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ApothekenRechtTag online
Apothekenplattformen: Rechtlicher Ritt auf der Rasierklinge
Welche Grenzen ziehen das Makelverbot und die Unzulässigkeit einer partiarischen Vergütung?
Der Arzneimittelversender Shop Apotheke und die Online-Arztpraxis Zava machten es besonders eindrücklich vor: Sie hatten ihre Angebote im Web so miteinander verquickt, dass Patienten – jedenfalls in bestimmten Indikationsbereichen – die Versorgung „aus einer Hand“ erhielten. Nach dem Online-Arztbesuch konnte direkt das passende Rx-Arzneimittel im Wege des „One-Stop-Shopping“ geordert werden. Eine Traumvorstellung für eine Branche in Goldgräberstimmung. Doch die Gerichte machten dem Konstrukt einen Strich durch die Rechnung.
Selbst wenn die Plattformen sich „nur“ darauf konzentrieren, Verbraucher und Apotheken zueinander zu bringen und Ärzte außen vor lassen, begeben sie sich auf rechtlich dünnes Eis. Grenzen setzen u. a. das Heilmittelwerberecht, das Berufsrecht der Ärzte und Apotheker, das Arzneimittelpreisrecht und seine sozialrechtlichen Ergänzungen sowie das Strafrecht. Mand konzentrierte sich auf drei Kernvorschriften aus dem Apothekenrecht – darunter der neu gefasste § 11 Apothekengesetz, der unter anderem das Makelverbot enthält.
Wie Plattformen arbeiten
Doch zunächst ein Blick auf die gängigen Plattformmodelle im Apothekensektor: Hier handelt es sich meist um Transaktionsplattformen, also virtuelle Marktplätze. Sie bringen nachfragende Kunden mit dem Angebot der ihnen verbundenen Apotheken zusammen. Für Verbraucher erscheint dies erst einmal positiv: Der Markt wird transparent, die Auswahl ist groß. Doch Mand mahnt zur Vorsicht – denn die Plattformbetreiber haben durchaus eigene ökonomische Interessen. Für sie lukrative Anbieter könnten daher bevorzugt werden (wer mehr zahlt, wird höher gerankt) – und damit die Wahlfreiheit der Verbraucher zumindest indirekt gesteuert werden.
Für Apotheken bieten Plattformen auf den ersten Blick ebenfalls Vorteile: Sie können ihren Absatzmarkt erweitern – physisch wie auch geografisch. Doch auch hier gibt es gewichtige Nachteile. So erhöht sich der Konkurrenzdruck über den Preis – zuweilen geben die Plattformen OTC-Preise sogar vor. Zugleich steigen die Kosten – für die Nutzung der Plattform, Werbung oder Lieferdienste. Die Plattformbetreiber streichen dagegen Nutzungsgebühren ein und mischen vielleicht auch mit ihrer eigenen Versandapotheke mit.
Auch mit ihren Nutzungsbedingungen und Verträgen wagen sich die Plattformbetreiber weit vor. Zwar kommen Kaufverträge über Arzneimittel direkt zwischen Kunde und Apotheke zustande (bzw. die Apotheke rechnet über die GKV ab) und es gelten die üblichen Bestimmungen inklusive Widerrufsrecht. Diesem Marktverhältnis vorgeschaltet ist jedoch einmal ein Vermittlungsverhältnis zwischen Plattform und Verbraucher: Der Plattformbetreiber kann die wesentlichen Bestimmungen des Geschäfts vorgeben – was er auch regelmäßig tut. Als „Quasi-Gesetzgeber“ beeinflusse er die Transaktionen so maßgeblich (z. B. das Wann und Wie der Lieferungen und Näheres zu Retouren). Hinzu kommt das Vermittlungsverhältnis zwischen Plattform und Apotheke – meist ein „Partnervertrag“. Es handelt sich hierbei um einen typengemischten Vertrag, der miet- (Bereitstellung von Raum im Netz), dienst- (z. B. Werbung), werk- und maklervertragstypische Elemente enthält. Typisch ist zudem fast immer eine partiarische Vergütungskomponente, die Apotheken an die Plattform zu leisten haben. Dies ist meist ein prozentualer Anteil am Umsatz mit OTC-Arzneimitteln. Dazu kommt bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln oft ein fester, vom Arzneimittelpreis unabhängiger Eurobetrag pro Arzneimittel sowie eine Nutzungspauschale. Der Partnervertrag enthält zudem Regelungen zu Werbung, Bevorratung und Liefermodalitäten (strenge Lieferzeiten).
Knackpunkt partiarische Vergütung
Die Frage ist nun: Ist dies gemessen am Apothekengesetz zulässig? Nach § 8 Apothekengesetz (ApoG) dürfen Apotheken nur in bestimmten Gesellschaftsformen geführt werden und es gilt zudem ein Verbot stiller Beteiligung und partiarischer Rechtsverhältnisse. Mit Letzterem gemeint sind Vereinbarungen, bei denen Vergütungen für den Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet sind. Dazu gehören insbesondere derart ausgerichtete Mietverträge. Verträge, die dagegen verstoßen, sind nach § 12 ApoG nichtig.
Diese Vorschrift werde in der Rechtsprechung traditionell weit ausgelegt, erläuterte Mand. Auch ein indirekter oder verdeckter Gewinnbezug reicht aus. Unproblematisch gegeben ist ein solcher bei einem prozentualen Anteil am OTC-Umsatz, wie ihn die Plattformen typischerweise fordern. Aber auch bei einem Fixbetrag pro Rx-Arzneimittel sieht Mand den Zusammenhang gegeben – wenngleich sich hierüber streiten lässt. Klar ist die Lage hingegen bei der monatlichen Nutzungsgebühr: Sie ist zu vergleichen mit der Miete für Apothekenräume und im Hinblick auf § 8 ApoG irrelevant.
Reicht es nun, wenn die Vergütung nur teilweise partiarisch ist? Die juristische Literatur beantwortet die Frage nicht einheitlich. Aber Mand meint: Auch in solchen Fällen sei der Vertrag in seiner Gesamtheit nichtig. Er sieht sich in dieser Meinung durch die Rechtsprechung gestützt (insbesondere BGH, Urteil vom 27. November 2003, Az. IX ZR 26/00).
Das neue Abspracheverbot
Und wie sieht es mit den noch recht neuen Vorgaben des § 11 ApoG aus? Hier ist zum einen das Abspracheverbot (Abs. 1), zum anderen das Makelverbot (Abs. 1a) geregelt. Die Vorschriften wurden vor dem Hintergrund der Einführung des E-Rezepts angepasst bzw. neu eingefügt. Das Abspracheverbot richtet sich ausschließlich an Apotheken und hat den Zweck, den Apothekerberuf strikt von anderen Heilberufen zu trennen und seine unabhängige Kontrollfunktion zu schützen. Sie dürfen mit Ärzten und anderen Heilberuflern, sowie jetzt auch Dritten, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die z. B. eine Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen (auch elektronische, inklusive Token) zum Gegenstand haben – auch wenn sie ihren Sitz außerhalb Deutschlands in der EU haben. Doch die Tatbestandalternativen haben bei der Auslegung ihre Tücken. Apothekenplattformen dürften klar betroffen sein, wenn sie direkt mit Ärzten zusammenarbeiten wie im eingangs erwähnten Zava/Shop-Apotheke-Konstrukt. Höchstrichterliche Entscheidungen gibt es in solchen Fällen aber noch nicht – hier wird jeweils im Einzelfall zu entscheiden sein.
Makelverbot verfassungskonform ausgelegt
Für Elmar J. Mand sind diese Unsicherheiten aber nicht allzu problematisch, da es das Makelverbot als viel passendere Vorschrift gibt. § 11 Abs. 1a ApoG verbietet das kommerzielle Makeln von Rezepten mit dem Ziel, die freie Apothekenwahl zu schützen und Verwerfungen im Apothekenmarkt zu verhindern, die die flächendeckende Versorgung gefährden könnten. Es richtet sich an „Dritte“ (also nicht an die Inhaber einer Apothekenbetriebserlaubnis oder deren Personal), die (E-)Rezepte (und Token) sammeln, weiterleiten oder vermitteln. Das ist unzulässig, wenn sie dafür einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen, annehmen oder gewähren. Die Vorschrift ist sehr weit gefasst – geht man rein nach dem Wortlaut, wäre schon der Rezepttransport durch die Post verboten. Und auch die Tätigkeiten der Apotheken-Plattformen wären umfassend erfasst. Dass es da verfassungsrechtliche Bedenken gibt, liegt auf der Hand. Doch Mand hat eine einschränkende Auslegung parat, mit der sich diese Probleme umschiffen lassen könnten. So sollten nur Handlungen erfasst sein, die die berufs- oder gewerbsmäßige Beeinflussung des Weges von Rezepten von der Praxis in die Apotheke zum Gegenstand haben – damit wäre die Post aus dem Schneider. Bleibt die Frage, wann ein „Vorteil“ anzunehmen ist. Dieser sei nicht schon darin zu sehen, dass die Plattform überhaupt ein Nutzungsentgelt erhalte – das würde jedes Plattformmodell ausschließen. Maßgebend ist aus Mands Sicht vielmehr, ob gerade für den steuernden Einfluss des Dritten auf dem Weg von Rezepten zur Apotheken ein Entgelt zu zahlen ist oder nicht. Ein glasklares Kriterium sei das leider nicht, aber es sei sachgerecht für die Auslegung im Einzelfall. Dazu müsse man die konkreten Nutzungsbedingungen und Transaktionsregelungen betrachten. Ein unzulässiger Vorteil ist für Mand beispielsweise eine partiarische Vergütung, die an die Anzahl der durchgeführten Transaktionen und damit an die Umsatzgröße knüpft. Denn hier werde nicht für die Dienstleistung gezahlt, an der Plattform teilhaben zu können. Eine von der Zahl der Vermittlungen unabhängige Nutzungsgebühr sieht Mand demgegenüber nicht als relevanten Vorteil. Eine Ausnahme könnte vorliegen, wenn besonders hohe Vergütungen bezahlt werden, die nicht durch die Bereitstellung der technischen Infrastruktur, sondern nur als Erfolgsprovision erklärbar seien.
Zuletzt verwies Mand noch auf § 7 ApoG, wonach der Inhaber einer Apothekenbetriebserlaubnis zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet ist. Auch hier sei eine umfassende Analyse des jeweiligen Vertrages zwischen Plattform und Apotheke sowie der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nötig. Diese enthalten nämlich zahlreiche Bestimmungen, die die pharmazeutische und betriebliche Unabhängigkeit des Apothekers einschränken. So gibt es Vorgaben, welche Arzneimittel beworben werden, welche vorrätig zu halten sind, innerhalb welcher Zeiten Belieferungen erfolgen müssen etc.
Fazit: Apothekenplattformen agieren in einem rechtlichen Minenfeld. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung auf diesem Gebiet und insbesondere zum neuen Makelverbot entwickelt. |
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