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Management
Zwischen Arbeit, Familie und Freizeit
Warum eine gute „Work-Life-Balance“ wichtig ist
Digitalisierung und demografischer Wandel: Das sind die gesellschaftlichen Megatrends, denen sich derzeit auch Apothekenleiterinnen und Apothekenleiter stellen müssen. Mehr Informationen, mehr Nachrichten, mehr Möglichkeiten: Die Digitalisierung macht die Arbeit oft viel einfacher – setzt uns aber zugleich mit einer Flut von Input enorm unter Druck. Dauernd erreichbar sein, in immer kürzeren Reaktionszeiten kommunizieren – für viele erwerbstätige Menschen bedeuten diese Erwartungen tagtäglichen Stress. Nicht nur die Anforderungen im Arbeitsleben haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, auch die gesellschaftlichen Werte und damit die Bedeutung von Familie und erfüllenden Lebensplänen wandeln sich kontinuierlich. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich ein Partner ganz der Familie und Kindererziehung widmete. Wenn beide arbeiten, ist es nicht immer leicht, den Job und die Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen. Wenn obendrauf noch die Versorgung pflegebedürftiger Eltern kommt, stehen die Betroffenen oft regelrecht unter Strom. Die Ansprüche an eine erfüllende und befriedigende Lebensführung steigen ebenfalls: Eine schicke Wohnung, ein Haus im Grünen, erlebnisreiche Urlaube oder ein besonderes Hobby gelten nicht selten als „must haves“. Doch der angestrebte Wohlstand will auch finanziert werden. Entsprechend honorierte Jobs erfordern allerdings im Gegenzug einen Vollzeit-Einsatz, ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement. War es für die ältere Generation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch selbstverständlich, diesen Tribut zu leisten, suchen junge Menschen heute nach anderen Wegen, ihr Berufs- und Privatleben zu vereinbaren. Eine gute Work-Life-Balance für das gesamte Team zu erreichen ist sicherlich in vielen Apotheken in der derzeitigen Lage nicht einfach, doch gerade in stressigen und unsicheren Zeiten lohnt es sich, wann immer möglich für den notwendigen Ausgleich zu sorgen.
„Work-Life-Balance“ – was bedeutet das eigentlich?
Die Antwort auf diese Frage beinhaltet oft Schlagwörter wie „Gleichgewicht“ oder „Ausgewogenheit“ von Arbeit und Privatleben. Allerdings werden diese Sichtweisen dem sehr viel komplexeren Gedanken, der hinter dem Konzept „Work-Life-Balance“ steht, kaum gerecht. Schon vor einiger Zeit wurde Mitarbeitenden und Führungskräften empfohlen, sich ihrer jeweiligen Lebensbereiche bewusst zu werden und sie in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen. Selbstmanagement – so lautete das Rezept, um Gesundheit, Arbeit, Familie, Freunde sowie den Sinn des Lebens auszubalancieren.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend definiert den Begriff folgendermaßen: „Work-Life-Balance“ bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt. Betriebliche „Work-Life-Balance“-Maßnahmen zielen darauf ab, erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen.
Was ist der jüngeren Generation heute wichtig?
Bei der Frage nach den Vorsätzen für das neue Jahr antworten viele zuallererst „Stress vermeiden und abbauen“ oder wünschen sich „mehr Zeit – für Freunde und Familie“. Mehr Zeit! Das ist der große Wunsch unserer Gesellschaft. Zeit ist der wahre Luxus, die große Sehnsucht und die unerfüllte Hoffnung zugleich.
Eine sichere berufliche Zukunft hat für die Auszubildenden und Studierenden von heute nicht mehr die oberste Priorität, denn eine Arbeitsstelle werden sie in jedem Fall finden. Zudem sinkt die Wunscharbeitszeit junger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich im Vergleich zu früheren Generationen: Pro Woche wollen Frauen und Männer unter 25 Jahren am liebsten nur noch maximal 30 Stunden arbeiten, nur muss dies auch mit den steigenden Lebenshaltungskosten in Einklang gebracht werden.
Den heutigen Absolventinnen und Absolventen ist es wichtig, dass die Arbeit zur eigenen Persönlichkeit passt und das Unternehmen ihnen die Möglichkeit gibt, sich weiterzuentwickeln. Sie wünschen sich eine offene Unternehmenskultur und machen sich keine Illusionen über den perfekten Job. Arbeit wird wieder mehr Mittel zum Zweck und im Kopf von moralischen Ansprüchen entkoppelt. Gleichzeitig möchte die neue Generation ihr technologisches Know-how gerne einsetzen. Unternehmen sollten dafür weitgehend digital organisiert sein und ihren Mitarbeitenden Freiräume bieten. Wenn man sie flexibel arbeiten lässt, fair und wertschätzend mit ihnen kommuniziert, kann man sich auch längerfristig auf ein gut funktionierendes Apothekenteam verlassen. Am Ende wird Arbeit oft Arbeit bleiben. Mit Phasen, die keinen Spaß machen und anstrengend sind, mit digitalen Tools, die nicht immer gleich funktionieren oder mit schlechter Organisation. Aber im Großen und Ganzen ist auch in Apothekenteams mehr Vertrauen und mehr Loslassen unabdingbar – denn wo selbstständig und verantwortungsbewusst gearbeitet werden soll, sind ständige Kontrollen und Anweisungen fehl am Platz. Wenn Führungskräfte die Talente der Beschäftigten erkennen und gezielt fördern, sind die Mitarbeitenden häufig deutlich motivierter und leistungsbereiter.
Kreativität ist gefragt
Das derzeitige Apothekenpersonal braucht starke Nerven – aufgrund des Personalmangels lastet immer mehr Arbeit auf weniger Schultern. Gerade durch zusätzliche Not- und Wochenenddienste sind zwei Tage frei oft zu wenig, um sich ausreichend zu erholen und längerfristig belastbar zu bleiben. An vielen Tagen ist ein längerer Arbeitseinsatz unumgänglich – besonders, um die teilweise sehr langen Öffnungszeiten in den öffentlichen Apotheken abzudecken. Hier ist mehr Flexibilität und Kreativität gefragt. Ein Großteil aller Mitarbeitenden in deutschen Apotheken arbeitet in Teilzeit – Approbierte, PTA und PKA. Dies stellt eine große Herausforderung für viele Betriebe dar. Mit dem richtigen Personalmanagement kann man die Arbeitszeiten der Mitarbeitenden jedoch individuell jonglieren und so für mehr Zufriedenheit, Motivation und Leistungsbereitschaft im gesamten Team sorgen. Möglicherweise könnte eine derzeit häufig diskutierte Verkürzung der Öffnungszeiten oder die Einführung einer 4-Tage-Woche für die eine oder andere Apotheke sinnvoll sein, um den Betrieb am Laufen zu halten und gleichzeitig den Mitarbeitenden trotz der angespannten Personalsituation eine verbesserte Work-Life-Balance zu bieten. Eine Flexibilisierung des Arbeitsalltages könnte für einige Apothekenteams mehr Entspannung und weniger Überlastung bedeuten. Denn über 80 Prozent der Angestellten, die freier über ihre Arbeitszeiten verfügen und nach einigen Tagen Mehrarbeit auch mal ein paar Stunden oder sogar Tage frei nehmen können, sind laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz längerfristig wesentlich zufriedener und motivierter. Laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung vom November 2022 wünscht sich die Mehrheit der Vollzeitbeschäftigten eine Vier-Tage-Woche bei gleichbleibendem Lohn. Damit so ein Arbeitszeitmodell funktioniert, müssten bei einer Verkürzung sowohl die Arbeitsmenge als auch einige Arbeitsabläufe angepasst werden. Dass dies nicht unmöglich ist und die Idee grundsätzlich funktioniert, zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern und eine groß angelegte Studie mit 61 britischen Unternehmen von Anfang 2023: Arbeitnehmende können durch mehr Zeit für sich selbst, die Familie oder Freunde wesentlich produktiver sein, empfinden weniger Stress und werden seltener krank.
Qualifizierte Fachkräfte gezielt unterstützen
In ihrer jährlichen Fachkräfte-Engpassanalyse konstatiert die Bundesagentur für Arbeit regelmäßig einen Mangel in etlichen technischen Berufen sowie im Pflege- und Gesundheitssektor. In der Rubrik „Experten“ sind als „Mangelberufe“ Ärztinnen und Ärzte sowie Pharmazeutinnen und Pharmazeuten schon seit mehreren Jahren wiederholt gelistet. Diese Feststellung der Bundesagentur für Arbeit wird für viele Apothekenleiterinnen und Apothekenleiter zur Realität, wenn sie Personal oder einen Nachfolger suchen. Wird in Deutschland zu wenig ausgebildet und gibt es zu wenige Studienplätze? Wer heute Pharmazie studiert oder eine PTA-Ausbildung absolviert, muss sich keine Sorgen um einen Arbeitsplatz machen oder gar Arbeitslosigkeit befürchten. Die jungen Leute haben allerdings nicht mehr dieselben Lebensvorstellungen wie frühere Generationen. Immer weniger Absolventinnen und Absolventen möchten in Vollzeit arbeiten oder in die Selbstständigkeit gehen. Das Interesse an Teilzeitarbeit ist über Qualifikationen hinweg extrem hoch, und zwar weitgehend unabhängig vom Geschlecht. Bei pharmazeutischen und medizinischen Berufen mangelt es deutschlandweit an Bewerberinnen und Bewerbern.
Die Tatsache, dass immer mehr Frauen einen Job im medizinischen Umfeld ergreifen, führt dazu, dass das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtiger denn je ist. Frauen haben immer noch viel zu häufig das Gefühl, sich im Laufe ihres Lebens zwischen Familie oder Karriere entscheiden zu müssen. Unsere Generation kämpft mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn letztlich ist die Kindererziehung in den ersten Jahren noch immer eine Angelegenheit der Frauen: Der Großteil von ihnen nimmt mindestens ein Jahr Elternzeit, bei den Männern sind es häufig nur wenige Monate. Auch der Wiedereinstieg nach der Elternzeit stellt eine große Hürde auf dem Karriereweg dar. Zwei Drittel der Arbeitnehmenden im medizinischen Umfeld sehen sich zu diesem Zeitpunkt mit fehlender Flexibilität und zu wenig Unterstützung der Arbeitgebenden konfrontiert. Frauen bieten auch heute noch ungenutzte Fachkräftepotenziale, die von Unternehmen erschlossen werden können, indem eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht wird. Denn leider leisten die Frauen in den meisten Familien immer noch den größten Teil der unbezahlten „Care-Arbeit“. Mit flexibleren Arbeitsmodellen und Teilzeitarbeit mit variablem Stundenumfang können weibliche Fachkräfte aktiv dabei unterstützt werden, verantwortungsvolle Positionen zu besetzen, ohne sich langfristig überfordert zu fühlen.
Niederlassung oder Anstellung?
In der Studie „Niederlassen oder lieber lassen?“ der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) vom Oktober 2022 stellt die Freiheit in der Berufsausübung das stärkste Argument für die Gründung einer eigenen Praxis oder Apotheke dar. Wo aber Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren sind, da gehen die Meinungen auseinander. Auf die Frage, welche Kriterien bei der Entscheidung für die Niederlassung wichtig waren, nannte ein Großteil der befragten Selbstständigen die vielen Gestaltungsmöglichkeiten, die Chancen zur Selbstverwirklichung und die therapeutische Selbstbestimmung. Doch auch die Aussichten auf ein gutes Einkommen und eine flexible Arbeitszeitgestaltung haben den Entschluss deutlich beeinflusst. Während für Ärztinnen und Ärzte die Selbstständigkeit häufig eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bietet, ist für die Apothekerinnen und Apotheker eher das breite Aufgabenspektrum in der eigenen Offizin ein Anreiz. Im Umkehrschluss sprechen gegen die Anstellung aus Sicht der Selbstständigen vor allem die Weisungsgebundenheit, eine geringere Vergütung, vorgeschriebene Arbeitszeiten und hierarchische Strukturen.
In der aktuellen Studie hat die apoBank auch angestellte Heilberufler gefragt, was sie von der Selbstständigkeit abhält. Die am häufigsten genannten Vorbehalte sind zu viel Bürokratie, die hohe finanzielle Belastung sowie die hohe Arbeitsbelastung. Doch genauso häufig passt die Niederlassung einfach nicht zu der persönlichen Lebenssituation. Jeder Zweite gab an, dass der Aufwand für die eigene Praxis oder Apotheke einfach zu hoch sei. Um sich für die Selbstständigkeit zu entscheiden, müsste es laut der Mehrheit der befragten Angestellten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine geringere finanzielle Belastung sowie den Abbau von regulatorischen Anforderungen geben.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist grundsätzlich von hoher Relevanz für alle Befragten. Doch ob die gewünschte Work-Life-Balance besser in der Niederlassung oder in der Anstellung zu realisieren ist – dazu gibt es unterschiedliche Meinungen: Für 83 Prozent ist es einerseits das häufigste Kriterium bei der Entscheidung für die Anstellung gewesen, andererseits ist das auch – vor allem für die selbstständige Ärzteschaft – eines der Hauptmotive für die Niederlassung. Denn gerade durch die Flexibilität als eigener Chef oder eigene Chefin können sich sehr gute Möglichkeiten für eine ausgewogene Work-Life-Balance und außerdem für ein höheres Einkommen bieten.
Was kann die Work-Life-Balance von Apothekenmitarbeitenden verbessern?
- Möglichkeiten für flexible Arbeitszeitmodelle oder Teilzeit
- Modelle wie Jobsharing, um Führungspositionen qualifiziert zu besetzen
- Feste freie Tage als Ausgleich für einen Wochenenddienst
- Ein Arbeitszeitkonto, das Gleitzeit oder auch mal eine längere Pause ermöglicht
- Die Möglichkeit, in Ausnahmen auch kurzfristig einen Tag frei zu nehmen
- Die Anpassung der Arbeitszeiten an die Kinderbetreuungszeiten
- Die Möglichkeit, geleistete Überstunden und Mehrarbeit zeitnah und nach Wunsch der Mitarbeitenden auszugleichen
- Die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice für einige Aufgaben, wie beispielsweise Verwaltungs- und Dokumentationstätigkeiten, die Arbeitsplanerstellung oder Medikationsanalysen
Wenngleich materielle Anreize heute nicht mehr das A und O einer attraktiven Arbeitsstelle sind – eine faire und den Qualifikationen entsprechende Bezahlung wird auch von der jüngeren Generation erwartet. Außerdem dürfen wir nicht vergessen: Führungskräfte wie z. B. Apothekenleiterinnen und -leiter sind Vorbilder. Sie sind nicht nur selbst von den Arbeitsumständen betroffen, sondern können die „Work-Life-Balance“ ihrer Mitarbeitenden durch gute Führung stark beeinflussen. Gerade wer als Chef oder Chefin den Anspruch hat, die eigene Arbeit und das Privatleben gut zu kombinieren, kann die längerfristige Motivation seiner zuverlässigen Mitarbeitenden am besten dadurch stärken, dass er ihnen ebenfalls Wertschätzung entgegenbringt und Flexibilität gewährt. |
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