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Management
Mit Beratung punkten
Wie sich die Apotheke profilieren kann
Zu Beginn der Beratung wird die Situation des Kunden erfragt, die Mitarbeitenden stellen den „Ist-Zustand“ fest. Im Interview erfährt man idealerweise mit wenigen Fragen viel vom Kunden, denn mehr als drei Fragen könnte der Kunde als unangenehm empfinden und sich wie in einer Verhörsituation fühlen. Fragen mit einem W-Wort (offene Fragen) geben mehr Informationen als geschlossene Fragen. Beispiele: „Was haben Sie bisher eingenommen? Wie lange haben Sie schon Schmerzen? Wann tauchen die Beschwerden auf?“ Geschlossene Fragen (Haben Sie die Schmerzen schon lange …? Nehmen Sie bereits Medikamente ein …?) bringen mit „Ja“ oder „Nein“ zu wenige Informationen. Fragen in der Beratung sollten auch begründet werden, um Verständnis beim Kunden zu erreichen. Bedarfsfragen des Kunden, zum Beispiel nach einem Medikament gegen Magenbeschwerden, müssen oft mit Gegenfragen beantwortet werden, denn erst wenn die Mitarbeiterin über die Situation des Kunden informiert ist, kann sie ein individuelles Angebot machen.
Kommunikative Kompetenz
Kunden beurteilen Beratung sowohl nach den fachlichen als auch nach den kommunikativen Kompetenzen des Teams. Gesprächsinhalte müssen für ihn verständlich sein. Für jede Information, für jeden Aspekt, für jedes Argument wird ein getrennter Satz gebildet, für zwei unterschiedliche Informationen zwei getrennte Sätze. Hohes Redetempo und lange, verschachtelte Sätze erschweren die Verständlichkeit, sind Klarheitsbremsen. Kunden haben unterschiedliche Auffassungsgaben, sie haben nicht immer den Mut, Unverständliches zu hinterfragen. Produkte haben Vor- und Nachteile. Bei der „Best-Case-Methode“ erfährt der Kunde die Vorteile, den besten Fall, den größten Nutzen, den er erreichen kann. Mit der „Worst-Case-Methode“, werden die Nachteile erwähnt, die auftreten können, wenn der Kunde sich für ein nicht passendes Produkt entscheidet oder die regelmäßige Einnahme vernachlässigt.
Beratung ist immer mit einem Perspektivenwechsel verbunden. Damit sich die Mitarbeitenden situationsangemessen ausdrücken, versetzen sie sich gedanklich in die Rolle der Kunden. Fachkompetente Empfehlungen wirken kundenorientiert, „wenn man Produktmerkmale in einen individuellen Nutzen umsetzt. „Sell profit, not product“, heißt es in Verkaufsseminaren. Der Nutzen steht im Vordergrund, weniger das Produkt. Kunden sind nur an der Wirkung eines Medikaments, an Nutzen und Vorteilen und an den Nebenwirkungen interessiert. In der Beratung hört sich das so an: „Damit gewinnen Sie …; Das bedeutet für Sie …; Das reduziert Ihre …; Damit sparen Sie …; Sie erreichen dadurch …“
Botschaften in verschiedenen Formen
Hierfür gibt es vier Möglichkeiten im Beratungsgespräch. Die Wirkung der Worte ist unterschiedlich.
- „Ich-Sätze“: Mit „Ich“ informiert man Kunden über die eigene Meinung. Die „Ich“-Botschaft wird empfohlen, wenn Sie in der Beratung Ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen wollen. Oder Ihr Kunde nach Ihrer eigenen Meinung fragt. Jedes „Ich“ ist eine subjektive Äußerung und wirkt persönlich. Beispiele: „Ich schlage diese Tabletten vor ...“ „Also, da bin ich mir ganz sicher ...“ „Meiner Meinung nach ...“ „Ich rate Ihnen zu …, weil …“
- „Man-Sätze“: Mit „Man“ bleiben die Mitarbeitenden unpersönlich und es wirkt wenig verbindlich: „Man kann auch eine andere Salbe nehmen und zwar …“ Oder: „Das kann man auch vorbeugend anwenden, weil …“. Der Kunde fühlt sich nicht persönlich angesprochen.
- „Wir-Sätze“: Mit „Wir“ spricht man so, als würden alle Kolleginnen das Gleiche sagen: „Wir empfehlen bei Kopfschmerzen...“ Oder: „Nach unserer Erfahrung ist es besser, wenn ...“ Ein Wir wirkt sicher.
- „Sie-Sätze“: Jedes „Sie“ stellt den Kunden in den Vordergrund. „Sie“ wirkt positiv, setzt aber voraus, seinen Bedarf gut zu kennen. Abgeleitete Formen sind „Ihre“ und „Ihnen“. Beispiel: „Für Sie ist es besser ...“ „In Ihrer Situation empfehle ich ...“
Die Möglichkeitsform „würde, wäre, hätte, könnte“ wirkt im Beratungsgespräch nicht immer überzeugend. Statt „Ich würde empfehlen …“ besser „Ich empfehle Ihnen, weil …“ Die Begründung für die Empfehlung darf nicht fehlen. Der Indikativ ist in der Beratung optimal. Auf die Begriffe „vielleicht“, „eventuell“, „möglicherweise“, sollte man in der Beratung verzichten.
Informationen und ihre Bedeutung
Bei der Beratung gibt es drei Informationsarten:
- „Muss-Informationen“ zählen zu den Basics der Beratung und müssen unbedingt vermittelt werden. Sie haben besondere Bedeutung für Kunden. Der Nichterhalt wirkt sich nachteilig aus, kann Beschwerden verursachen und die Wirkung eines Produkts reduzieren. Wegen der besonderen Bedeutung können diese Infos auch durch praxisnahe Erklärungen oder ein Fallbeispiel übermittelt werden.
- „Kann-Informationen“ werden meist auf Kundenanfragen erteilt. Das Fehlen einer Kann-Information muss sich nicht nachteilig auswirken. Sie können sogar belastend sein, wenn sie keinen direkten Nutzwert haben und werden als Overkill gesehen.
- „Plus-Informationen“ sind Kommentare und zusätzliche Hinweise zur Nutzung der Produkte. Sie sind das i-Tüpfelchen, die Beraterin glänzt mit Fachwissen, beeindruckt den Kunden, weil sie über interessante Hintergrundinformationen verfügt. Durch „Storytelling“ werden in bildhafter Darstellung Produktvorteile präsentiert. Eine passende Geschichte, ob die eigene oder eine fremde, veranschaulicht Sachverhalte und weckt Assoziationen. Die Wirkung von Bildern und Erlebnissen gipfelt in der Aussage „No emotion – no money“. Erzählmuster sind großes Kino für das Kundenhirn und gehen tief in sein Bewusstsein (Quelle: Gregor Adamczyk, „Storytelling“, Haufe Verlag 2019).
Beraten heißt auch abraten
Kunden haben oft eine sehr feste Vorstellung, welches Präparat ihnen hilft. Es gehört Mut und Geduld dazu, dem Kunden zu erklären, dass seine Meinung über ein bestimmtes Medikament nicht das Optimale für ihn ist. Bei der Korrektur darf die Meinung des Kunden nicht abgewertet werden. Beratung wird schnell zur Bevormundung, wenn der Kunde sich belehrt fühlt. Dann ist Beratung für ihn aufdringlich, er hat das Gefühl, eine Meinung aufgedrängt zu bekommen. Nur mit Fingerspitzengefühl kann man erkennen, wann ein Kunde keine weitere Empfehlung möchte und sich durch weitere Ratschläge bedrängt fühlen könnte. Mit der „Ja, aber“-Methode vermeidet man die Belehrung.
Mit dem nötigen Einfühlungsvermögen erkennt man, wie intensiv der Kunde an einer Beratung interessiert ist. Durch die Selbstbedienung steht der Kunde schon mit dem Produkt in der Hand an der Kasse und will zahlen, ein Signal für die Mitarbeitenden, dass eine Beratung nur im Einzelfall angebracht ist.
Best Case | Second Best |
---|---|
1. Das Team kann die vom Kunden gestellten Fragen kompetent beantworten. | Es können nur Standardfragen beantwortet werden. |
2. Das Team ist aktiv an Kundenanliegen interessiert und hat auch Zeit Fragen zu stellen. | Das Team ist zwar freundlich, aber ohne aktives Interesse an Kundenanliegen. |
3. Das Team begründet die Vorschläge und gibt Entscheidungshilfen ohne zu bevormunden. | Dem unsicheren Kunden wird die Entscheidung allein überlassen, ob A oder B besser ist. |
4. Beratung erfolgt auch ohne Fragen des Kunden (aktive Beratung). | Beratung erfolgt nur, wenn der Kunde Fragen stellt (passive Beratung). |
5. Es werden auch ungefragt Produktalternativen angeboten. | Alternativen werden nur auf Kundenwunsch gezeigt. |
Den Preis nicht in den Mittelpunkt rücken
Gute Beratung ist preis-neutral, im Zentrum stehen alle möglichen Aspekte, nur nicht, was ein Produkt kostet. Der Preis wird genannt, wenn der Kunde danach fragt. Bei den Packungsgrößen fängt man mit der mittleren Packung an und bietet dann die Alternativen nach unten oder oben an.
Alternativ-Angebote werden vom Kunden zwar begrüßt, aber wenn es zu viele sind, hat er die „Qual der Wahl“. Zuviel verwirrt und verunsichert. Dies führt dazu, dass er seine Entscheidung vom Preis abhängig macht. Deshalb gilt: zwei, höchstens drei Alternativen sind genug. Dabei sollten die Unterschiede deutlich gemacht werden: ein Präparat wirkt schneller, ist aber nicht so gut magenverträglich. Das Alternativ-Produkt muss über eine längere Zeit eingenommen werden, belastet aber nicht den Magen. Das Team kann die Kundenentscheidung unterstützen, wenn durch einige Fragen die Situation des Kunden erfahren, und dann eine individuelle Empfehlung ausgesprochen wird.
Argumente in der Beratung
Ein Argument des Apothekenteams stößt nie auf Kundeninteresse, wenn der Kunde keinen Bedarf hat, keine Erwartungen keine Wünsche. In der Beratung muss ein Bedürfnis erst geweckt werden, bevor man argumentiert. Argumentieren heißt, Nutzen aufzeigen. Ein Argument sticht nicht, wenn es nicht Nutzen bringt oder Probleme eines Kunden löst. Der Kunde fragt sich immer: „Was bringt es mir? Welchen Vorteil habe ich?“ Die Bestandteile eines Präparats interessieren den Kunden, noch viel wichtiger ist die Wirkung. In der Modebranche heißt es: Man verkauft keine Damenstrümpfe sondern schöne Beine.
Argumente beziehen sich auf die typischen Bedürfnisse und Erwartungen des Kunden. Für ihn sind die Wirkungsstärke, die Verträglichkeit, die Nebenwirkungen und die Einnahme oder Anwendung eines Produkts von Bedeutung. Manche Argumente sind für ein Angebot sehr stark, sie werden als „Full-Power-Argumente“ bezeichnet, weil sie den größten Vorteil für den Kunden bedeuten. Schwächere Argumente sind die „Low-Power-Argumente“, sie lösen keinen Aha-Effekt aus, kein Wow des Kunden. Bewährt hat es sich mit einem starken Argument zu beginnen, über das schwächere Argument spricht man kürzer, verringert die Redezeit. Argumente wirken stärker, wenn man den Kunden im Gespräch ansieht. Der Blickkontakt verstärkt Aussagen. Es hat sich auch bewährt, das empfohlene Medikament optimal zu präsentieren, es in der Hand zu behalten und nicht abzulegen, die Vorderseite der Packung zu zeigen, nicht die Seitenansicht. |
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