Prisma

Durch dicke und dünne Luft

Nanoplastik dringt in Hochgebirge vor

Foto: nui7711/AdobeStock

mp | Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts galt: Wer lungenkrank ist und es sich leisten kann, geht zur Kur in eine der Höhenkliniken in den Alpen. Denn dort, so die These, sei die Luft besonders rein und eine Frischluft-Liegekur das beste Mittel. Doch in den letzten Jahren nahm die Plastik-Verschmutzung unserer Umwelt zu und machte auch vor Kur- und Erholungsregionen nicht Halt. Die Kunststoffe zersetzen sich zu Mikro- und weiter zu Nanopartikeln. Viel Nanoplastik wird etwa in den Städten freigesetzt, aber auch die Gischt der Meere konnte als Quelle identifiziert werden. Nanopartikel sind toxikologisch bedenklich. Während Teilchen mit einem Durchmesser > 10 µm in den oberen Atemwegen fil­triert werden, stoßen Nanoteilchen bis in tiefe Atemwege vor. Einige sind so klein, dass sie über die Lunge ins Blut gelangen und die Membranen von Zellen durchdringen können. Ist die Konzentration hoch genug, können oxidativer Stress, Zellschäden und Entzündungsreaktionen die Folge sein. Ob und wie viel Nanoplastik über die Luft in natürliche, abgelegene Orte gelangt, wurde bisher nicht untersucht. Einer der Gründe war, dass die analytischen Methoden ungenau waren. Jetzt fand ein Forscherteam die Lösung. Mit einer speziellen Art der Massenspektrometrie untersuchten sie in den Hochalpen die Schneeoberfläche auf verschiedene Nanoplastiktypen – mit einer nie dagewesenen Genauigkeit. Die Proben nahmen sie auf dem Gipfel des „Hohen Sonnblicks“, einem 3106 m hohen Berg des österreichischen Alpenhauptkammes. Ihre Ergebnisse beunruhigen. Während der untersuchten Zeit landeten pro Quadratmeter jede Woche 200 Milliarden Nanoplastik- Partikel auf dem verschneiten Gipfel. Die Autoren raten, die Messungen auf die Städte und weitere abgelegene Orte auszudehnen, um das Ausmaß der Verschmutzung überblicken zu können. Wo wird die Luft noch sauber sein? Sind die Luftkurorte der Zukunft tiefe Schluchten, unter­irdische Höhlen oder gar der Weltraum? Die Alpen jedenfalls sind vor den Nanoteilchen nicht mehr sicher. |

Literatur

Materić D et al. Nanoplastics transport to the remote, high-altitude Alps. Environmental Pollution 2021;288:117697

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