DAZ aktuell

Viele Fragen und ein nicht ganz einfaches Konstrukt

LAV Baden-Württemberg stimmt für die Beteiligung am Noventi-Darlehen

jb/tmb | Die Noventi ist angeschlagen und braucht Geld. Einen Teil davon soll der Eigentümerverein FSA als Eigenkapitaleinlage beisteuern, dieser wiederum erhält dafür ein Darlehen von einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft namens B.A.G., an der auch der Bayerische Apothekerverband und der Landesapothekerverband Baden-Württemberg beteiligt sind. Letzterer hatte daher vergangenen Mittwoch seine Mitglieder aufgerufen, sich über das geplante Darlehen zu informieren und letztendlich darüber abzustimmen, ob der Verband sich an der Finanzierung beteiligen soll.

Die Ursache der Probleme bei Noventi, die nun ein radikales Sanierungsprogramm inklusive Personalabbau erforderten, lässt sich leicht auf den Punkt bringen: Die Noventi hat über Jahre hinweg mehr Geld ausgegeben, als sie eingenommen hat. Das formulierte die Vorsitzende des LAV Baden-Württemberg, Tatjana Zambo, in aller Deutlichkeit. Bilanztricks, nämlich die Aktivierung von Eigenleistung, konnten noch eine Weile für ein positives Ergebnis sorgen, 2022 reichte aber auch dies nicht mehr. Obwohl Eigenleistungen in Rekordhöhe von 13 Mio. Euro verbucht wurden, war das EBIT negativ – woraufhin ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben wurde. Der Finanzierungsbedarf sei auf 70 Mio. Euro beziffert worden. 50 Millionen konnte die Noventi von Banken organisieren, den Rest sollte der FSA als Eigenkaptaleinlage beisteuern, wofür der Verein das Darlehen der B.A.G. benötigt. Zambo erläuterte, wie das geplante Finanzierungskonstrukt aussehen soll und wie der LAV darin verstrickt ist.

Bekanntes Problem Dass die Noventi Schieflage hat, ist nicht neu. Den Cartoon hier hatten wir bereits in DAZ 2022, Nr. 37 veröffentlicht.

Das Konstrukt: Mehrstufige Finanzierung

Ein wesentlicher Aspekt ist das Darlehen der B.A.G. für den FSA. Aus Sicht des FSA ist dies ein Kredit, aber der Verein bringt diese 20 Mio. Euro bei der Noventi SE als Eigenkapital ein. Da der LAV Baden-Württemberg zu 32,5% an der B.A.G. beteiligt ist, sollte die Mitgliederversammlung das B.A.G.-Darlehen absegnen. Der Bayerische Apothekerverband hält einen Anteil in gleicher Höhe. Außerdem ist der FSA mit 25% beteiligt, und die B.A.G. hält selbst 10% Anteile. Auf den LAV Baden-Württemberg entfällt damit ein Finanzierungsanteil von etwa 7,2 Mio Euro. Die B.A.G. hat allerdings keine 20 Mio. Euro in der Kasse, sondern zahlt nur 4 Mio. Euro aus liquiden Mitteln. Für die übrigen 16 Mio. Euro nimmt die B.A.G. wiederum ein Dar­lehen bei der Stadtsparkasse München auf. Als Sicherheit dafür dient die grundpfandrechtliche Belastung der Immobilie der B.A.G. im Tomannweg 6 in München. Auch dazu sollte die Mitgliederversammlung des LAV ihre Zustimmung geben. Durch dieses Konstrukt wird aus einem immobiliengesicherten Kredit für die B.A.G. auf dem Umweg über den FSA eine Eigenkapitalposition in der Bilanz der Noventi SE, die die Bilanzrelationen der Noventi verbessert und damit Vertrauen bei den Banken schafft. Über die Liquidität hinaus geht es also auch um mehr Haftungsmasse. Denn der FSA haftet mit diesem Geld. Die Immobilie der B.A.G., die als Sicherheit gegenüber der finanzie­renden Sparkasse dient, wird seit jeher von der Noventi im Rahmen eines Nießbrauchvertrages genutzt. Geschäftsräume der Noventi dienen damit als Sicherheit für das Geld, das an die Noventi geht.

Wie die 20 Mio. Euro in der Bilanz der Noventi SE erscheinen sollen, steht nicht in der Beschlussvorlage. Als Möglichkeiten werden eine Kapital­erhöhung der Noventi oder ein Gesellschafterdarlehen erwähnt. Die Beschlussvorlage sieht vor, dass die Mitgliederversammlung dem LAV-Vorstand das Mandat erteilt, über eine Wandlungsoption auf Noventi-Aktien zur Absicherung der Ansprüche zu verhandeln.

Die Diskussion: Viele Fragen zu Noventi

Bevor die anwesenden Mitglieder darüber entscheiden mussten, ob der Verband sich nun an der Finanzierung beteiligen soll oder nicht – das Geld ist übrigens schon geflossen unter Freistellung des LAV, der aufgrund der Größenordnung seine Mitglieder einbeziehen wollte – standen sowohl die Vorsitzenden des FSA, Andreas Buck und Jürgen Frasch, als auch die neuen, mit der Sanierung betrauten Noventi-Vorstände, Mark Böhm und Frank Steimel, den Mitgliedern Rede und Antwort. Vor allem ging es immer wieder darum, warum FSA und Aufsichtsrat nicht früher interveniert hätten. So wunderten sich Marktbeobachter und auch Apotheker seit Langem, wofür im Haus Noventi Geld ausgegeben wird – genannt wurde hier ein Tennisturnier. Überdies erfolgte 2019 ein Umzug in größere Räumlichkeiten, die „Macherei“, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alles rosig lief. Wo sei da der Aufsichtsrat gewesen, fragten Mitglieder des LAV.

Die FSA-Vorstände, die gleichzeitig im Aufsichtsrat sitzen, beteuerten immer wieder, auf den Vorstand zugegangen zu sein. Man habe der Noventi vor­geworfen, alle möglichen Projekte für die Zukunft zu machen und viel zu investieren, man sehe aber keine Rückflüsse. Darüber habe man die Geschäftsfelder, die gut liefen, vernachlässigt und die Bilanz über immaterielle Vermögensgegenstände hingebogen, die bereits genannten aktivierten Eigenleistungen. Man habe seitens des FSA Anfang 2022 versucht, die Dinge in die richtige Bahn zu lenken, so der Apotheker weiter. Die Antwort des Noventi-Vorstandes sei nicht akzeptabel gewesen.

Laut Jürgen Frasch habe man seitens des FSA durchaus immer wieder Dinge hinterfragt. „Aber wenn Sie von dem anderen wissentlich angelogen werden, haben Sie keine Chance“, sagte er. Ohne entsprechende Hin­weise seien die Machenschaften der Ex-Vorstände nicht aufzudecken gewesen, das habe ein Gutachter bestätigt, beteuerte Frasch. „Man muss davon ausgehen, dass die Machenschaften gut geplant waren.“

Er hatte allerdings zuvor auch ein­geräumt, dass man seitens des FSA gutgläubig gewesen sei und das Geld größtenteils im Unternehmen belassen habe. Schließlich sollte Noventi wachsen. Diese Strategie habe sich aber als nicht zielführend erwiesen. Der FSA selbst will aber Frasch zu­folge vor Gericht ziehen: „Wir wollen Schadenersatz und uns so viel Geld wie möglich zurückholen“, erklärte er. Noch ist die Sache allerdings im „Urkundenprozess“. Man sei aber positiv gestimmt, dass es gelinge nachzuweisen, dass wissentlich Schaden verursacht wurde.

Die Mitglieder äußerten zudem Bedenken, dass die Noventi das Darlehen nicht zurückzahlen könne, auch wenn die Verantwortlichen beim LAV davon nicht ausgehen. Die beiden Vorstände Frank Steimel und Mark Böhm be­tonten daraufhin wiederholt, was in Zukunft alles besser werden soll. So habe es bislang kein Vier-Augen-Prinzip gegeben, doch mit der Einzelvertretungsberechtigung sei es nun vorbei. Zudem habe man Regelungen zu Auskunftspflichten zwischen Aufsichtsrat und Vorstand und zwischen Unternehmen und Eigentümern geschaffen, betonte Finanzvorstand Steimel. Ein großes Stück mehr Bescheidenheit stehe der Noventi gut zu Gesicht. Als Anspruch formulierte er: „Wir wollen in dem, was wir tun, also Abrechnung, Warenwirtschaft und Branchensoftware, richtig gut werden.“ Die Mehrjahresplanung sehe vor, dass Noventi am Ende Geld verdient. Sie muss Geld verdienen. Zwar nicht wie ein Aktienunternehmen, aber wie eines, das dem Eigentümer Rechnung trage. „Noventi steht stabil da. Punkt“, so der Finanzvorstand. Letzteres brachte ihm Applaus ein, aber auch die Frage, warum man dann das Geld der Apotheker brauche.

Letztendlich konnten viele, aber nicht alle Zweifler überzeugt werden. Mit 78 Ja- und 15 Nein-Stimmen und einer Enthaltung wurde dem Darlehen zur Rettung der Noventi zugestimmt. Hätten die LAV-Mitglieder das nicht getan, hätten die übrigen Gesellschafter, die B.A.G und der BAV, das Dar­lehen alleine tragen müssen. |

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