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Gesundheitspolitik
Neustart für die Digitalisierung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist sich bewusst: Weder in der medizinischen Versorgung noch in der Forschung ist die Digitalisierung bislang gelungen. Er war selbst als Berater dabei, als die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vor zwei Jahrzehnten die ersten Schritte hin zur Digitalisierung im Gesundheitswesen unternahm. Nun will er einlösen, was Schmidt seinerzeit versprach, erklärte Lauterbach am vergangenen Donnerstag bei der Vorstellung seiner „Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege“. Den „Defätismus“, der sich in den letzten 20 Jahren breitgemacht hat, will er nicht akzeptieren. Aufgeben kommt für ihn nicht infrage. Vielmehr sei es jetzt Zeit für einen „Turbo-Schub“, um den Anschluss wieder zu finden.
Drei Etappenziele
Auf dem Weg dorthin hat sich Lauterbach zunächst drei Etappenziele gesetzt: Bis 2025 sollen 80 Prozent der GKV-Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen. Bis Ende 2025 sollen sodann 80 Prozent der ePA-Nutzer, die in medikamentöser Behandlung sind, eine digitale Medikationsübersicht haben. Und bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.
Seiner Digitalisierungsstrategie, vorgelegt als bunte Broschüre, sollen nun zwei Gesetze folgen: das Digitalgesetz, das den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessern soll und unter anderem ePA und E-Rezept adressiert, sowie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden sollen. Diese Gesetzesvorhaben sind Lauterbach zufolge schon weit fortgeschritten und sollen in den „nächsten Wochen“ als Referentenentwürfe vorgelegt werden. Tatsächlich dürften noch so einige Details zu klären sein.
Offene Detailfragen
So steht zwar schon fest, dass die automatisch für jeden Versicherten angelegte ePA mit Opt-out-Möglichkeit bis Ende 2024 eingerichtet wird. Wie das Widerrufsverfahren allerdings genau laufen soll, ist noch unklar. „Das werden wir noch entwickeln“, sagte Lauterbach. Auch beim E-Rezept gibt es weiterhin keine handfesten Einführungsdaten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verspricht lediglich: „Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).“ In der Pressekonferenz erklärte Lauterbach, dass die Technologie für das E-Rezept schon vorhanden sei – und er „hoffe“, dass es Anfang 2024 in größerem Stil komme. Und so steht es auch unter den „mittelfristigen Maßnahmen“, dass über das E-Rezept Daten für die ePA und den elektronischen Medikationsplan (eMP) bereitgestellt werden. Ziel ist, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen, indem die Medikation automatisiert geprüft wird.
Telemedizin in Apotheken
Das Digitalgesetz soll aber auch noch andere Regelungen mit sich bringen. Unter anderem soll die Telemedizin weiter nach vorn gebracht und ein niedrigschwelliger Zugang ermöglicht werden. So soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken „assistierte Telemedizin“ angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen. Außerdem soll die 30-Prozent-Limitierung für telemedizinische Leistungen aufgehoben werden (bislang können Ärzte sie nur in diesem Umfang abrechnen).
Gematik soll vollständig staatlich werden
Zudem soll die Gesellschaft für Telematik – bislang bekannt als Gematik GmbH – zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die bislang zu 49 Prozent in der Gesellschafterversammlung vertretenen Selbstverwaltungsorganisationen – darunter etwa der Deutsche Apothekerverband – außen vor bleiben. Lauterbach zufolge will man so an Tempo gewinnen und die Handlungsfähigkeit der Gematik stärken. Die Gespräche mit der Selbstverwaltung werde es selbstverständlich weiterhin geben, verspricht der Minister – auch die Digitalstrategie sei schließlich nach sehr intensiven Gesprächen mit dieser entstanden.
Datenschützer ohne Veto
Ein interdisziplinärer Ausschuss, der unter anderem mit Vertretern der obersten Datenschutzbehörden (BfDI, BSI) sowie aus Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll die Digitalagentur künftig bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen rund um Datensicherheit und Anwenderfreundlichkeit beraten. Ein Vetorecht der Datenschützer soll es jedoch nicht mehr geben. Lauterbach ist überzeugt, dass sich mit einer solchen Entscheidungsverlagerung auf „breitere Schultern“ Qualität und Zeit gewinnen lässt.
Das zweite geplante Gesetz, das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, ist datenschutzrechtlich ebenfalls ambitioniert. Mit ihm sollen die in den verschiedenen „Silos“ der Gesundheitsversorgung liegenden Daten verknüpft und in pseudonymisierter Form der Forschung – auch der Industrie – zur Verfügung gestellt werden. |
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