Prisma

Effektive Ekelvideos

Antikörper-Produktion wird stimuliert

Foto: As13Sys/AdobeStock

Das Verhaltensimmunsystem schützt uns vor potenziellen Infektionsquellen.

mp | Neuroendokrinologen in Hamburg haben zu einem Experiment ge­laden. Dabei waren 116 Testpersonen. Ihre Aufgabe: Videos schauen, die bei den meisten Menschen Ekel auslösen. Sie sahen Aufnahmen verdorbener Lebensmittel, verwesender Tiere oder Kakerlaken sowie drei Videos, in denen die dargestellten Personen Gefahr liefen, sich mit einer Erkrankung anzustecken. Zur Kontrolle dienten Landschaftsaufnahmen. Vor und nach der Videosession gaben die Teilnehmer Speichelproben ab. In Fragebögen teilten sie mit, was sie bei den Videos empfunden hatten. Die Forscher um Judith Keller, Erstautorin der nun im Journal „Brain, Behavior & Immunity“ erschienenen Studie, untersuchten den Speichel auf den Schleimhaut-Antikörper Immunglobulin A (IgA). Ihr Fund: Nach Videos mit dargestellter Infektionsgefahr hatten die Testpersonen 83,2% mehr IgA in ihrer Mundschleimhaut als davor. Nach den Aufnahmen verdorbener Lebensmittel waren es 44,8% mehr IgA. Was die Neuro­endokrinologen hier fanden, war ein Wechselspiel zweier Mechanismen, der in wissenschaftlichem Kontext bisher kaum dargestellt werden konnte: nämlich die Interaktion zwischen Verhaltensimmunsystem und physiologischem Immunsystem. Das Verhaltensimmunsystem ist ein dokumentiertes Phänomen. Es soll Mensch und Tier in bestimmten Situationen vor Parasiten oder anderen Erregern schützen, indem sensorische Einflüsse zur Kontaktvermeidung mit potenziellen Infektionsquellen führen (z. B. übler Geruch führt zu Abstandhalten).

Die Hamburger konnten nun zeigen: Allein durch Videos, in denen Zuschauer eine erhöhte Infektionsgefahr beobachten, kann die Menge von Antikörpern im Speichel steigen. Erstautorin Keller schränkt aber ein: Die Studie liefere keinen Beweis für eine erhöhte Immunität der Personen als Reaktion auf Ekel. Dies zeige der erhöhte IgA-Wert im Speichel nicht. Weitere Publikationen sollen das belegen. Keller hält den Zusammenhang jedenfalls für wahrscheinlich. |

 

Literatur

Keller JK et al. Disease-related disgust promotes antibody release in human saliva. Brain, Behavior & Immunity – Health 2022, doi: 10.1016/j.bbih.2022.100489.

Ekelerregende Videos mit Krankheitsbezug lösen Immunantwort aus. Abteilung 2, Referat Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Universität Hamburg. Informationsdienst Wissenschaft 2022, Pressemitteilung vom 26. Juli, www.idw.online.de

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