DAZ aktuell

Neue Hürde für Einsatz von Humanarzneimitteln bei Tieren

Harmonisiertes EU-Tierarzneimittelrecht in Kraft

tmb | Am 28. Januar ist die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel europaweit in Kraft getreten. Seit diesem Tag gilt zudem in Deutschland das neue Tierarznei­mittelgesetz (TAMG). Während der Gesetzgebung wurde insbesondere über den Antibiotikaeinsatz und den Versand von Tierarzneimitteln diskutiert. Einige praktische Konsequenzen werden dagegen erst jetzt deutlich. Beispielsweise dürfen Tierhalter nun Humanarzneimittel nur noch mit einer tierärztlichen Verordnung an ihren Tieren anwenden.

Mit der neuen EU-Verordnung gilt in der Europäischen Union nun ein weitgehend harmonisiertes Tierarzneimittelrecht. Darum hat der Gesetzgeber in Deutschland die Vorschriften für Tierarzneimittel aus dem Arzneimittelgesetz entfernt und das neue TAMG geschaffen. Im Zuge der Neustrukturierung muss das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft noch einige Vorschriften erlassen bzw. anpassen. Ein Referentenentwurf dazu liegt bereits vor. Er enthält jedoch noch keine Verordnung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 11 TAMG. Damit können Ausnahmen vom neu geschaffenen Versandverbot für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel zugelassen werden, soweit es um den inländischen Versand und die Behandlung bestimmter Tierarten geht (siehe DAZ 2021, Nr. 25, S. 10 und DAZ 2021, Nr. 26, S. 17). Solange eine solche Verordnung nicht besteht, ist der Versand von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln in Deutschland nun verboten. Außerdem ist der grenzüberschreitende Versand dieser Arzneimittel nach dem neuen EU-Tierarzneimittelrecht verboten – und dazu ist keine Ausnahmemöglichkeit vorgesehen.

Neben den vielfach diskutierten Regelungen zum Versand und zum Antibiotikaeinsatz (siehe DAZ 2021, Nr. 38, S. 16) erscheint der neue § 50 Abs. 2 TAMG bemerkenswert. Die Vorschrift dürfte zu einer problematischen Hürde im Apothekenalltag werden. Sie lautet:

„Tierhalterinnen und Tierhalter sowie andere Personen, die nicht Tierärztinnen oder Tierärzte sind, dürfen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte sowie Arzneimittel nach § 2 Absatz 1, 2 und 3a des Arzneimittelgesetzes bei Tieren nur anwenden, soweit

1. diese von einer Tierärztin oder einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind, bei der oder dem sich die Tiere in Behandlung befinden, und

2. die Anwendung gemäß einer tierärztlichen Behandlungsanweisung, die die Tierärztin oder der Tierarzt für den betreffenden Fall ausgehändigt hat, erfolgt.“

Humanarzneimittel sind Arzneimittel nach § 2 Abs. 1, 2 oder 3a AMG. Damit dürfen Tierhalter auch nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel nur noch dann beispielsweise für Hunde oder Katzen anwenden, wenn sie vom Tierarzt für dieses Tier verordnet wurden. Dies ist ein neu geschaffenes Anwendungsverbot für Tierhalter und keine an die Apotheken gerichtete Regelung zur Verschreibungspflicht, aber die Vorschrift wirkt praktisch wie eine Verschreibungspflicht. Denn wenn Kunden beim Kauf eines Arzneimittels über die Absicht einer rechtlich unzulässigen Nutzung sprechen, ist das stets ein Abgabehindernis. Eine Beratung zu einem unzulässigen Zweck scheidet ebenfalls aus. Stattdessen wird dann eine tierärztliche Verordnung nötig, die bei allen Beteiligten den bürokratischen Aufwand erhöht.

Enge Bindung an die Zulassung

Hintergrund der Regelung ist offenbar die insgesamt enge Bindung an den Wortlaut von Arzneimittelzulassungen im neuen europäischen Tierarzneimittelrecht, die auch die Verordnungsmöglichkeiten von Tierärzten weiter einschränkt. Sie dürfen z. B. bei Dosierungen nicht mehr von der Packungsbeilage abweichen.

Verfassungsbeschwerde der Tierheilpraktiker

Das neue Anwendungsverbot für Humanarzneimittel trifft auch Tierheilpraktiker, die bisher vielfach homöopathische Humanarzneimittel eingesetzt haben, diese nun jedoch nicht mehr anwenden oder verordnen dürfen. Daher haben einige Tierheilpraktiker Verfassungsbeschwerde wegen der Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit eingelegt. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht bereits eine Absage erteilt. Denn die angeführten Gründe würden nicht ausreichen, um den Vollzug des Gesetzes zu stoppen. Damit bleibt das reguläre Verfassungsbeschwerdeverfahren abzuwarten. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller wurde nach eigenen Angaben vom Bundesverfassungsgericht um eine Stellungnahme dazu gebeten. Insbesondere solle beantwortet werden, ob empirische Erkenntnisse über Gefahren für Menschen, Tiere oder die Umwelt durch den Einsatz nicht-verschreibungspflichtiger registrierter Humanhomöopathika bei Nicht-Lebensmittel-Tieren vorliegen. Außerdem solle beantwortet werden, welche Vorteile eine gesetzlich auf Tierärzte beschränkte Anwendung dieser Arzneimittel bei Nicht-Lebensmittel-­Tieren habe. |

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