Wirtschaft

Nicht standes-, aber apothekereigen

Bei Noventi gibt es vielfache wirtschaftliche Verflechtungen mit der Standespolitik

jb | Die Geschehnisse bei Noventi versetzen die Apothekerschaft in Unruhe, wecken sie doch Erinnerungen an die Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters AvP vor wenigen Jahren. Die bange Frage ist, ob bei der Noventi, einem standeseigenen Abrechner, Ähnliches droht. Doch ist die Noventi wirklich standeseigen?

Um diese Frage zu klären, muss man sich den Begriff standeseigen einmal genauer ansehen. Was bedeutet das? Im eigentlichen Wortsinne sind standeseigene Unternehmen ganz oder teilweise im Besitz der verfassten Apothekerschaft, also von Kammern und Verbänden.

Frühe standeseigene Unternehmen waren beispielsweise die Handelsgesellschaft Deutscher Apotheker (HAGEDA), die 1904 aus der Einkaufsvereinigung der Apotheker Berlins hervorging, oder auch das „Spezialitätenunternehmen des Deutschen Apotheker-Vereins“, die spätere Stada. Die wohl bekanntesten Beispiele für standeseigene Unternehmen heute sind die wirtschaftenden Töchter der ABDA wie die Avoxa. Aber auch Apotheken­rechenzentren befinden sich im Besitz der verfassten Apothekerschaft. So sind beispielsweise die Apothekerverbände aus Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland Gesellschafter des ARZ Darmstadt.

Neben den standeseigenen Unternehmen gibt es eine ganze Reihe apothekereigener Unternehmen. Zum Beispiel der genossenschaftlich organisierte Großhändler Noweda oder eben die Noventi. Alleinaktionär ist der Förderverein Süddeutscher Apotheken – FSA. Mitglied im FSA können nur Apothekeninhaber werden, die eine Geschäftsbeziehung zur Noventi haben. Somit gehört die Noventi ausschließlich Apothekern ist also apotheker-, aber nicht standeseigen.

Finanzspritze von der Grund­stücksverwaltungsgesellschaft

Allerdings gibt es wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der Noventi beziehungsweise deren Eigentümer, dem FSA, und den Landesapothekerverbänden. Zum Beispiel über die Pharmafakt, eine Consulting-Firma, die mit Daten arbeitet, die bei der Rezeptabrechnung in den Apothekenrechen­zentren gewonnen werden – in anonymisierter Form. Gesellschafter sind neben der Noventi die Apothekerverbände der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen sowie das ARZ Haan.

Eine weitere Connection besteht über die B.A.G. Grundstücksverwaltungsgesellschaft. Sie ermöglichte die Finanzspritze des FSA an die Noventi in Höhe von 20 Millionen Euro. Gesellschafter sind neben dem FSA der Bayerische Apothekerverband und der Landesapothekerverband Baden-Württemberg mit einem Anteil von jeweils 32,5 Prozent.

Die Gesellschaft für zentrales Datenmanagement und Statistik im Gesundheitswesen, an der die Noventi laut Geschäftsbericht 40,1 Prozent hält, ist ein Unternehmen mehrerer Rechenzentren, darunter auch standeseigene.

Foto: hobbitfoot/AdobeStock

Zwischen Noventi und den Standesorganisationen gibt es viele Berührungspunkte.

Zahlreiche personelle Berührungspunkte

Und auch personelle Berührungspunkte zwischen der Noventi und der Standesvertretung gibt es. So finden sich im Aufsichtsrat der Noventi und in Vorstand und Vertreterversammlung der FSA zahlreiche Kollegen, die auch Mandatsträger bei Kammern und Verbänden sind. Zum Beispiel der ABDA-Vizepräsident und Vorsitzende des LAV Sachsen-Anhalt Mathias Arnold (FSA-Vorstand), der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbandes Dr. Hans-Peter Hubmann (Vertreterversammlung) sowie sein Stellvertreter Josef Kammermeier (Noventi Aufsichtsrat).

Somit ist die Noventi, auch wenn sie nicht im eigentlichen Wort­sinne standeseigen ist, auf jeden Fall apothekereigen und auch mit der Standespolitik in vielen Fällen verwoben.

Grundsätzliche Unterschiede zu AvP

Aber ob standeseigen oder nur apothekereigen – in allen Fällen haben die Eigentümer ein großes, ja sogar ein existenzielles Interesse daran, dass der Laden weiterläuft, und sind im Zweifel bereit, zusätzliches Geld zu investieren, wie zuletzt auch bei Noventi geschehen. Bei der nicht apothekereigenen AvP gab es diese Schützenhilfe nicht. Dazu kommt, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters der AvP offenbar durch betrügerische Machenschaften Geld entzogen wurde. Bei Noventi geht es dagegen um eine zu expansive Strategie, die spätestens durch die Zinswende zu teuer wurde. Die Neuausrichtung erscheint damit konsequent. Damit unterscheiden sich die beiden Fälle grundsätzlich. |

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