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Webinare immer eine Alternative zum Präsenzseminar?
Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des „Instituts für Lernsysteme ILS“ möchten sich vor allem jüngere Mitarbeitende weiterentwickeln. Bei einer jährlichen Arbeitszeit von ca. 1500 Stunden ist eine Weiterbildung von 15 Stunden (zwei Seminartage) gerade mal 1 Prozent, das Mindeste, was man sich selbst gönnen sollte. Wissen muss möglichst vielen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden. Seminarbesuche dürfen nicht nur einzelne Personen betreffen, sondern werden für das ganze Team geplant. Üblich ist ein festes Budget für Weiterbildung, das sich nicht am Umsatz oder Gewinn der Apotheke orientiert. Und auch nicht am Alter des Personals.
Wissen anzunehmen verlangt vom Teilnehmer eine ausgeprägte Lernbereitschaft und den nötigen Veränderungswillen. Je mehr man sich für Weiterbildung motivieren kann, desto größer ist die Chance auf eine erfolgreiche Teilnahme.
Wer ehrgeizig, motiviert und wissbegierig ist, ist an Seminarbesuchen interessiert. Mit dem Thema Weiterbildung haben sich auch Prominente beschäftigt: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung.“ (John F. Kennedy), „Bildungshunger und Wissensdurst sind keine Dickmacher.“ (Helmut Schmidt), „Investition in Wissen bringt die besten Zinsen.“ (Benjamin Franklin, US-Schriftsteller und Naturwissenschaftler), „Der Nachteil, alles zu wissen, besteht darin, dass man ständig dazu lernen muss.“ (Günther Jauch), „Ein Gramm Wissen ist mir lieber als eine Tonne Meinungen.“ (Albert Einstein)
Paradoxes über Seminarbesuche
- Je mehr wir lernen, desto mehr wissen wir.
- Je mehr wir wissen, desto mehr vergessen wir.
- Je mehr wir vergessen, desto weniger wissen wir.
- Je weniger wir wissen, desto weniger vergessen wir.
- Je weniger wir vergessen, desto mehr wissen wir.
- Warum also ein Seminar?
Die neue Lernform
Durch die Digitalisierung wurde schon vor Jahren das „Web-Seminar“ entwickelt. In Zeiten der Pandemie ist es aus dem Dornröschenschlaf erwacht und steht im Wettbewerb mit dem althergebrachten Präsenzseminar. Die Vorteile des Webinars werden immer wieder betont. Die Teilnehmer sparen Reisekosten und Übernachtung. Die räumliche Beschränkung eines Seminarraums entfällt, sodass auch große Teilnehmerzahlen möglich sind. Ein Webinar lässt sich aufzeichnen, so kann man die Aufnahme zu einem späteren Zeitpunkt noch mal ansehen oder den Kolleginnen weiterleiten.
Lässt sich das herkömmliche Bildungssystem also ersetzen? In der Euphorie des Webinars befasst man sich häufig einseitig nur mit den Vorteilen, Nachteile werden ausgeblendet, die Schwächen gerne einfach übersehen. Seminare am Bildschirm verlangen eine besondere Konzentration. Bei Befragungen haben sich über die Hälfte der Webinar-Teilnehmer zunächst sehr skeptisch geäußert und nur eine Seminardauer von zwei bis drei Stunden täglich für sinnvoll gehalten. Teilnehmer müssen bei Onlineseminaren sehr diszipliniert auf Bewegungen achten und Hintergrundgeräusche vermeiden. Vielen fehlt noch die Erfahrung und sie müssen sich erst an die Technik der digitalen Wissensvermittlung gewöhnen. Viele Teilnehmer vermissen die „Tuchfühlung“ zu anderen Teilnehmern, eine gewisse Distanz im Webinar ist nicht zu überwinden. Der Vortrag des Referenten im Netz ermüdet schneller als im Face-to-Face Kontakt. Vor Ort engagieren sich die Teilnehmerinnen stärker als über Video. Beim Webinar fehlt auch der Kontakt und Erfahrungsaustausch in der Pause, man spricht von „sozialer Isolierung“ im Webinar. Kontakte untereinander und das „Get-together“ in den Pausen, das von Teilnehmern geschätzt wird, sind online kaum möglich.
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Einsparungen von Reise- und Übernachtungskosten. | Geringe Möglichkeit für einen Erfahrungsaustausch in der Gruppe. |
Freie Wahl über den Raum und Umgebung. | Raum ist nicht geeignet. Ablenkungen durch Telefon und sonstige Störungen. |
Meist preisgünstigere Teilnahmegebühren. | Eingeschränkte Aktivität durch fehlende Rollenspiele und Arbeit an der Pinnwand. |
Keine Ablenkung durch andere Teilnehmer. | Die Distanz zur Gruppe kann zur „Sozialen Isolation“ führen. |
Digitalisierung vereinfacht die Weiterbildung, und hat sich in der Pandemie bewährt. | Die Umstellung auf online ist nicht jedermanns Sache und schafft Vorurteile. |
Attraktivität des E-Learnings. | Lernen am Bildschirm setzt sehr große Konzentration voraus. |
Für Seminarbesucher ist der Seminarort auch ein schöner Tapetenwechsel, das kann für die Wissensaufnahme förderlich sein. Für jeden ist es ein Ausdruck der Wertschätzung, wenn die Apothekenleitung die Kosten für Reise und Übernachtung übernimmt und nicht nur die Einsparung der Reisekosten durch Webinare in den Vordergrund stellt.
Die Seminaratmosphäre lässt sich nicht digital umsetzen. Das zeigt folgende Kritik an Online-Seminaren von Teilnehmerinnen: „Es ist schon ziemlich eintönig, den ganzen Seminartag am PC zu sitzen. Die Gruppendynamik im Präsenzseminar kann man nicht einfach downloaden“. Im Präsenzseminar können sich die Teilnehmenden anschauen und beschnuppern.
Regeln für Online-Seminarteilnehmer
- Ihr persönlicher Erfolg ist wesentlich von Ihrer Mitarbeit abhängig.
- Beteiligen Sie sich an Diskussionen, stellen Sie auch online Fragen.
- Machen Sie Notizen während des Referats.
- Sagen Sie auch im Webinar offen Ihre Meinung.
- Achten Sie auf die Kamera.
- Lassen Sie sich nicht ablenken.
- Gehen Sie ohne Vorurteile ins Webinar.
- Bleiben Sie beim Thema.
- Schalten Sie Ihr Handy ganz aus.
- Kommen Sie aus der Pause pünktlich zurück.
Für Fort- und Weiterbildung gibt es in Zukunft die Mischform. Präsenz im Seminar ist durch nichts ersetzbar, es liefert dem Trainee bessere Möglichkeiten zur Konzentration und optimiert damit den Lerneffekt – erst Recht, wenn die Veranstaltung in Form eines Workshops durchgeführt wird. Die Kombination von Web- und Präsenzseminar ist im Gespräch und für die meisten Seminarthemen auch denkbar. Beide Lernformen sind gut kombinierbar. Vergleichbar ist das mit der Fahrschule, wo der theoretische Teil inzwischen digital übermittelt wird, und die Praxisstunde des Schülers im Auto des Fahrlehrers erfolgt. So wie es verschiedene Verkehrsmittel gibt, die ihre Berechtigung haben, existieren verschiedene Lernformen, die sich ergänzen.
Was passiert nach dem Seminarbesuch?
Eine der meistgehörten Klagen ist die mangelnde Möglichkeit, nach der Fortbildung etwas zu ändern. Genau wie im Präsenzseminar sind die Seminarteilnehmenden beim Webinar mit dem neu erworbenen Seminarwissen meistens sich selbst überlassen. Ehrgeizige Mitarbeitende möchten neue Erkenntnisse besprechen und brauchen dafür Unterstützung vom Team und ihren Vorgesetzten. Neues Wissen ist nur umsetzbar, wenn das Team für neue Erkenntnisse offen ist und diese ernst nimmt. Wenn viele oder alle aus dem Team den gleichen Wissenslevel haben, verläuft die Umsetzung von Erkenntnissen gut. Man ermuntert und vergleicht sich gegenseitig. Die Umsetzung von Seminarwissen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Alles fängt schon bei der Seminarplanung an. Es muss sichergestellt sein, dass die Motivation des Teilnehmers für Fort- und Weiterbildung vorhanden ist. Neben dem Fort- und Weiterbildungsprogramm muss man sich auch mit der Lernform des Webinars intensiv beschäftigten.
Für alle Teilnehmenden ist es wichtig, sich im Vorfeld über die Vor- und Nachteile der Lernformen – online versus Präsenz – zu informieren, und beide miteinander zu vergleichen. Auch der Arbeitgeber sollte sich in diese Überlegungen einbringen. Ideal wäre es, wenn die unterschiedlichen Themen in beiden Formen angeboten würden, digital und als Präsenzseminar. Allerdings ist wegen des Aufwands nicht damit zu rechnen. |
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