. Patienten sollten jedoch starke intrathorakale oder intraabdominelle Druckerhöhungen wie durch Kraftsport, Gepäckheben oder Tauchen vermeiden. Zudem müssen sie unbedingt ihre Dauermedikation mitführen und anwenden. Nach operativen Eingriffen am Auge bestehen wie nach jeder Operation vorübergehende Sperr­zeiten für Flüge, welche auch bei anderen akuten Einschränkungen beachtet werden müssen (s. Kasten „Akute Einschränkungen auf Flugreisen“).

Akute Einschränkungen auf Flugreisen

  • akute Mittelohrentzündung/Schnupfen: Besonders wichtig ist die Gabe von abschwellenden Nasentropfen oder -spray vor dem Start sowie insbesondere 30 Minuten vor dem Sinkflug. Kaugummi kauen unterstützt den Druckausgleich.
  • Tauchen: Der letzte Tauchgang muss bei Rückflug mindestens 24 bis 48 Stunden zurückliegen. Andernfalls perlt im Blut gelöster Stickstoff aus, und es droht die Taucherkrankheit (= Dekompressionskrankheit).
  • akuter Knochenbruch: Airlines verbieten aus gutem Grund den Flug mit einem festen Gips in den ersten 24 bis 48 Stunden. Durch den erniedrigten Luftdruck kann das Gewebe deutlich anschwellen, es drohen Durchblutungsstörungen bis hin zu Gewebeschäden. Je nach Zeitpunkt fordern die Fluggesellschaften einen gespaltenen Gips und/oder ein ärztliches Attest [20].

Nach dem Motto „Reiselust statt Krankheitsfrust“ sind gute Planung und Berücksichtigung der persönlichen Gegebenheiten das A und O. Insbesondere multimorbide Patienten sollten ihre Reiseziele rechtzeitig vor der Buchung mit ihrem behandelnden Arzt absprechen und einen Reisemediziner aufsuchen. Für ihre Gesundheit umfasst die Reisefähigkeit mehr als Impfschutz und Malariaprophylaxe. |

 

Literatur

 [1] Gesundheit in Deutschland – wie gesund sind die älteren Menschen? Information des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: Dezember 2015, www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsGiD/2015/08_gesundheit_in_deutschland.pdf?__blob=publicationFile

 [2] Gesenhues S, Ziesché R. Praxisleitfaden Allgemeinmedizin, 5. Auflage Elsevier München 2006: 567-567

 [3] Stamaril® Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionssuspension in einer Spritze, Gelbfieber Impfstoff. Fachinformation der Firma Sanofi Pasteur, Stand: Dezember 2020, https://mein.sanofi.de/produkte/stamaril/downloads?id=/resources/SPC/0900972f80325945/data&pdfName=0900972f80325945

 [4] Askling HH, Rombo L, van Vollenhoven R et al. Hepatitis A vaccine for im-munosuppressed patients with rheumatiod arthritis: a prospective, open-label, multi-centre study. Travel Med Infect Dis 2014;12:134–142

 [5] Reisen mit Betäubungsmittel. Information des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM), www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Betaeubungsmittel/Reisen-mit-Betaeubungsmitteln/_node.html, Abruf am 31. März 2023

 [6] „Travelling internationally with medicines containing controlled substances“ .Informationen des International Narcotics Control Board (INCB), www.incb.org/incb/en/travellers/index.html, Abruf am 31.März 2023

 [7] Country Regulations for Travellers Carrying Medicines Containing Controlled Substances. Informationen des International Narcotics Control Board (INCB), Stand: August 2022, www.incb.org/incb/en/travellers/country-regulations.html

 [8] Jelinek T. CRM Handbuch Reisen mit Risiko. 16. Auflage, 2022, Centurm für Reisemedizin (CRM)

 [9] Menger W. Der Kältereiz als therapeutisches Prinzip bei Neurodermitis, aktuelle Dermatologie 2002:28(12):433-436

[10] Hofmann GA, Weber B. Medikamenten-induzierte Photosensibilität: auslösende Medikamente, mögliche Mechanismen und klinische Folgen. Journal of the German Society of Dermatology 2021;19:19-30

[11] Rote-Hand-Brief zu Hydrochlorothiazid. Information des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM), veröffentlicht am 17.10.2018, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2018/rhb-hydrochlorothiazid.html

[12] Parati G, Agostoni P, Basnyat B et al. Clinical recommendations for high alti-tude exposure of individuals with pre-existing cardiovascular conditions. Eur Hert J. 2018; 39(17):1546-1554

[13] Morris DS, Mella S, Depla D. Empfehlungen der medizinischen Kommission der UIAA Nr 20. Information der International Mountaineering and Climbing Federation (UIAA), Stand: 2010, https://theuiaa.org/documents/mountainmedicine/German_UIAA_MedCom_Empfehlung_Nr20_Augenprobleme_V1-5(1).pdf

[14] Informationen und Broschüre zu nephrologischen Einrichtungen am Urlaubsort. Information des Verbands der Deutschen Nierenzentren e. V., Stand: 2022/2023, www.dnev.de/patienten/feriendialyse/

[15] Cocks R, Liew M. Commercial Aviation in-flight emergencies and the physi-cian. Emergency Medicine Australasia, 2007, https://doi.org/10.1111/j.1742-6723.2006.00928.x

[16] Graf J, Stüben U, Pump S: In-flight medical emergencies. Dtsch Arztebl Int 2012;109(37):591–602.

[17] Akerø A, Christensen CC Edvardsen A et al. Hypoxaemia in chronic obstruc-tive pulmonary disease patients during a commercial flight. European Respiratory Journal 2005;25:725-730

[18] Prophylaxe der venösen Thromboembolie. S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., AWMF-Registernummer: 003-001, Stand: Oktober2015

[19] Reisemedizin auf die Ohren. Podcast des Centrum für Reisemedizin, veröffentlicht am 10.08.2022, https://reisemedizin-podcast.podigee.io/46-neue-episode

[20] Fliegen mit Gipsverband. Informationen der Fluggesellschaft TUI.www.tui.com/service-kontakt/flug/gipsverband, Abruf am 02.04.2023

Autorin

Anna Carolin Antropov, Studium der Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München; praktisches Jahr im Universitätsklinikum Heidelberg, seit Approbation 2016 als angestellte Apothekerin im Raum Rosenheim und als freie Autorin tätig.

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