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Aus den Ländern
Graue kritisiert Spargesetz und sieht noch viele Aufgaben
NARZ-Mitgliederversammlung mit Ausblick zum E-Rezept
Graue erklärte, angesichts der vielen Leistungen der Apotheken in der Pandemie, der steigenden Kosten für Energie und Personal und der Rabattkürzungen des Großhandels könne das von Minister Lauterbach initiierte Spargesetz nur als Schlag ins Gesicht der Apothekerschaft empfunden werden. Vor dem Hintergrund des seit vielen Jahren anstehenden Inflationsausgleichs und verweigerter Honorarerhöhungen erscheine es grotesk, dass gerade bei den Apotheken, die nur 1,9 Prozent der GKV-Kosten verursachen, nicht vorhandene Effizienzreserven gehoben werden sollen, betonte Graue. Die Forderung an die Verhandlungsführer in Berlin könne nur sein: „Schafft Grundlagen, die das wirtschaftliche Überleben nicht nur großer Einheiten, sondern auch der lebensnotwendigen Einzelapotheke auf dem Land und in der Stadt, die wir alle für die flächendeckende Versorgung benötigen, garantieren“, erklärte Graue und erneuerte seine Kritik an der fehlenden Anpassung für die geltende Rx-Preisbildung: „Die verpassten Gelegenheiten sind wie schwarze Löcher, aus denen die Dämonen schauen.“ Angeblich habe diese Preisbildung die Apotheker vor allem Übel schützen sollen. Zu dieser Tragödie gehöre auch, „dass die Handelnden alles tun, um ihrem Schicksal zu entgehen, aber dadurch ihm immer näherkommen“.
Mit Blick auf die Anfeindungen durch manche Ärztevertreter im Zusammenhang zu den pharmazeutischen Dienstleistungen und deren Anregung, auf den Arzneimittelbezug im Internet hinzuweisen, mahnte Graue: „Natürlich müssen wir trotz des Überschreitens der ‚roten Linie‘ mit den Ärzten im Gespräch bleiben und ihnen deutlich machen, dass wir seit unendlichen Zeiten unverbrüchliche Partner und nicht etwa Feinde sind.“ In Schleswig-Holstein und Hamburg sei dies bereits gelungen.
Probleme durch Lieferkonzepte mit Umsatzbeteiligung
Außerdem müsse der Gesetzgeber endlich für die Gefahren sensibilisiert werden, die vom expandierenden Internethandel, Lieferdiensten und Start-ups ausgingen, erklärte Graue. Man könne die ausländischen Versender nicht glauben lassen, sie wären unantastbar. Gesetzgeber, Exekutive und Gerichte müssten dort ebenso eingreifen wie bei solchen Lieferdienstkonzepten, die eine unzulässige Umsatzbeteiligung vorsehen, forderte Graue. Er warnte auch vor Plattformen, „die Telemedizin und telepharmazeutische Dienstleistungen für teures Geld verknüpfen und einen Vertriebsweg eröffnen, der auf Sicht die Fundamente unseres Apothekenwesens zu zerstören droht“.
Retax-Sorgen zum E-Rezept
Das E-Rezept bleibe allerdings auch ein Problem für die Apotheken vor Ort. Auf die Apotheken kämen dabei „nicht nur Knacknüsse bei der technischen Umsetzung und der Kommunikation mit den Patienten zu“. Auch die Verhinderung von Retaxationen werde leider vielfach unterschätzt, mahnte Graue und erwähnte beispielhaft die europarechtliche Gültigkeit der Quittungssignatur, versehentliche Abweichungen zwischen verordnendem und signierendem Arzt, falsche Schreibweisen des Kostenträgers, Abweichungen vom Artikelstamm und Änderungen des Zuzahlungsstatus zwischen Ausstellung und Einlösung des Rezepts. Wenn dies eine Retax-Welle auslösen sollte, wäre das nicht mehr hinzunehmen, folgerte Graue.
Rechenzentren als verlässliche Schaltstelle
In diesem Zusammenhang erklärte Graue: „Die Rechenzentren entwickeln sich dabei immer mehr zu einer wirklich unentbehrlichen Schnittstelle unseres Gesundheitswesens.“ Sie seien praxisorientiert, die Politik schätze sie als verlässliche Institution, außerdem seien sie „Schaltstation in der nicht immer störungsfreien Kommunikation mit den Krankenkassen“ und „verlässlicher Basisbaustein funktionierender Arzneimittelversorgung“. Die Direktabrechnung könne dazu niemals eine Alternative sein, folgerte Graue. Die AvP-Pleite habe das Vertrauen in die Rechenzentren zumindest kurzzeitig erschüttert. Doch dagegen verwies Graue auf die Konzeption des NARZ, das schon seit Jahrzehnten die nun vorgeschriebenen gesondert zu führenden Treuhandkonten nutze, und auf die „solide Finanzpolitik“ dieses „mitgliedergetragenen Vereinskonstrukts“. Das NARZ betreibe keine Gewinnmaximierung oder Expansionspolitik, sondern setze die Rücklagen dort ein, „wo sie für das einzelne Mitglied Wirkung entfalten“.
Mahnung zur sicheren E-Rezept-Übertragung
Zur jüngsten Entwicklung rund um das E-Rezept erklärte Graue, der vorliegende Referentenentwurf zum Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz sei durchaus positiv zu bewerten, weil entscheidende Fragen des Datenverkehrs geregelt würden und die unabhängige Rolle der Apotheken berücksichtigt werde. Mit Blick auf das bis vor Kurzem in Schleswig-Holstein praktizierte Verfahren der E-Mail-Übermittlung von E-Rezepten, gab Graue zu verstehen, es sei „höchste Eisenbahn“ gewesen, dies zu stoppen. Denn entgegen den zulässigen Transportwegen sei eine datenschutzrechtlich höchst bedenkliche Übermittlung gewählt worden. Mit dem Hinweis der Landesdatenschützerin in Schleswig-Holstein würden auch diverse Plattformen und Apps an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, folgerte Graue. „So manches Geschäftsmodell wird dann sprichwörtlich den Bach heruntergehen“, prognostizierte Graue. Zugleich werde kolportiert, dass Minister Lauterbach die Übermittlung per SMS und E-Mail auf die Schnelle durchsetzen möchte. Doch dabei vergesse er wohl die europäische Datenschutzgrundverordnung, die sich nicht so leicht aushebeln lasse. Graue appellierte daher an Lauterbach: „Lassen Sie daher der Bärendienste genug sein, Herr Minister!“
Froese: Sichere Datenübertragung nur im geschützten Raum
NARZ-Vorstandsmitglied Dr. Peter Froese ergänzte in der Diskussion, das geplante Gesetz sei der Ersatz für die lange erwartete Verordnung zu den Details für das E-Rezept. Die neue Gesetzgebung sei eine eindrucksvolle Bestätigung des Makelverbots. Froese folgerte: „Das Makelverbot ist offenbar verstanden, gelebt und gewollt.“ Darum habe er auch keine Befürchtungen, falls die Gematik künftig ein Konzept entwerfen sollte, bei dem ein Foto eines E-Rezepts übertragen würde. Denn das erfolge dann im geschützten Raum der TI. Wenn Konzepte innerhalb eines geschützten Raums bleiben, werde endlich das Ziel erreicht, dass das E-Rezept so sicher wird wie eine Busfahrkarte. Denn die gilt elektronisch nur in der App des Busunternehmens.
Neue Wege zur Personalgewinnung
Zur Arbeit des NARZ berichtete Graue, der Flaschenhals für die Umsetzung von IT-Projekten und damit die Zukunftsfähigkeit sei das IT-Personal, das von allen Branchen umworben werde. Dazu habe das NARZ eine Kooperation mit der Bremer Jakobs-Universität begründet. Dabei gehe es um den Bedarf von 30 bis 35 hochspezialisierten IT-Entwicklern. Außerdem verwies Graue auf die breit aufgestellte Leistungspalette des NARZ, zu der die Warenwirtschaft, weitere Dienstleistungen und als neues Projekt die Abrechnung von Krankenhausapotheken gehören. Graue dankte dem kürzlich ausgeschiedenen Geschäftsführer Hanno Helmker, der ab 1985 alleiniger Geschäftsführer des NARZ war, für sein jahrzehntelanges Engagement. „Ein Lotse geht von Bord“, kommentierte Graue.
Helmkers Nachfolger als Geschäftsführer, Mark Beushausen, betonte in seinem Bericht die Bedeutung dieser Diversifizierung für das NARZ und berichtete über einen erfolgreichen Abschluss des Geschäftsjahres 2021. Durch Umsatzsteigerungen seien die gestiegenen Kosten aufgefangen worden. Die Eigenkapitalquoten der Konzernunternehmen lägen „auf gewohnt exzellentem Niveau“, beim NARZ seien es 92 Prozent.
Graue und drei Beisitzer wiedergewählt
Nach fast vierzig Jahren an der Spitze des Unternehmens betonte Graue, das NARZ sei ihm eine Herzensangelegenheit, die ihn weiterhin fasziniere. Daher kandidiere er bei der turnusmäßigen Vorstandswahl erneut. Anschließend wurden Dr. Jörn Graue als Vorstandsvorsitzender sowie die Beisitzer Andreas Haese, Birger Peters und Dr. Ulf Siuts jeweils einstimmig für weitere drei Jahre gewählt. |
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