Arzneimittel und Therapie

Keine Langzeitfolgen durch Wachstums­hormone in der Kindheit

Kardiovaskuläre und metabolische Risiken sind im Erwachsenenalter nicht erhöht

Wachstumshormone können bei Kindern eingesetzt werden, die als Säugling klein für ihr Gestations­alter waren. Bringt eine solche Hormontherapie Folgen mit sich, die sich im Erwachsenenalter auswirken? Eine niederländische Forschungsgruppe untersuchte die kardiovaskulären und metabolischen Risiken im Rahmen einer Follow-Up-Studie für zwölf Jahre nach Absetzen der Wachstums­hormone im Alter von etwa 16 Jahren.

Ist ein Fetus oder Säugling bezüglich seines Reifealters zu klein und besitzt ein niedriges Schätz- oder Geburtsgewicht (< 10. Perzentile), spricht man von klein für das Gestationsalter (small for gestational age, SGA). Ab dem vierten Lebensjahr können bestehende Differenzen durch Substitution von Wachstumshormonen (GH) bis zum Erreichen der Normgröße aufgeholt werden (SGA-GH-Erwachsene).

In früheren Studien wurden metabolische und kardiovaskuläre Profile von SGA-GH-Erwachsenen mit Durchschnittswerten der Allgemeinbevölkerung verglichen. Hierbei wurde die Substitution mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität in Verbindung gebracht. In einer neuen Studie wurden 167 Erwachsene eingeschlossen, die klein für das Gestationsalter geboren waren und ab einem Alter von vier Jahren an einer niederländischen Wachstumshormonstudie teilgenommen hatten (SGA-GH Erwachsene). Die Wachstumshormonbehandlung beendeten sie im Schnitt mit 16,2 Jahren. Die Kontrollgruppen umfassten 219 unbehandelte Erwachsene, die drei Gruppen zugeordnet wurden:

  • 50 klein für das Gestationsalter geborene Erwachsene mit persistierendem Kleinwuchs (SGA-S)
  • 77 klein für das Gestations­alter geborene Erwachsene mit spontanem postnatalem Aufholwachstum (SGA-CU) sowie
  • 92 Erwachsene mit Gestationsalter-entsprechender Statur (AGA).

Die über die Jahre repetitiv erfassten metabolischen und kardiovaskulären Parameter wurden zwölf Jahre nach Absetzen der Wachstumshormone mit den altersgleichen etwa 30-jährigen Teilnehmern der Kontrollgruppen verglichen.

Zwölf Jahre Follow-Up

Im Verlauf der zwölfjährigen Nach­beobachtungszeit konnten in der mit Wachstumshormon behandelten Gruppe (SGA-GH) eine erhaltene normale β-Zellfunktion (p = 0,157) sowie eine erhöhte Insulin-Sensitivität (p = 0,002) und erhöhte Glucose-Effektivität (p = 0,003) festgestellt werden. Die Fettmasse, das Rumpffett und Gliedmaßen-Fett waren in der SGA-GH-Gruppe erhöht (jeweils p < 0,001), ebenso wie die Gesamt- und LDL-Cholesterin-Werte (jeweils p < 0,001), der Triglycerid-Wert (p = 0,006) und der Blutdruck (p < 0,001). Die fettfreie Masse (p < 0,001), der HDL-Cholesterin-Spiegel (p = 0,025) und die akute Insulin-Antwort (p < 0,001) nahmen signifikant ab (95%-Konfidenzintervall, Signifikanz ab p < 0,05).

Vergleich mit Kontrollgruppen

Im Alter von etwa 30 Jahren zeigten alle SGA-Gruppen ähnliche Insulin-Sensitivitäts- und Betazellfunktionswerte. Ein signifikanter Unterschied zwischen SGA-GH- und AGA-Gruppe lag nicht vor. Fettmasse, viszerales und subkutanes Fett sowie der Leberfettanteil nahmen bei allen vier Gruppen zu, wobei die unbehandelte SGA-CU- und SGA-S-Gruppe tendenziell eher zu viszeraler Adipositas neigte. Diese Beobachtung impliziert einen positiven Langzeiteffekt der Wachstumshormonbehandlung bezüglich zentraler Fettablagerung.

Alle drei SGA-Gruppen zeigten er­höhte Konzentrationen ungünstiger ­Serumlipide und niedrige HDL-Werte unabhängig der Wachstumshormontherapie, wenn auch innerhalb des Normbereichs. Ein Grund hierfür könnte eine schnelle kompensatorische neonatale Gewichtszunahme der klein für das Gestationsalter Geborenen sein. Weitere Untersuchungen zur Ursache des ungünstigen Lipidprofils sind gerechtfertigt.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass 30-jährige Erwachsene, die klein für ihr Gestationsalter waren und mit Wachstumshormonen behandelt wurden, ein ähnliches metabolisches und kardiovas­kuläres Gesundheitsprofil wie alters­gleiche Erwachsene aufweisen, die entweder klein für das Gestationsalter waren und kleinwüchsig blieben bzw. ihr Wachstum spontan aufholten oder eine dem Gestationsalter entsprechende Statur hatten. Daher kann eine Wachstumshormonbehandlung im Kindesalter entgegen früherer Studien nicht mit einer erhöhten metabolischen und ­kardiovaskulären Morbidität assoziiert werden. |

Literatur

[1] Goedegebuure WJ et al. Childhood growth hormone treatment and metabolic and cardiovascular risk in adults born small for gestational age after growth hormone cessation in the Netherlands: a 12-year follow-up study. Lancet Child Adolesc Health 2022;6(11):777-787, doi: 10.1016/S2352-4642(22)00240-1

[2] Intrauterine Wachstumsrestriktion. S2k-Leitlinie, Federführung: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), AWMF-Registernummer: 015/080 Stand Oktober 2016

Apothekerin Anna-Lena Gehl

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