Arzneimittel und Therapie

Arzneiformen richtig anwenden

Tipps zu kritischen Arzneiformen bei der Interpharm in Göttingen

cel | „Pharmazeutische Betreuung ist kein einmaliges Agieren, sondern ein kontinuierlicher Prozess“, sagt Dr. Philipp Kircher. Der Apotheker hat für die Interpharm 2023 Tipps, wie Apotheker kritische Arzneiformen korrekt an den Patienten bringen.

Der beste Wirkstoff und die raffinierteste Darreichungsform nützen nichts, wenn Patienten ihr Arzneimittel falsch anwenden. Dr. Philipp Kircher, Apotheker und Autor beim Deutschen Apotheker Verlag, gibt bei der diesjährigen Interpharm im Mai in Göttingen (und online) Tipps für die korrekte Arzneimittelanwendung. Die DAZ durfte bereits vorfühlen, was die Teilnehmer erwartet.

Foto: W & B/Julia Rotter

Dr. Philipp Kircher

DAZ: Welches sind Ihrer Ansicht nach die problembehaftetsten Arzneiformen in der Apotheke, bei welchen passieren die gröbsten Fehler?

Kircher: Studien zeigen, dass bronchopulmonale Applikationsformen als „Spitzenreiter“ unter den problematischen Arzneiformen rangieren. Dabei sollten neben den klassischen Pulverinhalatoren und Dosieraerosolen auch Hilfsmittel wie Spacer sowie moderne Cannabis-Verdampfer im Patienten­gespräch berücksichtigt werden. Da­rüber hinaus sind insbesondere konjunktivale Arzneiformen zu nennen, die aufgrund ihrer Fehleranfälligkeit das Potenzial für eine weitere, den Therapieerfolg verbessernde und zudem leicht durchführbare pharmazeutische Dienstleistung hätten. Last but not least werden auch bei parenteralen Arzneiformen zur Selbstinjektion sowie bei transdermalen und peroralen Darreichungsformen häufig Fehler bei der Anwendung beschrieben.

DAZ: Ihrer Meinung nach: Woran hapert es? Sind vielleicht auch manche Apotheker unsicher bei der Anwendung bestimmter Arzneiformen, beispielsweise Adrenalin-Injektoren?

Kircher: Ein wesentlicher Grund ist, dass die Patientinnen und Patienten oft glauben, im Umgang mit der Arzneiform fit zu sein. Nachfragen ergeben aber doch recht folgenreiche Fehlbedienungen. Manchmal argumentieren Patienten auch, dass man ihnen die betreffende Arzneiform ja schon einmal in der Apotheke erklärt habe, und übersehen dabei, dass sie die damals gegebenen Hinweise zwischenzeitlich unbewusst gar nicht mehr beherzigen. Pharmazeutische Betreuung ist ja kein einmaliges Agieren, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Bei den angesprochenen Adrenalin-Pens herrscht beim Patienten häufig leider eine gewisse, völlig unbegründete Anwendungsfurcht. Hier sollte die Apotheke durch Üben der Hand­habungsschritte und Betonung des lebensrettenden Effekts des Arzneimittels dringend gegensteuern.

„50 Tipps, die Sie in keiner Packungs­beilage finden“

Wie können Sie Kunden unterstützen, ihre Arzneimittel korrekt anzuwenden? Im Rahmen des pharmazeutischen Kongresses auf der Interpharm gibt Apotheker und Autor Dr. Philipp Kircher am 5. Mai 2023 seinen Zuhörern dazu „50 Tipps, die Sie in keiner Packungsbeilage finden“.

Informationen und Tickets unter www.interpharm.de

DAZ: Gerade auch geriatrische Patienten haben oft Schwierigkeiten mit der Anwendung von Arzneimitteln. Worauf sollte man bei der Beratung dieser Patientengruppe besonders achten?

Kircher: In der Vor-Ort-Apotheke sehen wir den Patienten vor uns, können dementsprechend seine kognitiven, visuellen und vor allem feinmotorischen Fähigkeiten beurteilen und unterstützend eingreifen, um negative Konsequenzen für die korrekte Anwendung zu vermeiden. Problematisch ist, dass Patientinnen und Patienten sich oft scheuen, solche „Handicaps“, und sei es nur das trivial erscheinende Öffnen einer Primärverpackung, zu artikulieren. Hilfreich ist hier ein feinfühliges Vorgehen und vor allem dem Patienten zu verdeutlichen, dass die Lösung solcher Probleme zu den Aufgaben einer Apotheke gehören.

DAZ: Cannabisblüten in der Apotheke – sind diese nicht prädestiniert, falsch angewendet und dosiert zu werden? Was ist das Problem?

Kircher: Absolut. Oberstes Ziel muss es sein, den Patienten (und in Zukunft eventuell auch Konsumenten) in die Lage zu versetzen, Blüten sicher und in einer definierten Dosis zu applizieren. Neben häufig etwas konfusen Auftitrations-Schemata stellen wir in der Praxis immer wieder Hand­habungsfehler beim Zerkleinern und Sieben der Blüten fest. Beim Applizieren mittels Verdampfer sehen wir Fehler bei der Auswahl der richtigen Temperatur, der Atemtechnik oder der Handhabung des Inhalations-Ballons.

DAZ: Herr Kircher, vielen Dank für das Gespräch! 

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