Arzneimittel und Therapie

Rx-Pflicht für Doxylamin & Co. vom Tisch

BMG folgt nicht den Empfehlungen des Sachverständigenausschusses

mab | Werden Doxylamin, Diphen­hydramin und Dimenhydrinat nun für ältere Personen über 65 Jahren verschreibungspflichtig oder nicht? In den letzten drei Jahren wurde darüber kontrovers im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht diskutiert. Die DAZ hat beim Bundesgesundheitsministerium nachgehakt, wie denn nun die endgültige Entscheidung lautet.

Um ihrer Schlafstörungen Herr zu werden, greifen gerade auch viele ältere Menschen gerne auf rezeptfrei erhältliche sedierende H1-Antihistaminika wie Doxylamin und Diphen­hydramin in der Selbstmedikation zurück. Gleichzeitig stehen diese Therapeutika im Verdacht, durch ihr sedierendes Potenzial das Risiko für Gleichgewichtsstörungen und Stürze zu erhöhen. Daher hatte der dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angehörige Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht bereits auf seiner 81. Sitzung vor knapp drei Jahren über eine mögliche Verschreibungspflicht von sedierenden Antihistaminika für Personen über 65 Jahre debattiert. Zwar wurde dieser erste Antrag vorerst abgelehnt, jedoch beschloss der Ausschuss, sich künftig mit bestimmten Einzelsubstanzen näher zu befassen. Und so kam es, dass der Ausschuss im Januar 2020 mehrheitlich empfohlen hat, sowohl Doxyl­amin als auch Diphenhydramin aufgrund ihres pharmakologischen Risikoprofils und der Erfahrung der Ausschussmitglieder für Personen über 65 Jahre unter die Verschreibungspflicht zu stellen. Für das zur Therapie von Schwindel und Übelkeit zugelassene Dimenhydrinat sah der Ausschuss bei seiner 83. Sitzung im Januar 2021 hingegen nur eine unzureichende Datengrundlage und sah daher von der Empfehlung ab, Dimenhydrinat der Verschreibungspflicht zu unterstellen.

Foto: Syda Productions/AdobeStock

Kritik in der Fachwelt und von Herstellerseite

Probleme bei der Rx-Empfehlung sah man in der Fachwelt vor allem in der willkürlich erscheinenden Altersgrenze von 65 Jahren und der schwer zu handhabenden Kontrolle. Vor allem die Hersteller der betroffenen Arzneimittel zweifelten das erhöhte Sturz­risiko an und führten als Gegenargument die Ergebnisse einer retrospektiven Sicherheitsstudie an. In diesem Kontext hatte Professor Sebastian Harder, Facharzt für klinische Pharmakologie und wissenschaftlicher Mit­arbeiter am Ins­titut für Klinische Pharmakologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, im Februar 2021 für die DAZ die Thematik eingeschätzt: Auch er sah damals Argumente für die Verschreibungspflicht (s. DAZ 2021, Nr. 8, S. 36).

Auch Tyrothricin bleibt verschreibungsfrei

Auch über eine mögliche Verschreibungspflicht von Tyrothricin, das als Lokalantibiotikum zum Beispiel in Lemocin® und Dorithricin® zur Behandlung von Erkrankungen im Mund- und Rachenraum eingesetzt wird, hatte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht in seiner 83. Sitzung diskutiert. Seiner Empfehlung, Tyrothricin nicht der Verschreibungspflicht zu unterstellen, ist das BMG gefolgt. Somit können Tyrothricin-haltige Arzneimittel weiterhin ohne Rezept erworben werden.

Was meint das BMG?

Die endgültige Entscheidung für oder gegen eine Verschreibungspflicht fällt jedoch nicht der Sachverständigenausschuss, sondern das Bundes­gesundheitsministerium (BMG). Auf Nachfrage gibt das Ministerium gegenüber der DAZ an, auf die Verschreibungspflicht für Antihistaminika der ersten Generation (u. a. Doxyl­amin) zu verzichten. Vielmehr sollen für die Anwendung von Diphenhydramin und Doxylamin als Schlafmittel künftig strengere Angaben zur Anwendungsdauer in der Produktinformation eingeführt werden, um das potenzielle Anwendungsrisiko zu verringern. Zudem sollen Betroffene verstärkt in der Beratung für die Thematik sensibilisiert werden. |

Literatur

Dimenhydrinat – Überprüfung der Verkaufsabgrenzung bei Patienten über 65 Jahren. Anlage 7 des Ergebnisprotokolls der 83. Sitzung (26. Januar 2021 per Videokonferenz) des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht

E-Mail-Korrespondenz mit dem Bundesgesundheitsministerium

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