Wirtschaft

Viele Tücken in reformierter Preisbildung

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Weniger Einsparungen als erwartet und Behinderung von Innovationen?

tmb | Am 1. März präsentierten die DAK-Gesundheit und die Universität Bielefeld ihren diesjährigen AMNOG-Report. Inhaltlicher Schwerpunkt sind die Änderungen der Preisbildung neuer Arzneimittel durch das GKV-Finanzstabilisierungs­gesetz (GKV-FinStG). Offenbar hat das Bundesgesundheits­ministerium (BMG) die kurz­fristigen Einsparungen teilweise zu hoch angesetzt. Zugleich stellt sich die Frage, ob manche Innovationen künftig zu stark behindert werden.

Der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm mahnte die hohen Ausgaben für Arzneimittel an, besonders für hochpreisige patent­geschützte Produkte. Daraufhin bezweifelte er die Position von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, dass bei Arzneimitteln keine Effizienzreserven mehr bestünden. Vielmehr dürfte es keinesfalls ein AMNOG-Moratorium geben.

Der Bielefelder Gesundheitsökonom Prof. Dr. Wolfgang Greiner hat die Folgen des GKV-FinStG untersucht. Wenn schon 2018 bis 2021 die ausgehandelten Erstattungsbeträge bereits nach sieben Monaten gegolten hätten, wären demnach durchschnittlich 77 Millionen Euro gespart worden, während das BMG 150 Millionen Euro erwartet. Durch die Senkung der Umsatzschwelle für Orphan Drugs, denen ohne Nutzenbewertung ein Zusatznutzen zuerkannt wird, von 50 auf 30 Millionen Euro wäre in fünf Jahren für fünf zusätzliche Arzneimittel eine Vollbewertung nötig gewesen. Dies würde wohl eher langfristig wirken.

Beim pauschalen Abschlag für Kombinationstherapien sieht Greiner das Problem, diese Fälle zu identifizieren. Abhängig vom betrachteten Zeitfenster ergeben sich große Unterschiede. Greiner erwartet dabei eher weniger Einsparungen als das BMG, das mit 185 Millionen Euro rechnet.

Besonders viele Arzneimittel dürften von den neuen „Leitplanken“ für die Preisbildung bei geringem und nicht-quantifizierbarem Zusatznutzen betroffen sein, bei denen nun jeweils zwischen patentgeschützten und anderen Vergleichstherapien unterschieden wird. Für diese Neuregelung konstatierte Greiner viele Unschärfen, aber auch viel Einsparpotenzial, vielleicht sogar mehr als die vom BMG erwarteten 300 Millionen Euro.

Benachteiligung bei Langzeiteffekten

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses Prof. Josef Hecken betonte, dass besonders bei Orphan Drugs und Onkologika sehr hohe Ausgaben für sehr wenige Arzneimitteldosen anfallen. Da es nur in Deutschland eine Umsatzschwelle für die Nutzen­bewertung bei Orphan Drugs gebe, sollte darüber diskutiert werden, forderte Hecken.

Beim Preisabschlag für Kombina­tionstherapien sieht er noch viel Arbeit zur Klarstellung. Denn sonst werde es zu vielen Gerichtsverfahren kommen.

Bei den neuen Leitplanken für die Preisbildung hätte er sich eine „Soll-Regelung“ gewünscht, die Abweichungen in Einzelfällen zulässt. Dies betreffe insbesondere chronische Erkrankungen, bei denen der Nutzen großenteils erst nach langer Zeit eintritt. Doch nun „hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, beklagte Hecken.

Neue Belastung für Innovationen

Prof. Dr. Jörg Ruof, R-Connect, Basel, sieht in den neuen Leit­planken eine zunehmende Gefahr, sinnvolle Innovationen zu blockieren. Bundesgesundheitsminister Lauterbach habe den Eindruck erweckt, Arzneimittel mit geringem oder nicht quantifizierbarem Zusatznutzen seien nicht besser. Doch es gebe dabei durchaus für die Patienten wichtige Verbesserungen, insbesondere bei der Lebensqualität.

Ruof befürchtet Benachteiligungen für Indikationsgebiete, in denen neue Arzneimittel bisher meist nur geringen Zusatznutzen geboten haben, besonders Endokrinologie, Herz-Kreislauf-Therapie und Psychiatrie. Diese Verschiebung in der Bewertung löse auch Folgeprobleme aus, wenn die betroffenen Arzneimittel später selbst als Vergleichstherapie dienen. Außerdem mahnte Ruof, geeignete Evidenzmaßstäbe für neue, sehr spezielle Therapien zu suchen, zu denen sich einarmige Studien statt randomisierter kontrollierter Studien etabliert haben.

Die Neuerungen sind für Ruof „das falsche Signal zur falschen Zeit“. Gerade vor dem Hintergrund der künftigen Nutzenbewertung auf EU-Ebene komme eine Schwächung des AMNOG-Prozesses als „Leuchtturm“ zur Unzeit. |

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